Noch vor wenigen Jahrzehnten galt für Väter vor allem eins: Die Familie finanziell abzusichern und die Karriereleiter zu erklimmen. Die Frage die sich Väter häufig pro Karriere beantworteten lautete: Karriere ODER Familie? Doch immer mehr moderne Vater möchten mehr – sie wollen es anders machen als die Vätergeneration zuvor! Sie wollen für ihre Kinder da sein, die Care-Arbeit mit der Partnerin teilen und sich aktiv am Familienleben beteiligen. Die neue Frage lautet deshalb: Wie kann Karriere UND Familie – auch für Väter – gelingen? Antworten von Gastautor Andreas Seltmann.
Neue Väterrolle
Väter sehen sich dabei oft mit widersprüchlichen Erwartungen konfrontiert. Die neue Väterrolle verlangt echte Präsenz und das bedeutet auch, berufliche Entscheidungen neu zu überdenken. Mehr denn je ist das Thema Väterfreundlichkeit in der Mitte unserer Gesellschaft und damit auch in unseren Unternehmen angekommen. Wir erleben einen bedeutenden Paradigmenwechsel – quasi eine Revolution der Väter. Immer mehr Männer übernehmen aktiv die Rolle des engagierten Vaters, ohne ihre beruflichen Ambitionen aufzugeben. Wer diese Chance erkennt und ergreift – in seinem Employer Branding eben auch die Väter berücksichtigt – kann damit nach innen und nach außen als Arbeitgeber noch richtig punkten.
Ein paar Fakten dazu: Um Beruf und Familie als Vater besser vereinbaren zu können, denkt eine zunehmende Zahl von Vätern über einen Arbeitgeberwechsel nach. Diese Wechselbereitschaft von Vätern stellt ein vielmals deutlich unterschätztes Unternehmensrisiko dar. Rund 450.000 Väter haben schon einmal den Arbeitgeber gewechselt, um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können. Rund 770.000 Väter denken häufig darüber nach. Mehr als eine Million erwerbstätiger Väter denkt zumindest manchmal über einen Jobwechsel nach, um die Vereinbarkeit zu verbessern.
Die Zahlen machen eines sehr deutlich: Der Wunsch, ein engagierter Vater zu sein, trifft auf die harten Erwartungen einer weitestgehend väterunfreundlichen Arbeitswelt – ein Balanceakt, der immer mehr Väter nachdenklich macht.
Unternehmen können ihre Arbeitgeberattraktivität deutlich steigern und damit ihre Recruiting beflügeln, indem sie aktiv Väterfreundlichkeit nach innen leben und nach außen kommunizieren.
Väter brauchen mehr Flexibilität
Viele Unternehmen überschätzen ihre Familienfreundlichkeit deutlich. Während 63% der Unternehmen sich für väterfreundlich halten, teilen diese Ansicht nur 38% der Väter. 45% der Väter halten ihren Arbeitgeber nur für teilweise und 14% sogar für wenig väterfreundlich. Die Väter, die ihr Unternehmen als weniger väterfreundlich bewerten, denken häufiger über einen Arbeitgeberwechsel nach. Dabei zeigen jüngere Väter eine höhere Wechselbereitschaft als ältere. (QUELLE: Studie „Wie väterfreundlich ist die deutsche Wirtschaft?“ der Prognos AG)
Um auf die bereits genannten Anforderungen zu reagieren, wünschen sich 74% der Väter mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit. Was den Arbeitsort angeht, wünschen sich 48% mehr Flexibilität. Hinzu kommt: 40% der Väter würden gern ihre Wochenarbeitszeit reduzieren. 46% möchten weniger Überstunden leisten.
Eine väterfreundliche Unternehmenskultur und entsprechende Arbeitsmodelle sind dabei mehr als ein Trend; sie sind eine Chance für Unternehmen, die Talente der Zukunft zu sichern. Väter- und Familienfreundlichkeit ist damit weit mehr als nur ein nettes Zusatzangebot; sie ist ein echter Gewinn für Unternehmen, Familien und die Gesellschaft.
Eine Frage der Haltung pro Väterfreundlichkeit
Dabei beginnt der Weg zu mehr Arbeitgeberattraktivität nicht etwa mit einer neuen Karriereseite, auf der auch Väter zu sehen sind oder eine Social-Media-Post zum Vatertag, sondern damit, dass Sie in der Unternehmensleitung eine Haltung pro Väterfreundlichkeit entwickeln. Ohne ein klares Commitment der obersten Leitung brauchen Sie nicht zu starten.
Ein guter erster Schritt – nach dem GO von oben – ist, dass Sie genau hinschauen und bilanzieren. Nehmen Sie dazu die Väter in Ihrem Unternehmen – und damit ihre Väterfreundlichkeit in den Fokus. Führen Sie eine anonyme Befragung unter Ihren Vätern durch und fragen sich selbst:
- Wie gut sind die Arbeitsbedingungen für Väter bei uns wirklich?
