Die Zukunft der Arbeitswelt ist weiblich – und flexibel. Andrea Hartmair, selbst Unternehmerin, Mutter von siebenjährigen Zwillingen und Autorin, zeigt in ihrem Buch ManagerMama eindrucksvoll, wie Unternehmen moderne Arbeitsmodelle nutzen können, um Familienfreundlichkeit zu fördern, die Fachkräftelücke zu schließen und gleichzeitig die Innovationskraft zu stärken. Mit praxisnahen Einblicken und fundierten Studienergebnissen erstellte sie einem wichtigen Leitfaden für karrierebewusste Frauen, aber auch für Personalverantwortliche und Führungskräfte, die den Wandel aktiv gestalten möchten.
Status quo: Fachkräftemangel und ungenutztes Potenzial
Die demografische Entwicklung in Deutschland ist alarmierend. Der Fachkräftemangel nimmt zu, und die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit wird durch fehlendes Personal gefährdet. Laut einer Studie des Bundesfamilienministeriums könnten 800.000 zusätzliche Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, wenn Frauen nur so viel arbeiten könnten, wie sie es sich wünschen. Besonders Mütter scheitern jedoch oft an strukturellen Hürden wie unzureichender Kinderbetreuung und starren Arbeitsmodellen.
Ich möchte dabei nicht nur Zahlen in den Fokus stellen, sondern auch die Chancen. Wenn wir diese potenziellen Arbeitskräfte mobilisieren, profitieren nicht nur Unternehmen, sondern die gesamte Gesellschaft. Dennoch bleiben Herausforderungen wie der Gender-Pay-Gap und der „Motherhood Penalty“ zentrale Themen. Frauen mit Kindern verdienen über ihr gesamtes Erwerbsleben hinweg durchschnittlich eine Million Euro weniger als Männer mit Kindern – ein Problem, das durch flexible und familienfreundliche Arbeitsmodelle abgemildert werden könnte.
Arbeitsmodelle der Zukunft: Lösungen für Unternehmen und Familien
Die Lösungsansätze für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Karriere sind vielfältig. Dabei möchte ich mit ManagerMama vor allem die Bedeutung von Flexibilität hervorheben. Unternehmen müssen nicht nur Rahmenbedingungen schaffen, die auf unterschiedliche Lebensmodelle eingehen, sondern auch eine Kultur etablieren, die Elternschaft aktiv unterstützt.
Jobsharing und Tandem-Leadership
Ein herausragendes Beispiel ist das Konzept des Jobsharing, bei dem sich zwei Führungskräfte eine Position teilen. Diese Lösung ermöglicht es Müttern und Vätern, Führungsrollen zu übernehmen, ohne dabei auf eine Work-Life-Balance verzichten zu müssen. Noch innovativer ist das Modell des Tandem-Leaderships. Hier profitieren Unternehmen von der gebündelten Kompetenz zweier Personen, die sich in ihren Aufgaben ergänzen. Mindestvoraussetzung hierbei: beide Personen arbeiten mindestens 10% mehr als in einer einfach besetzten Stelle, da die Abstimmungen untereinander entsprechend Zeit benötigen. Sprich bei einem Tandem könnten das beispielsweise zwei 60%-Stellen sein.
Flexible Arbeitszeiten und Homeoffice
Während der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass Homeoffice und flexible Arbeitszeiten nicht nur möglich, sondern auch effektiv sind. Unternehmen, die diese Modelle beibehalten und weiterentwickeln, können ihre Attraktivität als Arbeitgeber deutlich steigern. Dabei geht es nicht nur um remote work, sondern auch um hybrides Arbeiten, bei dem Präsenzzeiten flexibel gestaltet werden können.
Betriebsnahe Kinderbetreuung
Ein Aspekt, den ich gerne besonders betone, ist die betriebsnahe Kinderbetreuung. Sie sieht diese nicht nur als Zusatzleistung, sondern als entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Unternehmen, die in die Betreuung von Kindern investieren, sichern sich die Loyalität ihrer Mitarbeitenden und fördern gleichzeitig deren Produktivität. Hier verweise ich gerne auf Länder wie Schweden, wo ein solches Modell bereits erfolgreich etabliert ist.
Der Beitrag der Politik: Kinderbetreuung und steuerliche Anreize
Neben den Unternehmen spielt auch die Politik eine zentrale Rolle. Ich fordere eine flächendeckende, qualitativ hochwertige Kinderbetreuung, die es beiden Elternteilen ermöglicht, beruflich aktiv zu sein. Gleichzeitig müssen steuerliche Anreize geschaffen werden, um die gleichberechtigte Aufteilung der Elternzeit zwischen Müttern und Vätern zu fördern.
