Jobsharing, also das gleichwertige Aufteilen einer Stelle auf zwei Teilzeitkräfte ist ein spannendes Modell, um Fachkräfte für das eigene Unternehmen zu gewinnen. Was sind die Chancen von Jobsharing und Shared Leadership, welche Herausforderungen gibt es dabei? Sigrid Uray-Esterer, Mitgründerin von JobTwins gibt praxisrelevante Einblicke in das Modell.
Jobsharing und Shared Leadership im Kommen
Jobsharing und Topsharing beziehungsweise Shared Leadership, rückt immer mehr in den Fokus innovativer und zugegebenermaßen verzweifelter HR Manager. Wir sind in Deutschland wie auch in Österreich mittlerweile bei einem ausgeprägten Arbeitskräftemangel – und gar nicht mehr „nur“ Fachkräftemangel – im Arbeitsmarkt angelangt.
Es werden Lösungen gesucht. Und die müssen schnell her. Wir können schließlich nicht auf Zuwanderung von Fachkräften oder gar das zukünftige Bevölkerungswachstum hoffen.
Zusätzlich beschäftigt die Personaler momentan die große Nachfrage nach Teilzeitpositionen.
Wir befinden uns in unsicheren Zeiten. Die jüngste Vergangenheit ist geprägt von Krisen und Weltuntergangsszenarien, die Menschen dazu veranlasst über „den Sinn im Leben“ und die Arbeitsbelastung nachzudenken. Vor allem auch die junge Generation, die sogenannte Gen Z, ist nicht mehr bereit so viel und so hart zu arbeiten wie ihre Vorgängergenerationen.
Man lebt und genießt lieber im Jetzt: „Wer weiß, was in den nächsten Jahrzehnten noch auf uns zukommt.“ Dinge wie Eigenheim und Co, auf das es sich zu sparen lohnen würde, rücken aufgrund von Inflation, Immobilienpreisen und Nullzinsen auf Sparbüchern in weite Ferne.
Lösungen gegen den Arbeitskräftemangel gesucht
Doch wie gehen wir als Arbeitende oder aber auch die Unternehmen mit all diesen Herausforderungen um?
Der Arbeitsmarkt hat sich bereits vom Arbeitgebermarkt zum Arbeitnehmermarkt entwickelt. Das bedeutet, die Beschäftigten beginnen mehr zu fordern, die Unternehmen engagieren sich im Employer Branding und rollen den Kandidat:innen den roten Teppich aus. Es gibt immer mehr Angebote seitens der Arbeitgeber, um den sich Bewerbenden die Jobs schmackhaft zu machen.
Vor allem flexible Arbeitsmodelle sind sehr gefragt. Man will mehr Zeit für sich haben. Die meisten wollen eine bessere „Work-Life Balance“. Doch wie lässt sich das mit den Anforderungen der Unternehmen, die die angebotenen Vollzeitjobs besetzen müssen, vereinbaren?
Jobsharing bietet hierfür die Lösung!
Zwei Personen teilen sich vollinhaltlich und vollumfänglich eine (Vollzeit)Position. Sie decken zu zweit die Geschäftszeiten ab. Sie treffen Entscheidungen gemeinsam und stehen gleichberechtigt für alle Erfolge, aber auch alle Pannen ein.
Jetzt fragen Sie sich bestimmt, wie kann das bloß funktionieren? Das klappt doch nie!?
Jobsharing ist echtes Teamwork
Grundsätzlich steht und fällt der Erfolg des Jobsharings mit dem Zusammenpassen – dem „Personal Fit“ – der beiden JobTwins. Hier steht nämlich nicht ausschließlich die Berufserfahrung, sondern vor allem auch die Persönlichkeiten und das gemeinsame Werteverständnis im Vordergrund.
Wie arbeiten die beiden Personen zusammen? Wie kompromissbereit sind sie? Und wie wichtig ist ihnen das Ego und der Wunsch allein für Erfolge gefeiert zu werden?
Denn für das Ego gibt es beim Jobsharing zugegebenermaßen wenig Platz.