- Wie gut ist unser Arbeitgeberimage als väterfreundliches Unternehmen?
- Welche Leistungen und Benefits haben wir als Unternehmen speziell für Väter
- Welchen Reifegrad hat unsere Führungs- und Unternehmenskultur in Bezug auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Väter?
- Welche Employer Branding- und Differenzierungs-Chancen sehen wir, wenn wir uns als väterfreundliches Unternehmen positionieren?
- Welche „Role Models“ haben wir heute schon im Unternehmen, die wir aktivieren können, um das Thema intern und extern zu kommunizieren?
Schritt für Schritt zum Employer of Choice (nicht nur) für Väter
Ideal ist es, wenn ihre ersten Schritte zum Beispiel durch einen Experten-Vortrag zu Väterfreundlichkeit in Ihrem Unternehmen flankieren und dabei die Haltung der obersten Leitung klar zum Ausdruck bringen. Nehmen Sie die Führungskräfte mit ins Boot und in die Pflicht. Führungskräfte spielen eine besondere Rolle auf dem Weg zu mehr Väterfreundlichkeit in Unternehmen Sie sollten idealerweise ihre Vereinbarkeitsangebote selbst in Anspruch nehmen und dafür als gutes Vorbild werben.
Auch in Personalgesprächen mit Vorgesetzten ist die Vereinbarkeit noch zu selten ein festes Thema auf der Agenda. Oft mangelt es an Vorbildern in den Reihen der Führungskräfte selbst. Von Unternehmensseite geben laut Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit 2023 rund 83% an, dass sich die Führungskräfte selbst glaubhaft für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie engagieren, das denkt aber nur knapp die Hälfte der Väter.
Nach meiner Erfahrung ist dann das Gute kaum mehr aufzuhalten und sie können über ganz konkrete folgende fünf Schritte nachdenken, die sie zum Employer of Choice (nicht nur für Väter) machen:
1. Qualifizieren Sie betriebliche Väterbeauftragte
Ein starkes Signal für väterfreundliche Strukturen ist die Einführung von Väterbeauftragten. Diese sind nicht nur Ansprechpartner für Väter, sondern auch Botschafter für ihre Bedarfe innerhalb des Unternehmens. Sie wirken auf allen Ebenen und schaffen eine Brücke zwischen Führungskräften, Personalabteilungen und Mitarbeitenden.
Praxis-Tipp: Bieten Sie Schulungen und Supervision an, um Väterbeauftragte gezielt auf ihre Rolle vorzubereiten. Sie sind wichtige Multiplikatoren für eine väterfreundliche Unternehmenskultur.
2. Gründen und etablieren Sie ein Väternetzwerk im Unternehmen
Ein Väternetzwerk bietet Vätern Raum für Austausch, gegenseitige Unterstützung und Vernetzung. Gleichzeitig fungiert es als Plattform, um die Bedürfnisse von Vätern sichtbar zu machen und Rolemodels im Unternehmen zu etablieren. Hier empfiehlt es sich Profis, wie das Unternehmen Vaterwelten mit einzubinden, die Erfahrung haben im Auf- und Ausbau von Väternetzwerken beitzen.
Praxis-Tipp: Unterstützen Sie die Gründung solcher Netzwerke und bieten Sie fachliche Begleitung an, um Strukturen zu schaffen, die langfristig wirken.
3. Nutzen Sie digitale Tools und Plattformen
Digitale Lösungen wie die Plattform Vaterwelten ermöglichen Vätern den Austausch über Standort-, Bereichs- und Abteilungsgrenzen hinweg.
Durch Angebote wie digitale Treffen, fachlich moderierte Gesprächsrunden, Seminar zum Beispiel zum Thema „Stressmanagement für Väter“ und eine umfassende Wissensdatenbank erhalten Väter Werkzeuge, um die Herausforderungen der modernen Vaterrolle selbstbewusst zu meistern. Vaterwelten schafft Safer Spaces für Männer, in denen sie offen über ihre Erlebnisse und Herausforderungen sprechen können, ohne dabei gesellschaftliche Erwartungen erfüllen zu müssen.
Vaterwelten ist dabei mehr als nur ein Netzwerk – es ist ein Ort, an dem Väter sich gegenseitig stärken und gemeinsam Lösungen für die Balance von Familie und Beruf finden. Damit etablieren sie eine aktive und nachhaltige Kulturentwicklung im Unternehmen, die organisch in sehr viele Bereiche hineinwirkt.
Praxis-Tipp: Implementieren Sie digitale Netzwerke für Väter in Ihrem Unternehmen und bieten Sie über diese Plattformen Zugang zu Väterwissen, Beratung und vor allem Gemeinschaft – denn Zugehörigkeit sorgt nicht zuletzt für mehr Loyalität und eine gesteigerte Mitarbeiterbindung.
