Entgleitet den Personalverantwortlichen die Führung ihrer Arbeitgebermarke?

Früher, im Zeitalter eines Web 1.0, war Markenführung einfach. Es gab nur wenige Kanäle und Medien und der Fluss der Informationen war klar: vom Unternehmen in den Markt. Insofern stellte das Aufkommen von Social Media eine wahrlich disruptive Veränderung dar. Damit wurden auf einmal nicht nur digitale Antwortkanäle geschaffen. Vielmehr übernahmen die Nutzer im Netz selbst einen Teil der Markenbildung. Warum sich das Thema Employer Branding nun einem neuen Scheidepunkt nähert und warum der Employer Branding Manager stärker denn je gefordert ist, möchte ich in gewohnt kritischer Weise aufzeigen

Authentische Einblicke

Der Markt für Portale mit authentischen Einblicken in das Arbeitsleben von Unternehmen wächst. Allen voran fällt mir hier natürlich Whatchado ein. Nicht nur, weil Gründer und Chef-Inspirator Ali Mahlodji eine supercoole Socke ist und ein ganz feiner Mensch dazu.

Nein, auch weil es auf Bewerberseite einen riesigen Bedarf nach authentischen Einblicken in Unternehmen gibt. Abseits von Hochglanz-Kampagnen zählen die Fragen: Wie arbeitet es sich dort wirklich? Mit welchen Kollegen arbeite ich zusammen? Wie sieht mein tägliches Arbeiten aus?

Am langen Ende geht es nämlich um eine folgenschwere Entscheidung: die Berufswahl. Oder sagen wir besser Stellenwahl. Immerhin verbringen Mitarbeiter von Unternehmen den Großteil ihrer Wachzeit im Auftrag ihres Arbeitgebers. So eine Entscheidung trifft man nicht mal nebenher – auch nicht in der vieldiskutierten Generation Y.

Ich persönlich glaube zwar, dass im Zeitalter der New Work Arbeitsplätze zukünftig häufiger gewechselt werden und es zudem neue (rechtliche) Formen der Beschäftigung geben wird. Trotzdem schreit der Markt aktuell nach authentischen Einblicken in die Rolle von Mitarbeitern. Und der Markt wird zahlreich bedient.

Die Marke entsteht im Web

Wenn Portale wie Whatchado antreten, um dem Hochglanz der Unternehmensbroschüren mit authentischen Videos entgegenzuwirken, so muss man als Bewerber dennoch eines bedenken. Diese Videos sind noch immer Teil der Markenkommunikation der Unternehmen. Alleine durch die Auswahl der Mitarbeiter, die gefilmt werden sowie generelle Vorgaben der Unternehmen bei den Videos, haben die Employer Branding-Verantwortlichen die Kommunikation noch immer fest im Griff. Schon alleine weil sie am Ende über die Veröffentlichung oder Nicht-Veröffentlichung eines Videos entscheiden. Und diese bezahlen.

Alis Portal
Screenshot: Videoportal WHATCHADO von Ali Mahlodji

Trotzdem ist diese „gesteuerte Authentizität“ schon einen großen Schritt von einseitigen Marketing-Kampagnen entfernt. Zumindest hat es auf den ersten Blick den Anschein.

Den nächsten Schritt gehen Arbeitgeberbewertungsportale und Communitys. Hier entscheiden nicht die Markenverantwortlichen was passiert, sondern die Community bzw. der einzelnen Mitarbeiter selbst.

Marke durch anonyme Dritte

Aufgrund der garantierten Anonymität hat kununu (Marktführer im Bereich deutschsprachiger Arbeitgeberbewertungsplattformen) in den letzten Jahren riesigen Zulauf erfahren und sich weiterentwickelt. Portale, wie Companize verblassen dagegen wie rohes Eiweiß gegenüber Eigelb.

Mitarbeiter, Auszubildende, Praktikanten oder jedwede Dritte können auf diesen Portalen Unternehmen bewerten und beschreiben. In eigenen Worten und mit beliebigem Tenor. Die Authentizität scheint ihren Meister in den Arbeitgeberbewertungsportalen gefunden zu haben.

