Recruiter als Auslaufmodell?

Der Recruiter – in Kürze ein Auslaufmodell?

Im ersten Teil meiner Reihe über die grundsätzliche Positionierung von HR in Unternehmen wurden die drei klassischen Rollen Fachbereich, Business Partner und Recruiter bereits inhaltlich grob eingeführt. Zeit nunmehr einen intensiveren Blick auf den Recruiter zu werfen, den ich beim letzten Mal als „Ende der Nahrungskette“ bezeichnet hatte. Ist dieser klassische Recruiter, wie wir ihn heute kennen schon morgen am Hungertod gestorben, quasi ein Auslaufmodell? Oder gibt es Hoffnung? Denn die stirbt bekanntlich, so auch am Ende der Nahrungskette, zuletzt.

Im klassischen Recruiting-Prozess übernehmen die Recruiter als Kernaufgabe insbesondere

–          die Schaltung von Stellenanzeigen

–          die Sichtung und Bewertung eingehender Bewerbungen

–          das Anfordern ergänzender Unterlagen

–          die Vereinbarung von Vorstellungsgesprächen, gegebenenfalls mit vorgelagerten Telefoninterviews

In dieser nüchternen Zusammenstellung klingt das schon stark nach einer klassischen Routinetätigkeit mit einem hohen Grad an wiederkehrenden Prozessschritten. Zugleich schwingt ein gewisser Grad an mechanistischem Denken mit. Im Sinne von „Stelle mit Anforderung X und Y und Z ist frei“, also „Ausschreibung von Stellen mit Anforderung X und Y und Z“ und schließlich „Check der Unterlagen auf Anforderung X und Y und Z“.

Der Algorithmus als besserer Recruiter?

Dem einen oder anderen schwant spätestens an dieser Stelle, wer zukünftig in Konkurrenz mit den Recruitern treten könnte. Es sind diesmal nicht die Fachbereiche. Ich rede hier von IT-Systemen.

Schon heute steckt in zahlreichen Online-Bewerbermanagement-Systemen (was für ein Wortungeheuer!) eine Menge Technologie, die den Auswahlprozess anhand von einzelnen Kriterien erleichtern und beschleunigen soll. Dieses sogenannte Matching, also der Abgleich von Anforderungsprofil mit den zur Verfügung stehenden Bewerberdaten, kann der Recruiter auf Knopfdruck auslösen. In der Ergebnisliste finden sich dann die geeignetsten Kandidaten …

Ach, tatsächlich …?

Die Fachbereiche in Definitionsnot

Was sich bis zum letzten Absatz so selbstverständlich und einfach angehört hat, funktioniert in der Praxis oft nur sehr eingeschränkt. Denn dazu sind zwei Voraussetzungen nötig: 1. Müssen die bei den Stellenanforderungen hinterlegten Kriterien trennscharf sein und 2. müssen in den vom Bewerber hinterlegten Daten die vom Recruiter bei der Ausschreibung hinterlegten Anforderungskriterien analogen auch vom Bewerber zur Verfügung gestellt worden sein.

Schon bei 1. wird es dann spannend, wenn 50% der gesuchten Stellen ein BWL-Studium oder vergleichbare Berufskenntnisse, mehrere Praktika bzw. eine gewisse Anzahl von Jahren an Berufserfahrung erfordern. Möglicherweise gepaart mit Auslandserfahrung und Englisch als Fremdsprache. Herzlichen Glückwunsch! Dann haben wir genau die von Thomas Sattelberger (Ex Telekom Vorstand) genannten „Barbies und Kens im Businesslook“.

Zudem besteht die Herausforderung für die Fachbereiche, sich so weit mit den recruitingrelevanten (!) Anforderungen ihrer gewünschten neuen Mitarbeiter zu beschäftigen, dass sie die notwendigen trennscharfen Kriterien definieren können. Ein Blick auf die heutige Praxis lässt mich daran zweifeln, dass dies ohne kompetente Beratung effizient gelingt.

