Befragung HR Fokusgruppe zum Recruiting mittels Stellenanzeigen

Stellenbörse befragt HR-Fokusgruppe Unternehmen: So läuft es in der Recruiting-Praxis!

Produkte und Dienstleistungen sollen sich an den Bedürfnissen der Kunden orientieren. Das klingt lapidar und ziemlich unspektakulär. Was aber kommt dabei heraus, wenn eine Stellenbörse 15 Unternehmensvertreter mit Schwerpunkt HR, Recruiting bzw. Personalbeschaffung einlädt, um sich mit ihnen fachlich auszutauschen und von ihnen zu lernen? Eine Veranstaltung wie am 24.10.2014 in München, zu der Stellenanzeigen.de geladen hatte.

Mein Bericht über die ganztägige Veranstaltung gibt teils erstaunliche Einblicke in die Praxis von HR-Experten aus unterschiedlichen Unternehmensgrößen: Von Großkonzernen und Global Playern über produzierende Familienbetriebe bis hin zu medizinisch-sozialen Einrichtungen.

Die Methoden der Informationsgewinnung der Personaler unter der Lupe

Der Einstieg: Woher nehmen Personaler aktuelle Branchennews? Lesen Sie Fachzeitschriften, wenn ja welche? Natürlich ging es bei der Befragung nicht um eine wissenschaftliche Studie oder gar repräsentative Ergebnisse. Allerdings deckten sich die Antworten sowie die dazu stattfindende Diskussion weitestgehend mit meinen eigenen Erfahrungen der Szene.

Dass nämlich der Wille zur Weiterbildung unter Personalern weit verbreitet ist, im Alltag hingegen oft den Notwendigkeiten des Tagesgeschäfts weichen muss. Also wird die Infoaufnahme in die Freizeit verlegt und überwiegend Printmagazine gelesen. – Wenig überraschend auch, dass Blogs bis auf wenige Ausnahmen (Glückwunsch an dieser Stelle an die Bloggerkollegen der Wollmilchsau) kaum bekannt und noch weniger von operativ Verantwortlichen gelesen werden.

Eine Tatsache, der ich den ganzen Tag über mit nahezu missionarischem Eifer entgegenwirken musste, versteht sich. Daher nochmal an dieser Stelle: Saatkorn.de, Personalmarketing2null, Henrik Zaborowski und Eva Zils sind eigentlich Pflicht, liebe Personaler!

Verschont uns mit Newslettern!

Was mal eine innovative Erfindung Ende der 90er war, hat sich überlebt. Einhellig äußerten sich die Teilnehmer dahingehend, dass die Infoflut derart überhand genommen hat, dass Newsletter (Ausnahmen sind die des eigenen Unternehmens bzw. Verbands) ganz oben auf der Streichliste stehen.

Die zahlreich anwesenden Verantwortlichen von Stellenanzeigen.de nahmen jedenfalls die deutliche Botschaft entgegen, die eigenen Aktivitäten diesbezüglich hinsichtlich Frequenz und Inhalten kritisch zu überdenken. Ich gehe davon aus, dass eine Umsetzung des Feedbacks sehr bald spürbar sein sollte. Im Übrigen ein lobenswertes Verhalten, das andere Anbieter gerne zum Vorbild nehmen sollten (ich verpacke meinen Zaunpfahl jetzt mal höflich und binde ein rotes Schleifchen drum – ist ja auch bald Weihnachten) …

Facebook ohne jegliche Recruitingrelevanz

Das war das Fazit der Teilnehmer. Ob mangels Reichweite von finanziell ungestützten Postings, wegen Datenschutzbedenken (Bewerberdaten!) oder der Tatsache, dass die gewünschten Zielgruppen das Netzwerk rein privat betrachten, das Ergebnis bleibt das gleiche. Auch auf Facebook eingebundene Stellen-Tabs werden so selten in Anspruch genommen, dass einige Unternehmen überlegen, diese wieder abzuschaffen.

Allerdings gibt es im Bereich Employer Branding natürlich erfolgreiche Anwendungsszenarien von Facebook.

XING für Active Sourcing einsetzen

Im Unterschied dazu spiegeln die Teilnehmer zurück, dass XING durchaus eine erfolgreiche Quelle für aktives Sourcen von Mitarbeitern sei, sofern die Zielgruppe passe. Trotzdem wurde keine generelle Empfehlung ausgesprochen. Insbesondere die von Unternehmen heiß begehrten IT-Experten scheint es in Scharen von der Plattform zu treiben – zumindest diejenigen, die es satt haben, ständig mit Jobangeboten vollgespamt zu werden. So die Rückmeldungen der Personaler.

