Ghosting im Bewerbungsprozess ist eine große Herausforderung für Personaldienstleister. Angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels ist der Arbeitsmarkt nach wie vor äußerst umkämpft. Umso ärgerlicher ist es da, wenn Kandidaten oder Unternehmen an einem bestimmten Punkt im Laufe des Bewerbungsprozesses einfach verschwinden. Die positive Nachricht lautet: Im Unterschied zu anderen „Geistern“, kann man sich diese mit den richtigen Strategien und Tools effektiv vom Leib halten, sagt Anna-Lena Swager, Senior Marketing Manager bei Bullhorn.
Der Begriff Ghosting im Zusammenhang mit Recruiting
Der Begriff „Ghosting“ hat seinen Ursprung im Online-Dating und beschreibt den plötzlichen Kontaktabbruch einer Person ohne vorherige Ankündigung. Und dieses kommentarlose Ende hinterlässt häufig negative Gefühle.
Im Bewerbungsprozess ist das mindestens genauso ärgerlich wie beim Dating, doch in beiden Fällen leider keine Seltenheit. Laut einer Studie von Indeed wurden 83% der befragten Unternehmen bereits mindestens einmal von Kandidaten „geghostet“. Und in einer Umfrage von CareerBuilder gaben 68% der teilnehmenden Unternehmen zudem an, dass Ghosting für sie ein Problem darstelle. Die Bewerbenden seien nicht mehr zu erreichen und verschwinden, obwohl schon erste Gespräche geführt und manchmal sogar Vertragsunterlagen unterschrieben wurden.
Die Geister, die HR rief?
Wie du mir, so ich dir. Diese Binsenweisheit sollten sich auch Unternehmen zu Herzen nehmen. Auf dem Arbeitsmarkt ist Ghosting nämlich alles andere als einseitig. Auch Unternehmen ghosten ihre Bewerber regelmäßig, wie beispielsweise eine Umfrage von jobcloud ergab. Unter den Befragten wurde mehr als die Hälfte (52 %) bereits vom potenziellen Arbeitgeber geghostet.
Das rächt sich in Zeiten von Plattformen wie kununu, auf denen Unternehmen öffentlich nicht nur Mitarbeitende, sondern auch Kandidatinnen und Kandidaten aktiv bewerten. Hinzu kommt der omnipräsente Fachkräftemangel, der es qualifizierten Menschen in vielen Branchen ermöglicht, ihre Arbeitgeber nahezu frei zu wählen.
Personaldienstleister müssen sich im Wettbewerb um die idealen Talente also im ersten Schritt selbst hinterfragen und eruieren, ob sie ihre Kandidaten so behandeln wie sie es im Gegenzug von ihnen erwarten. Nur durch ein positives Außenbild wird ein Unternehmen für Top-Bewerberinnen attraktiv und gleichsam lässt sich das Risiko reduzieren, von ihnen geghostet zu werden.
Die eigenen Kommunikationsmuster untersuchen
Neben einer intensiven Evaluation des eigenen Auftretens, lohnt es sich für Personaldienstleister und Unternehmen auch, ihre Kommunikationsstrategie unter die Lupe zu nehmen. Denn der verbreitetste Grund der bei 51% für Frustration unter Kandidaten sorgt, ist schlechte Kommunikation seitens des potenziellen Arbeitgebers.
Von dieser Unzufriedenheit ist für viele Jobsuchende der Weg zum Ghosting nicht mehr weit. Wichtig hierbei ist, eine aufrichtige Bindung zu den sich bewerbenden Menschen aufzubauen und die „Candidate Experience“ durchgängig positiv zu gestalten. Und dazu gehört definitiv der regelmäßige Austausch zwischen Personaldienstleister bzw. Unternehmen und Kandidaten.
Dank Automatisierung mehr Zeit für persönliche Interaktion im Recruiting
Hier unterstützt die Digitalisierung ungemein. Neue Formen der Kommunikation und die Möglichkeit, wiederkehrende Aufgaben zu automatisieren, gestalten den Arbeitsalltag von Personaldienstleistern effizienter. Denn sie schaffen Freiraum für die persönliche Interaktion mit Bewerbenden. Werden Tätigkeiten wie beispielsweise das Senden von Eingangsbestätigungen oder die Aktualisierung des Bewerberstatus automatisch erledigt, spart das den Personalverantwortlichen wertvolle Zeit. Diese können sie stattdessen in den persönlichen Beziehungsaufbau investieren.
Je persönlicher, unkomplizierter und transparenter der Bewerbungsprozess und je stärker die persönliche Bindung zu den Kandidatinnen, desto unwahrscheinlicher wird es für Personaldienstleister geghostet zu werden. Der beste Schutz vor „Geistern“ ist -ich wiederhole mich bewusst- eine offene, persönliche und klare Kommunikation.
Ein weiterer Pluspunkt der Automatisierung ist, dass Unternehmen nicht mehr aktiv daran denken müssen, regelmäßig mit ihren Bewerbern in Kontakt zu treten. Automatisierte E-Mails, die zu festgelegten Zeitpunkten versendet werden, informieren die Kandidatinnen beispielsweise über den Eingang ihrer Bewerbung oder den Bewerbungsstatus. So können sich die Unternehmen sicher sein, dass auch im stressigen und vollen Arbeitsalltag niemand in Vergessenheit gerät und versehentlich geghostet wird.
Beim Ghosting gewinnt niemand
Das Phänomen Ghosting ist eine unerfreuliche Begleiterscheinung des digitalen Wandels. Zwar eröffnet die Digitalisierung etliche neue Möglichkeiten, doch lädt die Anonymität des Internets manch einen auch dazu ein, sich entgegen etablierter Gepflogenheiten zu verhalten. Denn in erster Linie geht es doch bei all unseren Interaktionen um eines: Respekt.
Gerade im Bewerbungsprozess sollte es im Sinne aller Beteiligten sein, angemessen und fair miteinander umzugehen – da ist für Ghosting kein Platz! Schließlich ist es immer das gleiche Spiel: der Geghostete ist enttäuscht und im Umkehrschluss leidet die Reputation des Ghostenden. Beides definitiv vermeidbar.
Ein abschließender Praxistipp
Zum Schluss noch ein kleiner Tipp: Abgesehen davon, dass Ghosten mehr als unhöflich ist. Es kann auch richtig teuer werden, vor allem nachdem ein Arbeitsvertrag unterschrieben wurde. Unternehmen können in diesem Fall auf Schadensersatz klagen und haben in einem Verfahren hohe Gewinnchancen.
Zudem sieht man sich immer zweimal im Leben. Das heute noch geghostete Unternehmen könnte schon morgen die Traumposition ausschreiben, wobei ehemalige „Geister“ bei einer erneuten Bewerbung sicherlich keine guten Karten haben. Und gerade in unserem digitalen Zeitalter, in dem ein starker Fachkräftemangel herrscht, sollte sich kein Personaldienstleister und kein Unternehmen durch ausbleibende Kommunikation die Chancen auf gute Talente ruinieren.
Es lässt sich also festhalten: Ghosting lässt nur Verlierer zurück. Es ist deshalb sowohl im Sinne der Arbeitgeber als auch der Jobsuchenden, angemessen und fair miteinander zu kommunizieren und einen Rahmen für persönlichen und respektvollen Austausch zu schaffen.
Auch wenn die digitale Welt das Problem sicher an manchen Punkten verschärft hat, bietet sie gleichermaßen Chancen, es zu lösen. Insbesondere im beruflichen Kontext.