Quality of Hire

Quality of Hire – die wichtigste Recruiting KPI?

HR-Verantwortliche schauen immer stärker auf Recruiting KPI, wenn es um die Messung von Erfolg in der Personalgewinnung geht. Aber was ist eigentlich dabei die wichtigste Kennzahl, eine echte KPI? Werfen Sie mit mir einen Blick auf die Quality of Hire, denn diese scheint ein ganz heißer Kandidat dafür.

Quality of Hire – was ist das?

Die Kennzahl Quality of Hire, übersetzt „Qualität der Einstellung“ fragt danach, ob im Rahmen des Recruitingprozesses die am besten passende Person eingestellt wurde. Im Gegensatz zu den vielen quantitativen Kennzahlen im Recruiting, eine der vergleichsweise wenigen qualitativen Kennzahlen in der Personalgewinnung.

KPI Quality of Hire vs. Time to Hire

Deutlich bekannter und häufig gemessen und genutzt ist die Kennzahl der Time to Hire. Sie besagt, wie schnell ein Recruitingprozess erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Dabei wird die Zeit gemessen von der Ausschreibung als Start des Prozesses bis zur Vertragsunterschrift (was sie von der Time to Fill unterscheidet, bei der in der Regel die Zeit weiter bis zum 1. Arbeitstag gemessen wird).

Viele Recruiting-Abteilungen legen sehr großen Wert auf die Time to Hire, um damit darzulegen, wie gut die Recruitingarbeit gelungen ist. Gemessen wird dabei vor allem Effizienz. Im Zusammenspiel mit möglichen Befragungen der Eingestellten nach deren Erfahrungen im Recruitingprozess (Candidate Experience) oder entsprechenden qualitativen Bewertungen auf kununu und Co, spricht man dann von gutem oder sehr gutem Recruiting.

Die eigentlich spannende Frage, ob tatsächlich die richtige Person, oder besser die am besten passende Person, eingestellt wurde, bleibt unbeantwortet. Effizienz geht also oft vor Effektivität. Oder Effektivität wird allein daran gemessen, ob eine Einstellung erfolgt.

Dabei könnte die Time to Hire theoretisch maximal verkürzt werden, wenn sofort die erste Person eingestellt würde, die sich bewirbt. Dann wäre der Recruitingprozess effektiv (die Stelle ist besetzt, der Auftrag erledigt) und die Time to Hire minimal.

Also alles perfekt?

Natürlich würden Recruiting-Verantwortliche so nicht vorgehen. Aber die Zuspitzung zeigt sehr schön auf, dass ein reiner Fokus auf die erfolgte Einstellung sowie auf einen schnellen und vielleicht sogar als sehr positiv erlebten Recruitingprozess, kein Qualitätsmerkmal für erfolgreiches Recruiting sein kann.

Warum wird Quality of Hire so selten gemessen?

Das führt unweigerlich zur Frage, warum dann trotzdem so wenige Unternehmen eine Quality of Hire Kennzahl nutzen.

Die Antwort lautet: Unternehmen scheitern oft schon an der Definition einer solchen Recruiting KPI. Und selbst wenn sie eine solche haben, hapert es an entsprechenden Daten.

Wie definiert sich die Qualität einer Einstellung?

Passt eine neu eingestellte Person gut auf eine Stelle, gut ins Team und zum Unternehmen? Erbringt sie die erforderliche Leistung und geht gar darüber hinaus? Profitiert das Unternehmen mindestens im gleichen Maße von der Einstellung wie sie diese Leistung vergütet?

Das klingt vielleicht ziemlich kühl. Allerdings ist eine Anstellung erst einmal eine (rein) wirtschaftliche Entscheidung. Arbeitgeber möchten im Umsatz und Ertrag wachsen und investieren. Oder einen Weggang kompensieren und sich dabei bestenfalls ebenfalls verbessern. In jedem Fall geht es dabei um einen Austausch an Leistungen, bei dem das Unternehmen eine Erwartungshaltung hat.

Insofern liegt es nahe, die Quality of Hire in Verbindung mit der Leistung einer Person zu sehen.