XING geht aktuell mit den neuen Produkten XING ProJobs oder der Personalberaterbörse weiter den Weg der massiven Ausschlachtung der vorhandenen Zielgruppen. Und wie beim Schlachten so üblich, blutet das Netzwerk an manchen Stellen dafür aus. Opfer gibt es immer. Manchmal werden sie als Kollateralschaden bezeichnet, machnmal gefährden sie allerdings auch den mittelfristigen Erfolg einer Social Media Plattform.

Personalberater nerven!

Ohne Ausnahme wurden die extrem zunehmenden Geschäftspraktiken von Personalberatern kritisiert, die ungefragt in regelmäßigem Turnus anonymisierte Berwerberprofile zusenden. Ohne persönlichen Kontakt, ohne Nachbearbeitung und … ohne Aussicht auf Erfolg.

Einerseits verständlich, dass bei manchen Verantwortlichen eine regelrechte Flucht vor Telefonanrufen oder Möglichkeiten zur persönlichen Kontaktaufnahme einsetzt. Andererseits führt dieses „Lasst mich einfach in Ruhe meinen Job machen“-Verhalten zum unschönen Nebeneffekt, dass zugleich die Kanäle für Bewerber künstlich verengt werden. Candidate Experience ich seh Dich leiden.

Allerdings hilft der an sich gut gemeinte Hinweis von Henrik Zaborowski wahrscheinlich nicht, eine Botschaft im Sinne von „Personalberater, don´t call us, we call you!“ auf die Karriereseite zu schreiben. Wer auf Stellenbörsen Vakanzen findet, erhält dort die direkten Ansprechpartner im Recruiting und kann mit ihnen Kontakt aufnehmen. Welcher Personalberater hat da Zeit und Lust Karrierewebsites zu lesen?

Und ja, es ist so massiv, dass teilweise täglich mehrere solche untauglichen Vertriebsmethoden angewandt werden. Meist getarnt unter dem „Wir wollen Ihnen helfen!“-Schirm.

Dem Branchenruf kann das auf Dauer massiv schaden. Ich übertreibe? Sie haben nicht die aggressiv genervte Stimmung der Personalverantwortlichen im Raum erlebt. Ich schon.

Die Teilnehmer der Fokusgruppe 2015 in arbeitssamer aber gemütlicher Atmospähre im Coworking Space Allynet München.
Die Teilnehmer der Fokusgruppe 2015 in arbeitssamer aber gemütlicher Atmospähre im Coworking Space Allynet München.

Unterstützung der Stellenbörsen beim Active Sourcing?

Hier gehen die Meinungen auseinander, was die Sinnhaftigkeit von Kombiangeboten (zum Beispiel: Schaltung einer Stellenanzeige und Erhalt von 5 passenden Bewerbern aus der plattformeigenen Datenbank) angeht. Insbesondere bezweifelt wird die Qualität der Auswahlalgorithmen, also das Matching.

Zudem erfordert diese hybride Dienstleistung zwischen klassischem „Post & Pray“ und Active Sourcing ein prozessuales Umdenken der Personaler. Denn zugesandte Profile sind noch lange keine Bewerbungen (dazu fehlt schon das entsprechende Commitment des Bewerbers) und schon gar kein umfassender Lebenslauf nebst Anlagen. Die Recruiter müssen also den Active Sourcing Spirit in sich tragen und selbst aktiv werden bei der Ansprache. Wer dazu jedoch bereit ist, fragt sich, warum er nur fünf vorgefilterte Vorschläge und nicht Zugriff auf die gesamte Datenbank erhält.

Trotzdem wird sich eine eingeschränkte Zielgruppe für dieses aus meiner Sicht recht lauwarme Angebot finden.

Active Sourcing nur im Eskalationsfall

Dass Personaler gerne bei ihren liebgewonnenen Stellenanzeigen bleiben und sich das Feld des Active Sourcings nur zögerlich erschließen, hat sich auch in dieser Teilnehmergruppe voll bestätigt. Allenfalls im Eskalationsfall, also wenn die Stellenausschreibungen auf der Jobbörse versagen, nutzen die Teilnehmer für ihre Unternehmen die neuen produktiven Möglichkeiten. Positiv betrachtet: Immerhin.