Der natürliche Feind des Matchings: Die One-Klick Bewerbung

Beim Blick auf 2., der Verfügbarkeit der für das Matching von Anforderungsprofil und Bewerberprofil notwendigen Kriterien in der Bewerbung, spielt ein Trendthema eine wichtige Rolle: Unter dem Stichwort „One-Klick Bewerbung“ bestehen zunehmend Tendenzen, die Erstkontakt-Hürde für Bewerber weiter abzusenken, indem schlanke Bewerbungen möglich sind. Sei es durch das Zur-Verfügung-Stellen des XING-Profils per Knopfdruck, oder auch via Klick in einer Recruiting-App bzw. einer Kurzbewerbung via SMS.

Stellen wir uns also vor, der Trend setzt sich weiter durch und Bewerber werden den Unternehmen im ersten Schritt zukünftig wesentlich weniger Daten im Rahmen ihrer Bewerbung zur Verfügung stellen. Dann fällt das Matching sehr schnell in sich zusammen oder wird ineffizient.

Bewerber-Vorauswahl via Telefon oder Skype
Bewerber beim Telefoninterview nach einer One-Click-Bewerbung.

Wenn Bewerber einen Menschen erwarten

Es muss also einen weiteren Entscheidungs-Prozessschritt geben. Entweder bereits eine Entscheidung zum Beispiel für ein Telefoninterview auf Basis der wenigen zur Verfügung gestellten Daten, oder eine Entscheidung, dass der Bewerber bitte weitere relevante Bewerberinformationen nachliefern möge.

Dieser Prozess könnte für das Nachfordern von Unterlagen theoretisch automatisiert werden. Allerdings frage ich mich dann, warum man einerseits eine schnelle und niedrigschwellige erste Kontaktaufnahme zur Verfügung stellt und dann andererseits automatisiert doch wieder umfassend Unterlagen anfordert, ohne dass zuvor ein Mensch sich mit dem Bewerber beschäftigt hat?

Und Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass die Fachbereiche diese Menschen sein wollen, die zukünftig in Masse solche personellen Vorauswahlentscheidungen auf Basis knapper Informationen treffen wollen? Das würde konsequent zu Ende gedacht bedeuten, dass die Fachbereiche ihrerseits kompetente Experten ausbilden müssten und der Recruiter dann zwar organisatorisch im Fachbereich angesiedelt wäre. Allerdings würde sich im Gesamtprozess damit wenig verändern.

Ich verwende hier bewusst den Begriff „Mensch“. Denn aus meiner Sicht ist das einzig erfolgversprechende Recruiting-Konzept der Zukunft: „Mehr Mensch, weniger Automatismen und Anonymität!“.

Mehr Mensch – weniger Automatismen und Anonymität

Gerade größere Unternehmen sind für Bewerber oft ein anonymes Gebilde. Im Personalmarketing ist schon lange die Erkenntnis gereift, diese Anonymität durch authentische, menschliche, sympathische Kommunikationsmaßnahmen zu durchbrechen. Wir stellen unsere Recruiting-Ansprechpartner in unseren Social Media Kanälen dar, bloggen aus dem Alltag, posten auf Facebook und stellen den Menschen in den Mittelpunkt.

Und plötzlich wollen wir einem Algorithmus die Entscheidung übergeben bzw. die Kommunikation mit den Bewerbern überlassen? Nicht im Ernst, oder?

Da möchte ich jeden Befürworter einmal in die wunderbare Situation versetzen, in der er oder sie einem großen Dienstleistungsunternehmen gegenüberstehen, das keine persönliche Hotline anbietet. Ich sag nur „Sie haben eine falsche Taste gedrückt“ oder „Leider habe ich Sie nicht verstanden“…

In gleicher Weise würden wir das persönliche Gefühl des „Menschen gegenüber“ im Kopf des Bewerbers zerstören. Dabei gilt für mich das Gleiche auch bei sogenannten Online-Assessment-Verfahren, bei denen Massen von Bewerbern vorab gegen Algorithmen kämpfen.