Die beiden Partner:innen sind sozusagen ein Mini-Team, das wie eine Person agiert. Wer vor dem Aufsichtsrat steht und die Präsentation hält, ist in einem solchen Fall egal. Wer die Präsentation vorbereitet hat, auch. Beide Twins haben die Aufgabe gemeinsam erledigt, und das wird auch so kommuniziert.
Einführung des Jobsharing-Modells in der Organisation
Gute Kommunikation und Transparenz sind Voraussetzungen für das Modell. Die beiden Tandempartner:innen müssen nicht nur untereinander sehr gut kommunizieren. Besonders wichtig ist, dass das Modell auch innerhalb der Organisation gut eingeführt und erklärt wird. Alle Stakeholder, interne wie externe Kunden, wie auch Mitarbeitende müssen informiert werden, wie sie das Jobsharing Duo ansprechen können.
Es muss klar sein, dass egal, wer gerade anwesend ist, alle Fragen und Themen bearbeitet werden können. Unabhängig von der individuellen Person. Die Rolle wird erfüllt, die Position ist besetzt.
Natürlich erfordert eine solche Arbeitsweise ein Umdenken aller Parteien. Daher ist es essenziell, dass die Einführung von Jobsharing von der Geschäftsführung und den Führungskräften voll unterstützt und getragen wird. Außerdem empfiehlt sich eine Coaching Begleitung zu Beginn eines Jobsharings, um etwaige Konfliktbereiche gleich am Anfang zu verstehen und auszuräumen.
Sobald die Organisation über ausreichend erfolgreiche Beispiele verfügt und gelernt hat, wie das Modell in der Interaktion bzw. in der Umsetzung funktioniert, werden Aufwand und Komplexität schwinden.
Was bringt Jobsharing?
Warum aber sollten Sie genau Jobsharing forcieren?
Aus meiner Sicht gibt es einige großartige und wichtige Vorteile bei dem Modell:
- Es besteht quasi eine Vertretungsgarantie. Wenn jemand krank ist, steht immer noch eine zweite Person (zumindest in Teilzeit) für den Job zur Verfügung.
- Es kommt zu keinem Wissensverlust bei Kündigung oder Beförderung einer Person. Durch den zweiten JobTwin weiß immer noch eine Person über die Position Bescheid.
- Aufgrund von Erfahrungen zweier Menschen und dem gegenseitigen Austausch kommt es zu mehr Produktivität und Innovation.
- Wer tatsächlich in „echter Teilzeit“ ohne viele Überstunden arbeiten kann, ist weniger Burnout gefährdet, gesünder, zufriedener und loyaler.
- Jobsharing unterstützt die Erreichung des „Sustainable Development Goal – SDG 5“ (Geschlechtergleichheit) der UN Agenda 2030. Es ermöglicht Frauen, die Mütter werden, ihre verantwortungsvollen Positionen nach Rückkehr aus der Karenz bzw. Elternzeit weiterhin besetzen zu können.
Für mehr Infos dazu, verweise ich auf einen PwC-Artikel: Einführung von Dualer Führung und Shared Leaderhip – Erfolgsfaktoren und Auswirkungen auf die Organisation.
Risiken und Herausforderungen beim Jobsharing
Es gibt wohl kein Arbeitsmodell, das zu 100% einfach einzusetzen ist. Wir hinterfragen unsere alteingesessenen Modelle nur einfach nicht mehr. Daher hier ein paar Gedanken zu den Herausforderungen beziehungsweise Besonderheiten:
- Die Investition seitens eines Unternehmens für ein Jobsharing Duo sind auf jeden Fall zwei Laptops und zwei Smartphones.
- Dazu kommen normalerweise ein paar mehr Stunden auf die Position zur Abstimmung und für Übergaben. Erfahrene Role Models sprechen hier von um die 10-15% mehr Zeit, die man für die Position einrechnen sollte. Allerdings ist der Output im Normalfall auch deutlich höher.