Performancemessung oftmals ebenfalls mangelhaft

Auch wenn Organisationen in der Regel Grundsätze für die Messung von Performance aufgestellt haben, behaupte ich, dass tatsächliche „Messungen“ in den seltensten Fällen als valide Datenpunkte vorliegen.

Dort wo keine quantitativen Daten vorliegen, z.B. bei Vertriebs- und Umsatzzielen, wird es schnell herausfordernd. Meist sind schon die Kriterien schwammig anhand derer eine Führungskraft die Leistungen ihrer einzelnen Teammitglieder bewertet. Häufig werden nach Gutdünken irgendwelche Kreuze auf Bewertungsbögen gesetzt, die dann besagen, dass eine Person unter den Erwartungen bleibt, diese erfüllt oder entsprechend übererfüllt, jeweils in verschiedenen Abstufungen.

Aber wird dadurch valide die Leistung einer Einzelperson gemessen?

Die Tatsache, dass viele Arbeitgeber in den letzten Jahren von individueller Leistungsmessung auf eine Art Kollektivmessung umgestellt haben, ist bei einer hoch komplexen und arbeitsteiligen Arbeitserbringung gerade in größeren Organisationen daher nur allzu verständlich.

Also wie kann die Performance dann in eine Quality of Hire Betrachtung einfließen, wenn es gar keine oder nur rudimentär dokumentieren Leistungsdaten gibt?

Korrelation zwischen Recruiting-Informationen und Performancedaten

Selbstverständlich gibt es dennoch Unternehmen, die sehr wohl individuell Performance messen. Dort müssten für den Einsatz einer Quality of Hire Kennzahl dann Informationen aus dem Recruiting mit Daten aus dem Performancemanagement zusammengebracht werden.

Und hier lauert bereits die nächste Hürde: Bei arbeitsteiligem Zusammenwirken im HR, endet der Auftrag der Recruitingverantwortlichen in der Regel mit der Einstellung. Die weitere „Betreuung“ übernehmen dann Kolleg:innen bzw. Businesspartner.

Korrelationen zwischen Daten aus dem Bereich Recruiting und Performance werden bereichsübergreifend selten hergestellt. Dabei könnten HR Analytics Verantwortliche dies durchaus mit entsprechendem Knowhow tun.

Aber selbst wenn es für entsprechende Erkenntnisse gäbe, dass neu eingestellte Personen tatsächlich überdurchschnittlich performen, stellen sich weitere Fragen, z.B. wann eine solche Messung stattfinden sollte? Denn sicherlich bedarf es erst einmal einer Einarbeitungszeit, in der Neueinstellungen meist unterhalb ihres Leistungsoptimums liegen.

Was wenn die Person aber einfach einen zu schlechten Onboardingprozess erfährt und deswegen nicht sofort zu ihrer Top-Performance findet?

Und was passiert, wenn die Leistungen unterdurchschnittlich sind? Welche Rahmenbedingungen für die Erbringung herausragender Leistungen können überhaupt in eine solche Analyse mit einfließen? Schlechte Führung beispielsweise wird dabei in der Regel eher nicht einfließen, vor allem wenn die Führungskraft selbst die Leistungseinschätzung vornimmt.

Überstehen der Probezeit als Indiz?

Ebenfalls stellt sich die Frage, wie es einzuschätzen ist, wenn eine Person frühzeitig das Unternehmen wieder verlässt. War dann die Einstellung und somit der Recruitingprozess schlecht? Und ist umgekehrt das Bestehen einer Probezeit schon ein Indiz dafür, dass es wohl passt und die Einstellung der Person eine gute Entscheidung war mit Blick auf die Quality of Hire?

Auch hier kommt es auf die Rahmenbedingungen an. Beispielsweise ob es Usus ist, dass es arbeitgeberseitig Probezeitkündigungen gibt oder ob ein Hiring Manager an einer Person festhält, nur weil die Not groß ist und deshalb lieber eine 70% Arbeitsleistung in Anspruch nimmt als gar keine.

Rahmenbedingungen beeinflussen Ergebnis

Sie sehen also, dass es zahlreiche Rahmenbedingungen gibt, die eine Einschätzung von Performance und mithin der Qualität der Einstellung erheblich erschweren.

