Lässt sich eine Berufsausbildung eigentlich auch remote durchführen – eine Frage, auf die es eine spannende Antwort gibt. Das Konzept „Mobile Ausbildung“ der DATEV eG gewinnt sogar einen Award. Das steckt dahinter.
Ausbildung muss vor Ort stattfinden!?
Die Frage nach einer remote Ausbildung bzw. Homeoffice für Auszubildende zu stellen, erscheint in einer Zeit nach der Corona-Pandemie auf den ersten Blick fragwürdig. Spricht doch das Berufsbildungsgesetz (BBiG) mit seinem §2 davon,
„Berufsausbildung wird durchgeführt
- In Betrieben der Wirtschaft (…)“
Die enge Auslegung des Begriffs „In“ als ausschließlich vor Ort im Unternehmen, wird verstärkt durch §28 BBiG, dessen Absatz 2 lautet
„(…) in der Ausbildungsstätte unmittelbar (…) vermitteln.“
Auf den zweiten Blick muss aber festgestellt werden, dass auch während der Corona-Pandemie Berufsausbildung mobil stattfinden konnte.
Lassen sich die genannten rechtlichen Regelungen also tatsächlich nur eng auslegen?
Warum mobile Ausbildung wünschenswert ist
Mobile Arbeit hat durch die Lockdown-Phasen der COVID-Pandemie einen erheblichen Boost erhalten. Viele Unternehmen investierten daraufhin in mobile Arbeitskonzepte. Durch den aktuell zu spürenden Trend zurück in die Offices kommt es verstärkt zu hybriden Szenarien. Vor-Ort-Arbeit und mobile Arbeit wechseln sich ab und synchrone Kollaboration findet hybrid (also gleichzeitig im Unternehmen und z.B. im Homeoffice) statt.
Die Herausforderung für ausbildende Betriebe besteht nun darin, einerseits ihren Mitarbeitenden die -teilweise durch entsprechend Betriebsvereinbarungen garantierte- „freie Wahl des Arbeitsortes“ zu gewähren. Andererseits aber auch den Anforderungen des Berufsbildungsgesetzes zu entsprechen, bei denen an der Ausbildung beteiligte Fach- und Führungskräfte im Unternehmen vor Ort arbeiten und ausbilden sollen.
Und egal wie eine mobile bzw. hybride Ausbildung am Ende aussieht, muss natürlich die Qualität der Berufsausbildung durch das ausbildende Unternehmen gewahrt werden.
Berufsausbildung kann kein 100% Remote-Konzept sein
Klar scheint, dass eine 100%-ige Remote-Arbeit auf der aktuellen rechtlichen Basis nicht möglich ist. Aber das wäre auch gar nicht im Interesse von Unternehmen und Ausbildern. Selbst bei den Auszubildenden selbst käme Vollzeit remote work nicht gut an.
Vielen jungen Menschen stecken noch die Quälereien (und ich weiß aus eigener Erfahrung, wovon ich hier schreibe) des Homeschoolings in den Knochen. Der während der Pandemie-Jahre stark reduzierte persönliche, reale soziale Kontakt war gerade für die Generation Z teilweise nur schwer zu ertragen. Insofern ist das Interesse an einer maximal teil-mobilen Arbeitsgestaltung bei allen Beteiligten groß.
Die Ausbildungsverantwortlich der DATEV eG in Nürnberg hatten sich daher auf die Suche nach einer entsprechenden Lösung für eine (teil)mobile Berufsausbildung gemacht. Neben den rechtlichen Herausforderungen des BBiG sollten auch die jeweils zuständigen IHKs das Konzept mittragen und gleichzeitig die an der Fachausbildung beteiligten Mitarbeitenden im Unternehmen das dafür notwendige Handwerkszeug erhalten, um die Azubis auf dem Weg zu mehr Souveränität im Umgang mit remote Arbeit bestmöglich zu unterstützen.
Wie mobile Berufsausbildung funktioniert
Wie also kann ein Konzept für eine mobile Ausbildung aussehen? Was ist dabei zu beachten und wie weit kann hybride Arbeit für Auszubildende überhaupt verwirklicht werden?
Ausbildungsbeginn – Vertrauen vor Ort aufbauen
Klar ist, dass vor allem dem Start der Ausbildung eine wichtige Rolle bei diesem Konzept zukommt. Denn gerade in der Auftakt-Phase (im Recruiting würde man vom „Onboarding“ sprechen) ist eine sehr enge persönliche Zusammenarbeit essenziell. Das grundlegende gegenseitige Vertrauen, das im Rahmen eines mobilen Ausbildungskonzepts notwendig ist, erfordert zu Beginn die Zusammenarbeit vor Ort.