Tarnen, täuschen, spielen lassen

Die Perversion zeigt sich dann, wenn man erkennt, dass diese Verfahren eigentlich aus Sicht des Bewerbers oft nichts anderes sind als das verzweifelte Unterfangen endlich durch den Schutzwall an Robotern und IT-Systemen, die Unternehmen damit um sich aufbauen, zu stoßen und auf einen Menschen zu treffen. Den hatte der Bewerber eigentlich aufgrund der Personalmarketing-Kommunikation schon früher erwartet.

Und was tun Personalmarketingverantwortliche dann? Genau: Sie versuchen die Anonymität solcher Verfahren zu durchbrechen und verkleiden diese mittels Recruitainment-Elementen, machen ein Spiel aus diesen Onlineverfahren. Dann wird der Spielinstinkt des Bewerbers geweckt und alles ist gut. Zu toppen ist diese Absurdität nur noch, wenn im Rahmen des Spiels sogar wieder ein vermenschlichter Avatar zum Einsatz kommt, weil man dann doch irgendwie sowas wie einen menschlichen Bezugspunkt braucht.

Personalroboter für die Auswahl von Kandidaten
Automatisierte Bewerberauswahl als Ausweg aus dem Massenhandling von Bewerbungsunterlagen?

Dabei spreche ich mich hier nicht gegen Recruitainment aus. Das würde Recruitainment-Experten wie Jo Diercks nicht gerecht werden. Im Gegenteil bin ich großer Fan dieser HR-Innovation, insbesondere im Bereich Employer Branding und Personalmarketing. Aber im genannten Zusammenhang halte ich einige kritische Gedanken dennoch für höchst angebracht, damit Recruitainment nicht missbraucht wird, um einen im Grunde bewerberfeindlichen Prozess aufzuhübschen und zu tarnen.

Das eigentliche Problem der Recruiter zeigt auch dessen Lösung

Genau jetzt sind wir am Kern meiner Ausführungen. All die oben gezeigten Strategien zeigen eines deutlich auf: Unternehmen scheinen überflutet zu werden von Massen von Bewerbern, die es mittels automatisierter Prozesse zu steuern und auszudünnen gilt. Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.

Statt jedoch die Auswirkungen, also das Managen von Quantität immer stärker zu fokussieren und IT-technisch zu unterstützen, ist für mich die Reduktion und das Managen von Qualität der Schlüssel zum Erfolg. Recruiting muss also zum Ziel haben, weniger (!), dafür aber wesentlich passgenauere Bewerber in der Hand zu halten.

Konkret heißt das: Die Zukunft der Recruiter verlangt Expertise im Bereich

  • Passgenaue Entwicklung von Stellenprofilen und Übersetzung in recruitingrelevante Maßnahmen
  • Auf- und Ausbau eines persönlichen Kontakts zu möglichen Bewerbern (Messen, Fachveranstaltungen, Workshops, usw.)
  • Dauerhaftes Kontakthalten (Talentrelationship Management) mit potenziellen Bewerbern
  • Managen des Talentpools, das heißt, Zuspielen von geeigneten Bewerbern in den Recruitingprozess, schon vor dem großflächigen Ausschreiben einer Stelle auf allen Plattformen

Und im letzten genannten Punkt steckt auch die große Chance des Recruitings, das durch HR und nicht die Fachbereiche betrieben wird: Denn wie sollte ein Fachbereich einen übergreifenden Talentpool managen? Professionelles Talentrelationship Management zeichnet sich doch gerade dadurch aus, dass es einen Menschen gibt, der seinen gesunden Menschenverstand anschaltet und erkennt, dass ein Talent möglicherweise auch für eine ganz andere Position im Unternehmen geeignet ist. Der Talentmanager benötigt den Überblick, fachbereichsübergreifend.

Auf den Punkt gebracht

Wenn Recruiting weiter so betrieben wird wie heute (flächendeckende Ausschreibung und Managen von Bewerbermassen), bedrohen Algorithmen und die sich immer aktiver in den Recruitingprozess einbringenden Fachbereiche die Kerntätigkeiten der Recruiter.