Rankings von Stellenbörsen und Jobportalen irrelevant

Auch wenn die Veranstalter beim Contest um Deutschlands Beste Jobportale 2014 auf einem der vorderen Plätze gelandet sind, so maßen die Teilnehmer diesen Siegeln von Stellenbörsen keine große Bedeutung zu. Wer um das Zustandekommen von Rankings (Stichwort: Top Arbeitgeber) weiß, der lässt sich davon anscheinend nicht besonders beeindrucken.

Aber da wir Deutsche im Allgemeinen solche Labels und Siegel sowie die dazugehörigen Listen lieben… Dann gibt es eben ein weiteres Event mit Gala-Dinner, Medien berichten drüber, Anbieter pappen sich noch ne kleine Grafik auf ihre Website und alle freuen sich. So einfach funktioniert der HR-Markt.

Die Stellenanzeige in Print lebt!

Totgeglaubte leben länger. Das gilt ebenso für die Printanzeige in lokalen bzw. regionalen Zeitungen. Erfolgsgeschichten gab es jedenfalls genug im Raum. Dennoch wurden vor allem Kombiangebote aus Print und online positiv bewertet.

Eine extrem witzige Argumentation habe ich kürzlich bei Recherchen zu meinem in Arbeit befindlichen Fachbuch gefunden: Erinnern Sie sich noch an Zeiten, in denen Sie ein Zeitungsbündel (mit den Stellenanzeigen drin) als Altpapier zur Abholung an die Straße gestellt haben? Oder an Gelegenheiten, bei denen Ihre Stellenanzeige zum Einpacken von frischem Fisch verwendet wird?

TV-Markenkampagnen von Jobbörsen wirken lange nach

Menschen, die auf Steinen über Wasser gehen oder werbende Monster bleiben länger im Gedächtnis als man denkt. Stellenportale, die in der Vergangenheit über TV und Print massiv Werbung betrieben haben, konnten Nutzerzahlen spürbar nach oben treiben. Dauerhaft geholfen hat es zumindest dem einstigen Marktführer Monster jedoch trotzdem nicht.

Ein Fan-Forum für Monsterserien im TV hatte damals bereits ein deutliches Urteil über die Werbekampagne gefällt und entsprechend verschlagwortet:

Monster Jobbörse Werbung
Screenshot Fanforum Monster zur Werbung der gleichnamigen Stellenbörse 2007

Außerdem: Wer der Generation Y schaut denn heute noch normal Fernsehen?

Schnell raus aus den Stellenbörsen!

Seit einiger Zeit bieten verschiedene Portale erweiterte Produkte an, bei denen kleine Mini-Websites unmittelbar an der Stellenanzeige aufgebaut werden. Für kleinere Unternehmen ohne eigene Karrierewebsite eine clevere Idee. Aber mal ehrlich: Wollen Sie nicht lieber, dass der Interessent möglichst schnell weitergeleitet wird zu Ihrer umfassenden Karrierewebsite?

Auf der Stellenbörsen besteht die Gefahr, dass der Kandidat anschließend weiter in der Trefferliste sucht und durch Stellenanzeigen von Mitbewerbern „abgelenkt“ wird. Ist er schon auf Ihrer Website, nutzt er möglicherweise vorher zumindest noch die dortige Suche und stößt auf weitere interessante Vakanzen bei Ihnen.

Zukünftig stellen also diejenige Stellenbörsen echten Mehrwert für ihre Kunden bereit, die Bewerber und Unternehmen möglichst schnell zusammen bringen und die Nutzer weniger lange auf ihrer eigenen Plattform halten.

Bewerbungsunterlagen – vollständig, ordentlich und im gewünschten Medium

Dann kamen sie wieder. Meine Lieblingsthemen: Welche Bewerbungsunterlagen wollen die Personaler sehen? Welches Medium ist für eine Bewerbung zulässig?

Sie wundern sich über die Formulierung „zulässig“? Hatte ich mich auch. Aber es gab in der Teilnehmerrunde Unternehmen, die gedruckte Bewerbungsmappen zurück an den Bewerber senden, mit der Bitte sich online im Bewerbermanagement-System nochmal zu bewerben.

Ein klares Indiz, dass der viel diskutierte Fachkräftemangel zumindest hier noch nicht zugeschlagen zu haben scheint.