Teams, Verantwortlichkeiten und Abläufe lernt man am besten kennen, wenn die Arbeitszeit physisch gemeinsam verbracht wird. Schwerpunkt sind vor allem die sozialen Aspekte des menschlichen Miteinanders. Man darf nicht vergessen, dass die Auszubildenden meist unmittelbar aus einer schulischen Situation stammen, bei denen sie Tag für Tag vor Ort mit ihren Schulkamerad:innen und Lehrer:innen in einem -häufig sogar sehr engen- Raum zusammengearbeitet haben. Der Übergang in eine erste berufliche Tätigkeit ist unter diesem Aspekt entsprechend verantwortungsvoll zu gestalten.
Start in die mobile Ausbildung – ein Stufenkonzept
Mit Blick auf die Umstellung von einer reinen Vor-Ort-Ausbildung hin zu einer mobilen Ausbildung, bietet sich ein Stufenkonzept an. Denn mobile Arbeit im Unternehmen bedeutet nicht nur zusätzliche Freiheiten. Es geht vor allem darum, Kompetenzen aufzubauen, die bei der deutlich stärker selbst organisierten Arbeit zuhause oder an einem dritten Ort benötigt werden.
Gleichzeitig muss die Attraktivität der Arbeit vor Ort für die Auszubildenden hochgehalten werden. Denn den Großteil ihrer Berufsausbildung werden sie auch weiterhin dort verbringen.
Das führt schnell zu einem Konzept, das mobile Arbeit zusätzlich ermöglicht, sie aber nicht zwangsweise anordnet. Die Optionen werden dabei quasi selbst erarbeitet bzw. „verdient“.
Selbstredend hängt die Möglichkeit für mobile Ausbildung auch von der Art der Berufsausbildung ab. Tätigkeiten, die eine erhöhte bzw. dauerhafte Präsenz im Unternehmen erfordern, wie zum Beispiel beim Bedienen von Maschinen, lassen sich nur eingeschränkt auf ein mobiles Ausbildungskonzept umstellen.
Mobile Ausbildung – Gamification und Challenges
Je nach Erfahrungslevel und persönlicher Qualifikation der Auszubildenden haben die Azubis nach dem Konzept der mobilen Ausbildung bei der DATEV eG die Möglichkeit, ein Kontingent von bis zu vier mobilen Arbeitstagen zu erarbeiten. Die Tage für die mobile Arbeit können monatsweise eingesetzt und selbststeuernd geplant werden.
Über sogenannte Level-Challenges, die verpflichtend absolviert werden müssen, sowie freiwillige Challenges (sog. „Flexitag-Challenges“) steuern die Auszubildenden die für sie verfügbaren mobilen Arbeitstage.
Im Rahmen der Challenges geht es vor allem darum, die eigene Arbeitsweise zu reflektieren, spielerisch Kompetenzen für mobile bzw. hybride Arbeit zu erlernen und dabei das eigene Netzwerk im Unternehmen auszubauen. Grundbausteine also, für den späteren Erfolg in einer hybrid arbeitenden Organisation.
Ein Level-Sprung erfolgt über das Absolvieren der Level-Challenges und mit dem Erreichen eines entsprechenden Meilensteintermins – ein Zusammenspiel aus qualitativen und zeitlichen Elementen also.
Die Ausbildungspraxis ab 01.09.2023 bei DATEV
Mit Ausbildungsbeginn am ersten September 2023 wurde das Konzept „Mobile Ausbildung“ bei DATEV verpflichtend für die Azubis des 1. Lehrjahrs eingeführt. Gleichzeitig profitieren auch dual Studierende von einem auf sie angepassten vergleichbaren Konzept.
Damit ist die Grundlage geschaffen, um in Abstimmung mit der Gesetzeslage, den für die Ausbildung zuständigen IHKs sowie allen an der Berufsausbildung im Unternehmen Beteiligten ein hybrides Ausbildungskonzept zu leben.
Die Jury des bekannten HR Excellence Awards kürte das Konzept mobile Ausbildung von DATEV übrigens jüngst mit Platz 1 in der Kategorie Ausbildung.
Impact Employer Branding und Recruiting
Eine hybride Berufsausbildung anzubieten mit der Option, sich mobile Arbeitstage einsetzen zu können, ist ein interessanter Faktor beim Thema Employer Branding LINK. Arbeitgeber suchen im Rahmen der Arbeitgebermarkenbildung immer nach sogenannten Alleinstellungsmerkmalen. Wahlmöglichkeiten für den eigenen Arbeitsort sind dabei hilfreich und können das Recruiting erleichtern.
Umgekehrt wirken sie auch in Richtung Mitarbeiterbindung. Denn Selbstwirksamkeit als Azubi live zu erleben, indem durch persönliches Engagement und Selbstreflexion mobile Arbeitstage optional erarbeitet werden, steigert die emotionale Verbundenheit. Gleichzeitig basiert ein solches Ausbildungskonzept auf einem hohen Grad an emotionaler Sicherheit LINK und Vertrauen.
Beides wesentliche Aspekte für Arbeitszufriedenheit und Bindung – nicht nur im Rahmen der Berufsausbildung.
Weitere Infos dazu auf dem DATEV Karriereblog.