Beispiele aus Skandinavien
Ein Blick nach Schweden zeigt, wie eine solche Politik aussehen kann. Hier nehmen rund 90% der Väter Elternzeit in Anspruch. Durchschnittlich nutzen sie etwa 3,5 Monate dieser Zeit, was erheblich über dem europäischen Durchschnitt liegt. Zum Vergleich: In Deutschland nehmen nur etwa 26% der Väter Elternzeit, und diese beträgt oft lediglich zwei Monate. Außerdem liegt in Schweden die Erwerbsquote von Frauen deutlich höher als in Deutschland.
In Sachen Kinderbetreuung investiert Schweden stark in flächendeckende, qualitativ hochwertige Ganztagsbetreuung. Ab einem Alter von einem Jahr haben alle Kinder einen garantierten Platz in einer Kindertagesstätte. Diese Maßnahmen ermöglichen es Eltern, früher und flexibler in ihren Beruf zurückzukehren.
Diese Modelle könnten auch in Deutschland als Vorbild dienen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern und gleichzeitig die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
Ein oft zitiertes Beispiel für den Erfolg des schwedischen Modells stammt von Annika Strandhäll, ehemalige Ministerin für Soziales: „Eine gleichberechtigte Aufteilung der Elternzeit ist nicht nur gut für Familien, sondern stärkt auch die gesamte Wirtschaft, indem sie die Erwerbstätigkeit von Frauen fördert und Unternehmen Zugang zu einer größeren Talentbasis ermöglicht.“
Praxisnahe Tipps für Personalverantwortliche
Mit ManagerMama zeige ich zahlreiche konkrete Handlungsempfehlungen, wie Unternehmen ihre Strukturen anpassen können, um familienfreundlicher zu werden. Hier einige der wichtigsten Ansätze:
- Mentoring-Programme für Mütter und Väter
Unternehmen sollten gezielte Mentoring-Programme etablieren, um Eltern in Führungspositionen zu unterstützen und zu stärken. Diese Programme können helfen, Karrierewege frühzeitig zu planen und individuelle Herausforderungen zu meistern.
- Transparenz in der Unternehmenskultur
Eine offene Kommunikation über Karrierechancen und Gehälter kann dazu beitragen, den Gender-Pay-Gap zu reduzieren und Vertrauen aufzubauen.
- Tandem-Modelle für Führungskräfte
Die Einführung von Tandem-Leadership ermöglicht es Müttern und Vätern, in Führungsrollen zurückzukehren, ohne dabei ihre familiären Verpflichtungen zu vernachlässigen.
- Work-Life-Balance fördern
Eine Kultur, die Work-Life-Balance unterstützt, fördert nicht nur die Zufriedenheit der Mitarbeitenden, sondern auch deren Leistungsfähigkeit. Dies schließt flexible Urlaubsregelungen und Sabbaticals ein.
- Kinderbetreuung aktiv gestalten
Betriebsnahe Kindergärten oder Zuschüsse für externe Betreuung sind Maßnahmen, die Unternehmen attraktiver machen.
Im Buch ManagerMama bestätigen Personalverantwortliche und Unternehmer:innen Ansätze wie diese und berichten zudem aus ihren Erfahrungen.
Zahlen, die überzeugen: Der wirtschaftliche Nutzen familienfreundlicher Maßnahmen
Unternehmen, die familienfreundliche Arbeitsmodelle etablieren, profitieren langfristig von einer höheren Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit. Laut Studien des Instituts der deutschen Wirtschaft führt eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu einer deutlichen Reduktion von Krankheitstagen und einer höheren Produktivität. Es ist nicht nur eine moralische, sondern auch eine wirtschaftliche Entscheidung.
Fazit: Die Zeit für Veränderung ist jetzt
ManagerMama ist ein Weckruf an Unternehmen, Politik und Gesellschaft. Es zeigt nicht nur die Herausforderungen, sondern auch die Chancen auf, die mit einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf einhergehen. Für Unternehmen ist es nicht nur eine Frage der sozialen Verantwortung, sondern auch der Wettbewerbsfähigkeit, moderne Arbeitsmodelle einzuführen und eine familienfreundliche Kultur zu etablieren.
Die Transformation beginnt mit kleinen Schritten, aber die Auswirkungen sind groß. Unternehmen, die den Mut haben, neue Wege zu gehen, werden nicht nur zu Vorreitern der Arbeitswelt, sondern auch zu Vorbildern für eine gesamte Generation von ManagerMamas und ManagerPapas.