Stellt sich Recruiting aber als bereichsübergreifender Experte für das schlanke Recruiting via Talentrelationship Management auf, sichert sich dieser HR-Bereich nicht nur das eigene Überleben. Nein, Recruiting leistet damit wieder einen besonders wertschöpfenden Beitrag zum unternehmerischen Erfolg. Zusammen mit den Fachbereichen, die es als kompetente Markenbotschafter auszubilden und zu unterstützen gilt.

Denn eines ist den Befürworten von Fachbereichen als Recruiter zu Gute zu halten: Die Fachbereiche spielen tatsächlich eine stärkere Rolle im Recruiting-Prozess als früher. Allerdings nicht durch Verlagerung der Verantwortung auf diese, sondern durch strategisch durchdachtes Zusammenspiel mit den Recruitern in HR.

Dazu bedarf es in den Unternehmen einer grundlegenden Entscheidung, ob man sich einen konsequenten Weg Schritt für Schritt in Richtung mehr Qualität und weniger Masse zu gehen traut, oder ob man gar bereit ist für einen radikalen Schnitt. Dieser könnte zum Beispiel lauten: Keine Stellenausschreibungen mehr, nur Personalmarketing, persönliche Kontakte, Talentrelationship Management und gegebenenfalls der Einsatz eines externen Personalberaters…

Dieses und weitere Szenarien in den nächsten Teilen, bei denen es u.a. um die Rolle des Business Partners bzw. die des externen Personalberaters in diesem Zusammenhang geht. Dabeibleiben lohnt sich also…


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Stefan Scheller

Autor und Speaker Persoblogger Stefan SchellerMein Name ist Stefan Scheller. In meiner Rolle als Persoblogger und Top HR-Influencer (Personalmagazin 05/22) betreibe ich diese Website und das gleichnamige HR Praxisportal. Vielen Dank für das Lesen meiner Beiträge und Hören meines Podcasts Klartext HR!

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DANKE!

15 Antworten

  1. Hallo Herr Scheller,

    sehr interessanter Artikel, der die Selbstfindung und Weiterentwicklung der Recruiter sicherlich weiterbringen wird.

    „Wo arbeiten die besten Recruiter?“ Letztes Jahr hatte ich mal in einem Recruiter Quality Report (http://www.competitiverecruiting.de/RecruiterQualityReport.html) über 300 Recruiter aus den vier Tätigkeitsfeldern interne Recruiter, Personalvermittlung, Personalberatung und RPO (Recruitment Process Outsourcing) über die 18 Kompetenzbereiche des Recruiters 2.0 (http://www.competitiverecruiting.de/Recruiter20.html) verglichen. Um die Frage nach der Qualität strukturiert und empirisch angehen zu können, waren für den o.a. Recruiter Quality Report die Recruiter aufgefordert, anhand von 9 funktionalen und 9 businessrelevanten Skillsets gemäß dem Kompetenzprofils des Recruiters 2.0 und entsprechenden Indikatoren ihren persönlichen Status einzuschätzen. Interessante Ergebnisse!

    Viele Recruiter sind noch viel zu sehr im Recruiter 1.0 Denken und Handeln verhaftet und benötigen noch einige Selbst- und Weiterentwicklung, um auf dem Weg zum Recruiter 2.0 voranzukommen.

    Auf dem diesjährigen HR BarCamp haben wir mal gemeinsam an dem Thema gearbeitet: http://www.competitiverecruiting.de/ErarbeitungdesRecruiter20ProfilsaufdemHRBarCamp2013.html

    Im Recruiter Fitness Check (http://www.surveymonkey.com/s/7BJ63HM) kann jeder Recruiter sehen, wo er steht und was zu tun ist, um den Weg zum Recruiter 2.0 zu gehen.

    Meiner Meinung nach wird die Qualität eines Recruiters durch verschiedene Faktoren bestimmt. So sind u.a. die Erfahrung als Recruiter und die gesamte Berufserfahrung wie auch die Kenntnis des eigenen Unternehmens entscheidende Punkte.
    Darüber hinaus sind funktionale operative Fähigkeiten und eher Business-relevante Fähigkeiten von entscheidender Bedeutung. Hier kommt der Kooperation mit den Fachvorgesetzten eine entscheidende Bedeutung zu.

