Vor einiger Zeit wurde eine neue Art von Recruiting-App bekannt, die sehr schnell als „Tinder für Jobs“ tituliert wurde und truffls (Trüffel) heißt. Kernelement dabei ist das bequeme Swipen durch Jobangebote, getreu dem Motto „Die Guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen“. Was gefällt, wird nach rechts gewischt, was nicht gut ankommt nach links. Angelehnt an die Partnersuche in der Tinder-App, die genauso intuitiv funktioniert. Jetzt tritt eine schwedische App an, die noch einen Schritt weiter geht: Selfiejobs.
Meine regelmäßigen Blogleser kennen meine Neugier und Testfreudigkeit was innovative Ideen im Bereich Personalmarketing und Recruiting angeht. Daher habe ich mir die iPhone-Version von Selfiejobs geladen und getestet.
Anlegen eines Benutzerprofils
Das Erstellen eines Accounts ist sehr einfach und intuitiv möglich. Die Eingabe einer E-Mail-Adresse, die nicht nicht bestätigt werden muss, sowie eines Passworts genügt. Eine Importoption eines Social Media Profils wie bei Truffls ist allerdings nicht vorgesehen.
Insofern müssen alle Angaben mehr oder weniger händisch vorgenommen werden, als da wären:
- Verfügbarkeit
- Zweizeiler zur Person
- Abschluss
- Sprache (noch nicht in Deutsch verfügbar)
- Vorheriger/aktueller Arbeitgeber
- Art des Jobs, z.B. Vollzeit oder Teilzeit
- Ort (über Karte oder GPS)
und Stärken. Von letzteren dürfen aber nur zwei angeführt werden, wobei vier zur Auswahl stehen, da die freie Eingabe bei mir nicht funktioniert hat. Ich habe mich also für „engagiert“ und „wirksam“ entschieden. Auch hier scheint also starke Vereinfachung Programm zu sein.
Von zentraler Bedeutung: das Foto
Das augenfälligste Merkmal von Selfiejobs ist natürlich das Profilbild. Denn danach entscheiden potenzielle Arbeitgeber. Ja, Sie lesen richtig: Die Erstauswahl der möglicherweise interessanten Bewerber erfolgt aufgrund einer optischen Einschätzung. Alternativ kann auch ein bis zu 22 Sekunden langes Video aufgezeichnet werden.
OK, Arbeitgebern wird bei der Suche nach Mitarbeitern neben dem Foto/Video auch noch das Alter, der Name und der Wohnort des Jobsuchenden zur Erstentscheidung angeboten. Das AGG lässt schön grüßen! Allerdings wenn schon nach Foto entschieden wird, dann ist es doch nicht schlimm, zusätzlich nach Alter zu entscheiden. Wenn schon, denn schon. Denn natürlich unterstellen wir hier mal positiv, dass es dabei rein um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften zum Jugendschutz geht. Und da sollte der potenzielle Arbeitgeber doch gleich wissen, ob ein Nutzer für den Job in Frage kommt, oder?
Stellenangebote für Deutschland
Auch für deutsche Städte sind bereits Stellenangebote in der App verfügbar, durch die die 10.000 bisher angemeldeten Selfiejobs-User durchswipen können. Der Großteil der ausgeschriebenen Stellen ist aus der Gastronomiebranche. Dort, wo Optik nachgewiesenermaßen einen maßgeblichen Einfluss auf das Wohlfühlen der Gäste hat. Wie heißt es so schön: „Das Auge isst schließlich mit!“.
Die Kraft der Ausstrahlung
Was, die tatsächlichen Qualifikationen der Bewerber gehen Ihnen dabei unter? Sie bemängeln, dass eine attraktive Optik noch lange kein Beweis für eine Eignung zur Mitarbeit im Gastrogewerbe sei? – Aber mal ehrlich: Eine Eignung erkennen Sie im traditionellen Online-Bewerbungsprozess doch ebenfalls nicht. Und wie sage ich immer: „Ein schwarzer Anzug und Krawatte schützen nicht vor Inkompetenz!“. Und an den Rückschluss „Gute Noten, guter Mitarbeiter.“ glauben Sie doch hoffentlich auch nicht (mehr).
Vielleicht ist diese App ja sogar ein weiterer Schritt in Richtung Authentizität, wie ich ihn schon in meinem Beitrag „Selfie als Bewerbungsfoto“ gefordert habe.
Der allererste Eindruck zählt
Immerhin ist wissenschaftlich bewiesen, dass wir schon im Bruchteil einer Sekunde ein (erstes) Gefühl dafür haben, ob uns ein Gegenüber sympathisch ist oder nicht. Und da es im echten Leben ebenfalls keine zweite Chance für den ersten Eindruck gibt, gilt dies auch in Selfiejobs „Einmal aussortiert, für immer weg“. Das erspart den aufwändigen Aufbau von Talentpools und hält die Personalauswahl effizient. Eine Kontaktaufnahme kann erfolgen, wenn beide Seiten das Profil liken, also nach rechts swipen.
Matching von Bewerbern und Unternehmen
Was das Zusammenpassen von Bewerbern und Unternehmen angeht, so setzt Selfiejobs klassisch auf eine (Bauch)Entscheidung des Personalers. Was übrigens auch heute noch (gerade in sehr kleinen Unternehmen) eher die Regel ist. Denn häufig fehlen hier jegliche systematische Auswahlkriterien, gerade wenn es keine speziell ausgebildeten Personaler gibt und der Chef selbst einstellt. Der Einsatz ausgefeilter Algorithmen bei der Personalauswahl ist eh insgesamt noch gering ausgeprägt in deutschen HR-Abteilungen.
Während Truffls das Matching zwischen Unternehmen und Jobsuchenden anhand des XING- oder LinkedIn-Profils vornimmt und damit zu verbesserten Jobvorschlägen kommen möchte, …
… nimmt Selfiejobs eine Eingrenzung über den Abstand zwischen Wohnort und potenziellem Arbeitsplatz vor. Die Range lässt sich aktuell bis auf 150 km erweitern. Gerade für mögliche (Neben)Jobs zum Kellnern ist das eine plausible Einschränkung.
Fazit zum mobile Recruiting via Selfiejobs
Selfiejobs bietet derzeit für 49.- Euro monatlich an, swipe-fähige Stellenanzeigen an mobilaffine Zielgruppen bereitzustellen. Ob der Einsatz der Software in Deutschland tatsächlich für die Bewerber suchenden Unternehmen ein Erfolg wird, hängt allerdings eher weniger am Preis als an der Verbreitung der Selfiejobs-App auf dem deutschen Markt.
Vom Grundsatz her ist die Idee aus meiner Sicht interessant und im aufgezeigten Einsatzbereich durchaus schlagkräftig, vergleichbar dem Lesen von Kleinanzeigen früher – nur mit mehr Spaß und vor allem mobil. Mobile Recruiting zeigt also eine weitere strahlende Facette.
Wann springt HR darauf an…?