4. Schaffen Sie Sichtbarkeit für väterfreundliche Werte
Ein Employer of Choice kommuniziert die eigenen Werte klar und authentisch. Zeigen Sie regelmäßig, dass Vätern in Ihrem Unternehmen nicht nur Raum, sondern auch Unterstützung geboten wird. Das macht Ihr Engagement sichtbar – sowohl intern als auch extern. Nutzen Sie dazu ihre bestehenden Kommunikationskanäle und Plattformen. Väterfreundlichkeit kann auch ein Thema auf der Betriebsversammlung sein, sollte im Intranet und natürlich prominent auf Ihrer Homepage sichtbar sein.
Praxis-Tipp: Heben Sie Väternetzwerke, Väterbeauftragte und konkrete Erfolgsgeschichten auf Ihrer Karriereseite, Social Media und in internen Kommunikationskanälen hervor und laden Sie zum Beispiel auch mit diesem Thema zum Pressegespräch die lokale Tages- und Wirtschaftspresse ein – authentische Botschaften schaffen Vertrauen.
5. Etablieren Sie eine Kultur der Gleichberechtigung
Die Bedürfnisse von Vätern anzuerkennen, ist Teil einer größeren Mission: eine Unternehmenskultur zu schaffen, die Vereinbarkeit auf allen Ebenen unterstützt und die Sie zu einem „Employer of Choice“ werden lässt. Väterfreundliche Maßnahmen fördern nicht nur Väter, sondern auch Gleichstellung und Diversität. Die Rückkehr von Müttern an den Arbeitsplatz hängt zum Beispiel essenziell von den Möglichkeiten zur Familienbetreuung durch den Vater ab, wie ein Yellow Paper zur Väterstudie in der IT der Ankerkopf GmbH im Jahr 2023 herausfand.
Praxis-Tipp: Verankern Sie diese Werte fest in Ihrer Unternehmenskultur, ihrer Strategie und Ihrem Leitbild.
Podcast Folge mit Andreas Seltmann zu Väterfreundlichkeit
Was TOP Arbeitgeber für Väter anders machen:
- Die oberste Leitung hat eine sichtbare und wahrnehmbare Haltung Pro-Väterfreundlichkeit im Unternehmen und kommuniziert regelmäßig dazu.
- Die Unternehmen bieten aktiv väterfreundliche Personalmaßnahmen an.
- Führungskräfte nehmen eine Vorreiterrolle ein, indem sie familienfreundliche Angebote selbst in Anspruch nehmen.
- In Mitarbeitergesprächen werden Aspekte der Vereinbarkeit für Väter angesprochen und zum Beispiel Väter über Möglichkeiten bei Kinderkrankentage informiert.
- Bei beruflichen Terminen wird Rücksicht auf familiäre Verpflichtungen genommen.
- Ein Väternetzwerk ist etabliert und eine digitale Vernetzung der Väter findet statt.
- Es gibt sowohl männliche Beschäftigte als auch männliche Führungskräfte, die in Teilzeit arbeiten.
- Väterfreundlichkeit ist im Rahmen der Employer Branding Strategie verankert und wird proaktiv zur Mitarbeiterbindung sowie im Recruiting eingesetzt.
Fazit
Die moderne Väterrolle ist für Väter und Unternehmen gleichsam kein einfacher Weg. Erkennt man jedoch die Chancen, bietet eine bessere väterorientierte Unternehmenskultur die Möglichkeit, Familie und Karriere in Einklang zu bringen und sich als höchst attraktiver Arbeitgeber für Väter zu positionieren.
Netzwerke wie Vaterwelten und Initiativen zur Qualifizierung betrieblicher Väterbeauftragter sorgen dafür, dass Sie Botschafter für das Thema am Start haben und durch sichere Räume Väter in ihrer Vereinbarkeit stärken. Solche Angebote fördern darüber hinaus eine offene und gleichberechtigte Unternehmenskultur für alle Mitarbeitenden und haben Leuchtturmcharakter – nach innen und nach außen.
Wenn Väter sich dadurch umso mehr trauen, neue Wege zu gehen, profitieren nicht nur ihre Familien, sondern auch sie als Arbeitgeber und die Gesellschaft davon. Es ist an der Zeit, die Väter von heute in ihrer Rolle zu stärken und die Zukunft so zu gestalten, dass Familie und Beruf miteinander harmonieren – für eine echte Win-Win-Situation! Unternehmen, die in ihre Väterfreundlichkeit investieren, sichern automatisch ihre Zukunftsfähigkeit und verschaffen sich deutliche Wettbewerbsvorteile auf dem Arbeitsmarkt.