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Input zwischendurch: Die Candidate Experience Studie 2014

Die Verfasser der wenige Minuten zuvor präsentierten Studie Candidate Experience, Christopf Athanas, Prof. Dr. M. Wald sowie Stellenanzeigen.de müssen jedenfalls bei eben beschriebenen Aussagen ganz stark sein. Oder stolz, je nachdem. Denn eines der gefundenen Ergebnisse in der aktuellen Studie besagt, dass der Großteil der Unternehmen im Bereich Candidate Experience noch mächtig aufzuholen hat, wenn er bei Bewerbern einen positiven Arbeitgebermarkeneindruck hinterlassen möchte.

Ergebnis-Auszug: Studie Candidate Experience von Meta HR, Stellenanzeigen.de und Prof. Dr. Peter M. Wald
Ergebnis-Auszug: Studie Candidate Experience von Meta HR, Stellenanzeigen.de und Prof. Dr. Peter M. Wald

Für weitere wissenswerte Infos zu dieser Studie verweise ich gerne auf meinen Bloggerkollegen Christoph Athanas.

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Anschreiben, Zeugnisse und Bewerbungsfotos – klare Vorgaben der Personaler

Individuelle Anschreiben und Zeugnisse bleiben für die Teilnehmer der Fokusgruppe weiter höchst relevant: „Als Zeichen dafür, dass die Bewerber sich auch Mühe gegeben haben und tatsächlich zu uns ins Unternehmen wollen.“. –  Ich hoffe, dass Ihnen die Anführungszeichen zur Kennzeichnung des vorangestellten Zitats ausgefallen sind. Kommentieren möchte ich das nicht, aber Sie vielleicht…?

Für die Diskussion zur Professionalität eines Bewerbungsfotos, das natürlich keinesfalls ein Selfie sein darf, verweise ich gerne auf meinen sehr kritischen Impuls-Artikel dazu.

Mobile Recruiting leidet weiter – mangels Akzeptanz der Bewerber

Was ist mobile Recruiting? Wie viel davon ist notwendig? Ein mittlerweile ebenfalls klassisches Thema, dem ich erst meinen letzten Beitrag zur Mobile Recruiting Studie von Apriori gewidmet habe.

Auch in dieser Teilnehmerrunde fand sich wieder ein (sehr!) prominentes Beispiel eines gescheiterten Versuchs zur Einführung einer komplett mobilen Bewerbung via Smartphone und Kurzprofil. Gescheitert nicht aus Unvermögen des rekrutierenden Unternehmens. Vielmehr gescheitert mangels Akzeptanz der Bewerber.

Fazit

Ein spannender Tag, bei dem ich wieder wertvolles Wissen aus anderen Unternehmen mitnehmen konnte, fand seinen Ausklang über den Dächern von München.

Persoblogger Stefan Scheller München
Persoblogger Stefan Scheller beim Veranstaltungsausklang über den Dächern von München

Entgegen vieler Studien und Beschwörungen in Medien („Print ist tot“, „Mobile Komplettbewerbungen sind des große Ding 2014“ usw.) ist es immer wieder schön mit Personalern zusammen zu kommen, die nicht zu tief in der von Robindro Ullah so genannten „HR-Suppe“ schwimmen und teilweise komplett andere Erfahrungen aus ihrem Alltag berichten. Das schärft den Blick für die Realität. Und das ist für einen kritischen Blogger wie mich besonders wichtig und wertvoll.

Das Networking war daher vielversprechend. Dazu eine sehr sympathische Truppe von Stellenanzeigen.de, die uns durch den Tag geführt hat – und übrigens selbst gerade händeringend Mitarbeiter sucht!

Ohne eine permanente Verkaufsshow zu veranstalten, hatte ich den Eindruck, dass der Anbieter tatsächlich an der Meinung der Teilnehmer interessiert war. Das spiegelten die oftmals recht überraschten Gesichter der Produkt- und Marketing-Verantwortlichen, die zeigten, dass man das eine oder andere Produkt wohl besser (so) nicht auf den Markt werfen sollte.

Vielen Dank für’s Zuhören und die Einladung nach München!


Stefan Scheller

Autor und Speaker Persoblogger Stefan SchellerMein Name ist Stefan Scheller. In meiner Rolle als Persoblogger und Top HR-Influencer betreibe ich diese Website und das gleichnamige HR Praxisportal. Vielen Dank für das Lesen meiner Beiträge und Hören meines Podcasts Klartext HR!

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