Selbstverständlich sind diese Portale alles andere als unumstritten. Die Markenverantwortlichen zahlreicher Unternehmen scannen die Einträge sehr genau und sind bereit Stellung zu beziehen. Darüber hinaus ergänzen sie durch den Kauf von sogenannten Employer Branding Profilen (XING und kununu) eigene Infos und tragen somit ihren eigenen Teil zur Imagebildung bei. Ein fairer Deal, wie es scheint. Weil die Personaler noch immer an einem zentralen Ort Zugriff auf die (positiverweise unterstellt) authentischen, von Dritten gemachten Inhalte zugreifen können und dort zusätzlich selbst wirken können.

Wenn Marken durch Dritte kommerzialisiert werden

Seit letzter Woche neu angetreten in der Riege der Arbeitgeberbewertungsportale ist der amerikanische Marktführer Glassdoor. Allerdings zeigt das Beispiel des alles andere als optimal gelaufenen Deutschlandstarts von Glassdoor ein tiefergreifendes Phänomen. Dafür gab es bereits zahlreiche andere Beispiele im Internet. Allerdings wurden diese durch die Employer Branding Manager bisher nicht so massiv wahrgenommen.

Zunehmend entscheiden nämlich kommerziell agierende Dritte darüber, wie eine Arbeitgebermarke im Internet wahrgenommen wird: Denn immer mehr Portale legen eigenständig Unternehmensprofile anderer Unternehmen an und binden diese in ihre Plattform ein. Das Geschäftsmodell sieht oft vor, dass dieses Basis-Unternehmensprofil kostenfrei ist und weitere kostenpflichtige Upgrades zugebucht werden können. Ein klassisches Freemium-Modell im HR.

Was auf den ersten Blick nach einem Leckerli aussieht, kann sehr schnell eine bittere Pille werden. Denn häufig weichen diese kostenfreien Basis-Unternehmensprofil stark von der eigentlichen Arbeitgebermarke ab (z.B. bei automatischen Zusammenstellungen durch Algorithmen) oder sind eher kontraproduktiv.

Employer Verbrennding

Zur Verdeutlichung nehme ich mal folgende Beispiele (ohne dass ich damit einen generellen Angriff gegen die jeweiligen Plattformen verbinden möchte!). Aber anhand dieser Beispiele lässt sich sehr schnell erkennen, worauf ich hinaus will:

Freemium kostenlose Unternehmensprofile
Screenshot: Kein offizielles Unternehmensprofil

Die Marke welchen Unternehmens erkennen Sie? – Sie sagen DATEV, weil das im Text steht? Nun ja: Weder sehe ich das grüne Logo, überhaupt herrscht ein dunkles kühles blau vor und die Menschen sind alles andere als Mitarbeiter des Unternehmens. Ist das also der Arbeitgeber DATEV?

Hm, ich hatte das Unternehmen eher so kennen gelernt, wie 6.700 andere Mitarbeiter übrigens auch:

Stellenanzeige im Original
Screenshot: Stellenanzeige auf dem DATEV-Karriereportal (vor der anstehenden Überarbeitung)

Oder nehmen wir als nächstes dieses Beispiel:

Screenshot: Alle aktuellen Jobs des Unternehmens. Oder eben nicht.
Screenshot: Alle aktuellen Jobs des Unternehmens. Oder eben nicht.

Das ebenfalls kostenfrei angelegte Unternehmensprofil verspricht: „Hier findest Du alle aktuellen Jobs von der DATEV eG“. Diesmal findet sich sogar das offizielle Logo auf der Seite. Dazu die Kontaktdaten des Unternehmens. Allerdings werden nur Stellen von anderen Unternehmen aufgeführt. Und das obwohl DATEV selbst auf seinen Karriereseiten und im Internet Stellen ausgeschrieben hat.

Screenshot: nicht originale Stellenanzeige auf Glassdoor
Screenshot: nicht originale Stellenanzeige auf Glassdoor

Auch Stellenanzeigen werden zum Teil automatisiert auf anderen Portalen eingebunden. Nicht immer unverstümmelt, wie das oben stehende Beispiel einer angeblichen SIEMENS-Anzeige zeigt. Eva Zils, von deren Blog Online-Recruiting.net dieser Screenshot stammt, geht darauf in ihrem aktuellen Beitrag darauf näher ein.

Bewerber rechnen den entstandenen Arbeitgebermarkeneindruck jedoch nicht dem Portal zu, auf denen sie sich bewegen, sondern den Unternehmen, für die sie sich gerade jobmäßig interessieren.

Und ich stelle sogar die Frage: Ist das überhaupt noch ein Markeneindruck des Unternehmens? Etwas, das zum Employer Branding eines Unternehmens beiträgt?