Ein möglicher Ansatzpunkt wäre es, ein sogenanntes 360 Grad Feedback vorzunehmen, um nach zahlreichen Kriterien von unterschiedlichen Personen Rückmeldungen zu einer Person zu erhalten.

Eine entsprechende Podcast Folge Klartext HR dazu ist bereits aufgezeichnet und geht in Kürze an den Start!

Unabhängig davon, stellt sich die generelle Frage, ob mit Blick auf die Mitbestimmung von Betriebsräten bzw. Personalräten überhaupt Leistungsdaten und weitere Informationen über Neueinstellungen zusammengeführt und ausgewertet werden dürfen, um eine Leistungskontrolle der im Recruiting tätigen Mitarbeitenden vorzunehmen.

Manche HR-Verantwortlichen würden hier schon den Aufwand eines solchen Verfahrens scheuen – und damit auf den Einsatz einer Quality of Hire verzichten.

Umgang mit Erkenntnissen aus der KPI Quality of Hire

Und selbst wenn Unternehmen die Quality of Hire messen können, stellt sich die Frage, wie Ergebnisse verwertet werden. Ganz wichtig: Rückschlüsse auf Einzelpersonen nach dem Motto „Zwei Deiner 10 letzten Einstellungen haben schon in der Probezeit gekündigt, also scheinst Du schlechtes Recruiting zu betreiben!“ wären fatal!

Es gibt, wie dargestellt, unglaublich viele Einflussfaktoren, warum sich Leistung im Unternehmen über die Zeit hin unterschiedlich entwickelt. Ein monokausaler Rückschluss auf die Qualität der Arbeit einzelner Recruiter:innen wäre dabei nicht sinnvoll. Denn bei aller Qualität, die durch eignungsdiagnostische und ähnliche Methoden ins Recruiting eingebracht werden kann: Menschen sind deutlich komplexer, als dass wir mit irgendwelchen Tools 100% valide Prognosen treffen könnten, wie Personen sich in einem organisationalen Kontext zukünftig verhalten werden.

Irrtum ist also vorprogrammiert und nur eine Frage der Zeit und der Menge an abgeschlossenen Recruiting-Vorgängen.

Statistisch betrachtet, wäre es für die gesamte Recruitingorganisation natürlich möglich, Aussagen und Bewertungen auf Basis der Quality of Hire vorzunehmen, da bei hohen Fallzahlen Sonderfälle nicht mehr so ins Gewicht fallen. Auch könnten dann entsprechende Ziele zur Verbesserung der Quality of Hire vereinbart werden.

Fazit zum Einsatz einer Quality of Hire Kennzahl

Der Einsatz einer qualitativen Kennzahl, die die Qualität einer getroffenen Einstellungsentscheidung bewertet, ist einerseits sehr wünschenswert. Denn eine Organisation hat deutlich größeres Interesse daran, die am besten passenden Menschen einzustellen als irgendwelche Menschen möglichst schnell ins Unternehmen zu holen.  Auch können Fehlbesetzungen sehr schnell kostspielig werden, in den entsprechenden Führungspositionen gar großen Schaden anrichten.

Andererseits ist es nicht trivial eine Quality of Hire sauber aufzusetzen. Mit Blick darauf, dass auch Performance oft wenig valide gemessen und dennoch mit dieser Kennzahl gearbeitet wird, könnte eine solche KPI natürlich auch hands-on implementiert werden.

Dann müssen sich alle Beteiligten dessen aber bewusst sein bei der Interpretation und der Ableitung bzw. eben nicht Ableitung entsprechender Maßnahmen.

Wie gehen Sie in Ihrem Unternehmen mit der Quality of Hire um?

Stefan Scheller

Autor und Speaker Persoblogger Stefan SchellerMein Name ist Stefan Scheller. In meiner Rolle als Persoblogger und Top HR-Influencer betreibe ich diese Website und das gleichnamige HR Praxisportal. Vielen Dank für das Lesen meiner Beiträge und Hören meines Podcasts Klartext HR!

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