    Wir brauchen noch viel mehr solcher Artikel und Diskussionen.

    Schöne Grüße

    Wolfgang Brickwedde

    1. Vielen Dank für den wunderbaren und vor allem höchst informativen Kommentar. Die verlinkten Seiten kann ich nur empfehlen. Daher freue ich mich sehr über die prima Ergänzung zum meinem Beitrag.

      Der Aufforderung, noch mehr solche und ähnliche Diskussionen anzuzetteln, komme ich natürlich gerne nach. Nach dem heutigen Teil 3 steht schon Teil 4 in der Warteschlange.

  2. Vielen Dank für den ausführlichen und sehr aufschlussreichen Artikel, den ich als hiermit eingestuften Recruiter 3.0 auch direkt unterstütze. 😉

    Ich denke es liegt an den ganzen englischen Fachbegriffen (HR, Shareholder Value, Benefit, Return-on-invest, …, …) und in meiner Meinung auch an so mancher MBA-Ausbildung, dass der Blick darauf getrübt wird, was eigentlich schon immer das Wesentlichste im Unternehmen sind, die zukünftigen und anwesenden Mitarbeiter (m/w).

    Ich habe die Personalgewinnung zum Beispiel nie als einfache Tätigkeit gesehen, was im Bereich der PDLs natürlich zwangsläufig und i.d.R. immer zu Problemen geführt hat. Es geht eigentlich immer um den Dialog und ein erstes Kennenlernen im ersten Schritt. Wenn sich hier ein Unternehmen schon nicht mehr traut dies zu gewährleisten, was soll/kann/darf man dann erst von den internen Kommunikationsformen denken?

    Eine große Gefahr ist sogar sehr gegenwärtig zu erkennen, nämlich das bei automatisierten Matchingprozessen gute und entwicklungsinteressierte Kandidaten durch die Raster rutschen. Und dann kann sich auch keiner beschweren, dass es z.B. mit Forschungen und Innovationen, sowie neuen Impulsen in einigen Unternehmen nicht mehr optimal bestellt ist.

    Ein letztes Stichwort für mich lautet: Personalentwicklung. Und es gibt nun mal keine Meister die im Recruiting-Himmel herunterregnen.

  3. Danke für den Artikel, ich stimme voll zu! Alles ist eine Frage der Qualität und die wird heute offensichtlicher- die Employability eines Personalers hängt immer mehr von seiner Arbeitseffizienz ab. Und die bestimmen die Bewerber mit – also wer effizient sein will, muss eine gute Beziehung zu seinen Talenten pflegen.

    In einer Zeit, in der wir über einen Arbeitgebermarkt gesprochen haben, war es offensichtlich, dass die Auswahl die wichtigste Kompetenz eines Recruiter ist, sogar die Sprache haben wir ausschließlich angepasst: Wir sprechen nicht vom ‚Personalfinden‘, sondern der ‚Personalsuche‘, in der Personalberatung heißt das (Re-)‘Searching‘und nicht ‚Personalgewinnung‘.

    Dummerweise klingt das Wort Sourcing wie Searching und schon denken alle, das ist das Gleiche – nur im Web. Ist es aber nicht, Sourcing es das gleichzeitige Finden, Gewinnen, Auswählen und Halten von Talenten. Und nicht das Internet basierte Listenerstellen wie viele meinen. Und schon gar nicht ein paar Keywords in Xing oder Linkedin mit AND, OR und NOT verbinden und dann 400 Personen mit Stellenanzeigen spamen.

    Meine Meinung ist: Der Recruiter 1.0 wird aussterben, der nur selektionsgetrieben sich selbst mit Massen an Anzeigen eine künstlich hohe Zahl an Bewerbern schafft, um dann erst über die Selektionsarbeit zu stöhnen, aber dann meint, er kann durch Auswahl glänzen. Aber auch der Technik-hörige Recruiter 2.0, der glaubt, hofft und sich blind darauf verläßt, was EDV-Systeme oder Programme wie der Xing-TM oder Talentfinder bzw. Recruiter von Linkedin anzeigen, hat keine Chance. Die Zukunft gehört dem Recruiter 3.0, dem das Feedback und die Beziehung zum Kandidaten wichtig ist – und der jedes Technik-Tool (ob Telefon oder IT, ob Social Media oder Web 3.0) zur Pflege dieser Beziehung effizient einsetzt.