Employer Branding – Markenbildung

Eine sehr hilfreiche Definition zum Employer Branding findet sich auf den Seiten des queb.org – quasi eine halb institutionell anerkannte Größe im Employer Branding Markt:

„Employer Branding hat zum Ziel, in den Wahrnehmungen zu einem Arbeitgeber eine unterscheidbare, authentische, glaubwürdige, konsistente und attraktive Arbeitgebermarke auszubilden, die positiv auf die Unternehmensmarke einzahlt.“

Der Einfachheit halber habe ich bereits die wesentlichen Begriffe fett markiert, die mich zweifeln lassen, ob hier überhaupt eine Markenbildung vorliegt bzw. ob diese noch positiv auf irgendetwas einzahlt. Von Konsistenz kann jedenfalls keine Rede mehr sein.

Und der Einfluss der Markenverantwortlichen schwindet mit jeder neuen Plattform.

Der Employer Branding Manager als Markenpolizist?

Wöchentlich tauchen im Netz neue Portale und somit Profile von Unternehmen auf. Zum Teil gesteuert und bewusst, vielfach im Rahmen eines Freemium-Geschäftsmodells. Wer heute Employer Branding zu seinen Verantwortlichkeiten zählt, scheint eine zusätzliche Aufgabe erhalten zu haben: Markenpolizist.

Polizei bei Markenverstößen - wer leistet Hilfe für die Personalverantwortlichen?
Muss der Employer Branding Manager auch Markenpolizist sein?

Oder ist die Zeit der Herrschaft über die eigene Marke tatsächlich schon Geschichte? In ihrer Absolutheit ist sie das natürlich schon lange aufgrund der weiter oben genannten Entwicklungen. Und dass Unternehmen authentisch von Mitarbeitern und Kunden bewertet werden, ist aus meiner Sicht sogar höchst begrüßenswert. Ich wiederhole das an dieser Stelle gerne noch einmal in aller Deutlichkeit!

Auch wenn mir hier bei Weitem nicht alle verantwortlichen HR-Manager in deutschen Unternehmen zustimmen werden. Das ist jedoch deren Problem, denn der Social Media Transparenz-Gedanke wird sich definitiv weiter ausbreiten.

Allerdings stelle ich die Frage, ob der Einfluss rein kommerziell tätiger Unternehmen auf die Arbeitgebermarke anderer Unternehmen ebenso begrüßenswert ist? Zumindest für den Fall, in dem Unternehmen lediglich gezwungen überzeugt werden sollen, durch Zahlung von finanziellen Mitteln die Hoheit über ihren Markenauftritt zurückzuerlangen.

Fazit:

Die Hoheit über die eigene online Arbeitgebermarken-Kommunikation wird weiter zurückgehen. Allerdings leiden die sowieso erst schleppend auf dem Vormarsch befindlichen authentischen Einblicke in Unternehmen darunter, dass Markenbilder dadurch tendenziell immer weiter zerfleddern. Denn wo keine abgrenzbare Marke mehr sichtbar ist, kann auch keine Authentizität im Sinne dieser Marke entstehen.

Selbstverständlich steht deswegen nicht gleich der Untergang des Abendlands vor der Tür. Jedoch stehen die HR-Markenverantwortlichen vor dem Scheideweg:

Entweder sie versuchen mit immer größerem Aufwand (Online-Monitoring-Tools und Rechtsabteilung) die vermeintliche Arbeitgebermarkenhoheit konfrontativ zu verteidigen.

Oder aber sie geben ihrer Arbeitgebermarke im (sozialen) Web den Raum zur Entfaltung und stellen sich darauf ein, dass sich die Markenbildung immer mehr nicht-steuerbaren Einflussgrößen unterworfen ist.

Die Entwicklung wird sehr spannend zu beobachten sein. Wenn nicht heute, so auf jeden Fall in zwei bis drei Jahren…


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Stefan Scheller

Autor und Speaker Persoblogger Stefan SchellerMein Name ist Stefan Scheller. In meiner Rolle als Persoblogger und Top HR-Influencer (Personalmagazin 05/22) betreibe ich diese Website und das gleichnamige HR Praxisportal. Vielen Dank für das Lesen meiner Beiträge und Hören meines Podcasts Klartext HR!

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DANKE!