- Zu guter Letzt stellen sich die Frage zu den Kosten, sprich Lohnnebenkosten. In Österreich sind die Lohnnebenkosten bei Teilung einer Brutto-Gesamtsumme völlig identisch. Aufgrund der progressiven Besteuerung verdienen zwei Teilzeitarbeitende netto sogar mehr als eine Person bei der Gesamtsumme herausbekommen würde.
Woher nehmen, wenn nicht stehlen?
Viele Personaler beklagen die schwierige Suche nach qualifizierten Arbeitskräften im heißumkämpften Arbeitsmarkt. Doch suchen und sehen sie auch Teilzeitarbeitskräfte?
Derer gibt es nämlich viele. Und hier vor allem ganz viele hochqualifizierte und erfahrene.
Gerade Eltern – vor allem Mütter – stehen häufig vor dem Dilemma, dass es keine qualifizierten, hochwertigen Teilzeitstellen am Markt gibt, auf die sie sich bewerben könnten. Sie haben jedoch häufig mehr oder weniger schon aufgegeben zu suchen. Denn Unternehmen suchen zum überwiegenden Großteil nach wie vor nach Vollzeitkräften.
Somit grenzen Sie als Unternehmen die vielen großartigen Talente aus, die einfach momentan nicht so viel Zeit für die Erwerbsarbeit zur Verfügung haben.
Dieser Problematik wirkt das Angebot von Jobsharing entgegen.
Als Unternehmen sollten Sie beginnen flexible Arbeitsmodelle anzubieten. – Sie werden überrascht sein.
2020 veröffentlichte der Zürich Versicherung in UK eine Studie, die zeigte, dass sich 19% mehr Frauen auf Führungspositionen bewarben, weil die Positionen „offen für Teilzeit, Vollzeit und Jobsharing“ ausgeschrieben waren. Die Gesamtanzahl der Bewerbungen von Frauen stieg um 16%, aber auch die Anzahl an Bewerbungen von Männern verdoppelte sich!
Digitale Lösungen für Jobsharing bieten Unterstützung
Verständlicherweise schrecken Unternehmen davor zurück in Zeiten wie diesen zwei Personen für eine Stelle finden zu müssen – und dann vielleicht noch zwei parallele Bewerbungsprozesse und Gespräche führen zu müssen.
Auch hier kann Abhilfe geschaffen werden, indem Sie auf digitale Unterstützung zurückgreifen können.
Wir haben bei JobTwins beispielsweise einen dreistufigen Algorithmus entwickelt, der auf Basis der Berufserfahrung, Persönlichkeit und Wertevorstellungen interessierte Personen verbindet. Die Plattform bietet den User:innen die Möglichkeit sich mit passenden Twins matchen zu lassen. Diese funktioniert wie bei einer Partner- bzw. Singlebörse – nur eben für das Business.
Wenn sich die passenden Tandems gefunden haben, können sie sich gemeinsam auf jegliche verfügbare Vollzeitstelle bewerben. Und Unternehmen können bereits verbundene, abgesprochene Twins für ihre offenen Positionen ansprechen.
Somit erleichtert sich die Arbeit für die Organisationen, die sich nicht mit der Präselektion der Kandidat:innen beschäftigen müssen. Oder aber sie nutzen die digitale Möglichkeit „inhouse“ um ihre eigenen Mitarbeitenden einfach und sinnvoll zusammenzubringen. Beispielsweise Karenzrückkehrende aus der Elternzeit mit vorhandenen Teilzeitkräften usw.
Die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten von Jobsharing ist vielfältig. Die Kombination von Stundenanzahl ist völlig frei und individuell wählbar, je nach Bedarf.
Und die Motivation, die Mitarbeitende mitbringen werden, wenn sie unerwartete Karrierechancen und -möglichkeiten aufgezeigt bekommen, ist unbezahlbar!
Podcast-Folge Klartext HR zu Jobsharing
Hören Sie sich zum Thema Jobsharing eine passende Podcast-Folge Klartext HR an und lassen Sie sich weiter inspirieren!