    Glen Cathey, der unumstrittene Sourcing Experte ist der Meinung, dass keine zukünftige Personalabteilung ohne HR-Analysten auskommt und geht soweit, dass er sagt, diese werden die Recruiter ersetzen. Auch Jansky schreibt Ähnliches in seinem neuen Buch ‚Arbeitswelt 2025‘ – und tatsächlich: Einige Großkonzerne aus Deutschland und der Schweiz haben bereits ihre Recruiter gekündigt und arbeiten nur noch mit Sourcing-Centern im Ausland (ja, sie haben richtig lesen, das gibt es schon, dort haben sich die Hiring-Manager durchgesetzt).

    Ich denke, jeder Recruiter ist gut beraten, echtes Talent Sourcing (und nicht Activ Sourcing – das macht ohne Talent Relationship keinen Sinn und ist Recruiting 2.0!) zu lernen und so professionell alle Techniktools einzusetzen, dass er seinen Arbeitsplatz sichert. Ich bin gespannt, wie die Geschichte für D-A-CH weiter geht.

    1. Das nenne ich mal eine ausführliche Kommentierung. Herzlichen Dank dafür. Jetzt weiß ich auch wieder, was ich vergessen hatte: Die Zählung vom Recruiter 1.0 bis X.0.

      Ich bin auch sehr gespannt, was sich im DACH-Raum noch tun wird in den nächsten Jahren. Hinsichtlich der Sourcing-Center im Ausland hab ich so meine eigene Meinung – mehr dazu aber in Teil 3 der Serie nächste Woche hier auf meinem Blog.

  4. Vielen Dank für diesen informativen Artikel. Auch ich bin der Ansicht, dass man das „Human“ in Human Resources nicht vernachlässigen darf.

    Diverse Studien bescheinigen einen Trend hin zur Netzwerkrekrutierung, sowie zum Active Sourcing. Des Weiteren bevorzugen laut einer Absolventa Umfrage 65 % der befragten Studenten und Berufseinsteiger „Spezial Jobbörsen“. Für mich gehen diese Aspekte in die Richtung weniger, dafür aber eben passendere Kandidaten zu gewinnen.

    Da ich persönlich mit der Bewerbersicht noch weitaus vertrauter bin, als mit der Recruitersicht, stehe ich dem „CV Parsing“ oder der „One Click Bewerbung“ positiv gegenüber. Schließlich bietet ein vollständiges Profil, bspw. bei Xing, nicht nur einen Einblick in die jobrelevanten Daten, wie Arbeitserfahrung oder Ausbildung, sondern ermöglicht auch einen kleinen Blick auf die Privatperson, sofern Hobbys oder nicht job-relevante Gruppen angegeben sind. Ich denke, dass wenn sich der Arbeitsmarkt, wie vielfach prognostiziert, zum Bewerbermarkt entwickelt, mehr und mehr Unternehmen diese Form der Bewerbung ermöglichen werden.

    Viele Grüße

    Tim

    1. Danke, Tim, für Dein Statement. Nachdem ich Deinen Kommentar nunmehr aus dem „Spam“-Filter befreit habe, kann ich Dir auch sichtbar zustimmen. Die Spezialbörsen werden auch meiner Meinung nach in Zukunft das Mittel der Wahl sein. Allerdings muss man hier unterscheiden: Geht es um reine Stellenbörsen, erreicht man damit nur die aktiv Suchenden. Geht es eher um Foren mit fachlichen Inhalten und dazu gibt es Stellenangebote, halte ich die Erfolgswahrscheinlichkeit für wesentlich höher.

  5. Den Nagel voll auf den Kopf getroffen!

    Wir sind „Headhunter“ der alten Schule, machen alles selber, vom Ident über die Ansprache bis zur Präsentation der Kandidaten beim Auftraggeber.