0 Antworten

  1. Moin Stefan,

    toller Diskussionsanstoß und überzeugende Beispiele. Ich kann Dir nur zustimmen, dass die neuen technologischen und kommunikativen Möglichkeiten den Prozess der Markenbildung oder sagen wir mal der strategischen Markenkommunikation zunehmend erschweren. Und auch wenn es eigentlich noch nie wirklich so war – auch in Zeiten des WEB 1.0 -, dass man Markenbildungsprozesse konkret so steuern konnte, dass die kommunikative Botschaft so beim potenziellen Kandidaten ankam, wie intendiert, dann stehen Employer Brand Manager heute dennoch mehr denn je in der Pflicht, als „Markenpolizei“ zu agieren. Deine Beispiele von Datev und von Siemens zeigen das ganz deutlich.

    Ich frage mich allerdings, was genau man dann eigentlich schützt. Die Kohärenz der Marke? Oder noch konkreter: die kommunikative Kohärenz? Denn genau wie Du schreibst, brauchen Marken Abgrenzung. Gerade in gesättigten Märkten – und in gewisser Weiße kann man vom Bewerbermarkt durchaus von gesättigten Märkten sprechen – müssen Marken integriert auftreten. Um eben ein abgrenzbares und für den Kandidaten kohärentes Bild zu schaffen.

    Dennoch verkennt man dadurch, dass Marken immer mehr sind. Genau wie Du schreibst. Marken entstehen nicht beim kommunizierenden Unternehmen – auch wenn es dort zahlreiche Marken-Manuals, CI-Vorgaben und EVPs gibt, die es zu kommunizieren oder zu protegieren gilt -, sondern beim Nutzer/Rezipienten/Kandidaten. Marken sind in gewisser Weise soziale Systeme, und wie die Systemtheorie eindrücklich gezeigt hat, sind Systeme nur schwer zu steuern.

    Ich glaube, da gibt es noch massiven Handlungsbedarf, diese Markenbildungsprozesse genauer zu modellieren. Ein erster Schritt ist da sicherlich, noch klarer zwischen den Eigenschaften einer Marke – wenn man so will die Markenqualität und -identität, also EVPS, materielle Eigenschaften, Ästhetik der Marke, etc., der KOMMUNIKATION der Marke und der REZEPTION/WAHRNEHMUNG/ERFAHRUNG der Marke zu unterscheiden. Und solche Beispiele wie Du sie anführst helfen hier. Denn sie führen quasi u.a. am Beispiel technologischer Entwicklungen sinnfällig vor, dass die vollständige kommunikative Kontrolle einer Marke eigentlich eine Utopie ist. D.h. die Führung einer Arbeitgebermarke ist immer nur in Grenzen möglich. Aber da, wo man noch steuernd eingreifen kann – da bin ich voll bei Dir – da sollte man das auch tun. Um – und hier kann ich mich nur wiederholen – ein über die Zeit kohärentes kommunikatives Auftreten sicher zu stellen. Denn nur ein solches kann auf Seiten der Rezipienten/Kandidaten mit hoher Glaubwürdigkeit und Vertrauen sowie mit der Zuschreibung von Integrität und Identität belohnt werden.

    Weiter so! Ich freu mich auf noch mehr Diskussionsanregungen.

    Grüße
    Jürgen

  2. Hallo Herr Scheller,

    die Definition von queb finde ich ebenfalls sehr treffend. Die Gestaltung einer Marke durch andere Unternehmen ist weder authentisch noch konsistent. Sprich: Diese Unternehmen schaden der Employer Brand.

    Meine Lösung in solchen Fällen: Wenn ein Unternehmen eine Marke aufbaut, dann kostet das sehr viel Zeit und Geld. Wenn ein anderes Unternehmen versucht, ungefragt von diesen Investitionen zu profitieren, dann gibt es eine Abmahnung plus Unterlassungserklärung.

    Versuchen Sie einmal, ohne Genehmigung das Logo des WWF zu nutzen (einer meiner alten Arbeitgeber). Sie werden erstaunt sein, wie teuer das kommen kann. Ja, an der Rolle des Markenbehüters kommen die Marken nicht vorbei. Die Alternative ist, dass andere Unternehmen die Marke verwässern.

    Beste Grüße aus dem Norden, Helge Weinberg

    1. Hallo Herr Weinberg,

      dann nehme ich das mal als ein klares Statement in Richtung einer „harten Linie“.
      Vielen Dank dafür!

      Gibt es unter den Lesern eventuell auch gegenteilige Meinungen?
      Wäre spannend zu erfahren.

      Viele Grüße aus dem Süden,
      Stefan Scheller

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