    Als man uns vor Jahren erzählte, XING und Co. wären eine ernste Gefahr für den Headhunter, haben wir uns vor Lachen auf die Schenkel geklopft. Als man uns versucht hat vorzugaukeln, dass wir ohne den XING-XTM nicht mehr leben können, fanden wir das nicht minder erheiternd.

    Das, was uns am ehesten noch zu schaffen macht, ist die Neuorientierung der Recruiting-Abteilungen in die von Ihnen oben beschriebene Ausrichtung.

    Im Wesentlichen hat dies natürlich Konsequenzen für die sog. Personalbeschaffer unter den Dienstleistern, der klassische Headhunter wird schwerlich derjenige sein, der mal zackig für ein großes Unternehmen eine Außendienstlinie von 120 Mitarbeitern aufbaut, er ist eher derjenige, der den neuen Leiter Fortschung und Entwiklung sucht, oder den neuen Vorstand Finanzen oder einen COO.

    Und an dieser Stelle allerspätestens versagen, um den Kreis wieder zu schließen, IT-gestützte Recruiter völlig, hier geht es um Beziehungsmanagement, Kontakte, Telefonate und persönliche Gespräche. Oder meint jemand ernsthaft, Rickert, Johannsmann oder Thorborg könnten durch einen Elektrorecruiter ersetzt werden…

    Mir wird da um die Zukunft der externen HR-Sucher nicht Bange, und auch die internen werden, bei einer entsprechenden Neuorientierung, alles andere als überflüssige werden. Dies traue ich eher solchen Systemen wie dem XTM zu!

    1. Vielen Dank für diesen ausführlichen Kommentar. Es freut mich, wenn Sie mein Beitrag zum Thema Recruiting so inspiriert hat. Am Begriff der „alten Schule“ gefällt mir vor allem der von Ihnen dabei intendierte Tenor des „nah am Menschen“ bzw. „people business“. Dieser liegt ja auch mir bei Verfassen meiner Blogs sehr am Herzen.

      In wie weit der Personalberater letztlich der Gesuchte „Jemand“ ist bzw. sein kann, um Recruiting aus der Krise zu helfen, ist eine spannende Fragestellung, der ich in meinen weiteren Beiträgen dieser Serie auf den Grund gehe.

  6. Hat dies auf hzaborowski rebloggt und kommentierte:
    Vom Mann aus der Praxis Einblick in die Welt des Recruiters – und wie sie sich weiter entwickeln wird. Wir sind uns einig: Am Ende entscheiden Menschen! Ob das der Recruiter oder der Hiring Manager ist – wir werden es sehen. Auf jeden Fall: Leseempfehlung!

  7. Hallo Stefan, mit den Stichwörtern „Talent Pool“ und „persönliche Kontakte“ triffst Du den Nagel auf den Kopf. Wie immer 🙂 Recruiting wird am Ende von Menschen entschieden. Ob das die Fachbereiche sind oder der Recruiter … wir werden es sehen. Herzlichen Gruß, Henrik

  8. Interessante und spannende Sache wie es wohl mit Rekrutern weitergeht! Ich bin selbst eine der aussterbenden Spezies und ich habe von Beginn an nach dem Motto „Qualität vor Quantität“ gelebt und versucht Netze zu spannen.
    Ich sehe mich als Dienstleister zwischen Fachbereich und Bewerber und schon aus diesem Grund muss die Qualität passen und der Kontakt gehalten werden!
    Ich bin auf den nächsten Teil gespannt!
    Viele Grüße,
    Elisa Predl

    1. Danke für Deinen Kommentar, Elisa. Das Thema „Qualität“ kann man sicher nicht oft genug in diesem Zusammenhang betonen. Und der Netzwerk-Aufbau ist eines der Themen mit zentraler Bedeutung. Das kann sicher auch nicht jeder Recruiter. Mag er es aus der Vergangenheit heraus einfach nicht gewohnt sein, oder weil er zeitlich nicht dazu kommt. Ohne diese Vernetzung fehlt ihm aber letztlich auch ein Stück seines eigenen „Sicherheitsnetzes“.

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