Seit Facebook die Übernahme von Whatsapp Mitte Februar offiziell verlauten ließ, überschlagen sich die Ereignisse. Facebook hat großes Interesse daran, seine gigantische Investition in Höhe von 19 Milliarden Dollar schnellstmöglich wieder zu Geld zu machen. Insofern hat es nicht überrascht, dass schon wenige Tage später ein Ausbau der Whatsapp-Funktionalität in Richtung kostenloser Internet-Telefonie angekündigt wurde. Ein Frontalangriff auf Microsoft, das sich 2011 Skype einverleibt hatte. Letzte Woche kauft Mark Zuckerberg Oculus VR, einen Anbieter für virtuelle Realitäten. Aber damit nicht genug: Zwischenzeitlich sind weitere Informationen im Netz aufgetaucht, wonach Facebook im Rahmen der Zusammenführung beider Plattformen Whatsapp mit einer neuartigen Recruitingfunktion ausstatten will, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt und den Mobile Recruiting Markt revolutionieren könnte.
Wissen ist Macht – auch und vor allem im Recruitingmarkt
Schon heute besitzt Facebook sehr detaillierte Profilinformationen von Nutzern, die sich für Recruitingzwecke nutzen lassen. Zwar gilt nach wie vor die Grundregel: LinkedIn und XING sind Businessplattformen, Facebook ist für Privates. Trotzdem tummeln sich viele Unternehmen auf Facebook mit dem eindeutigen Ansinnen, neben bekanntheitssteigernden Personalmarketingmaßnahmen auch zu Rekrutieren. Anbieter, wie beispielsweise Stepstone, bieten Facebook-Apps für Jobs. Der Nachteil: Bei zunehmender Nutzung von Facebook über Mobilgeräte verschwindet die Lösung via Facebook-App in der Unsichtbarkeit.
Dass die vermeintlich privaten Informationen durchaus hohe Recruitingrelevanz besitzen, haben Wissenschaftler jüngst bewiesen: Sie entwickelten eine Software, die auf Basis der Profilinformationen sowie den interaktiven Facebook-Aktivitäten, wie „gefällt mir“-Klicks, Kommentaren oder auch dem Teilen von Postings, ein ausführliches Persönlichkeitsprofil erstellt.
Diese wird in den USA bereits erfolgreich von Recruitern eingesetzt, um Einstellungsentscheidungen auf eine zusätzliche Faktenbasis zu stellen. Bei mir hat das Tool „YouAreWhatYouLike“ allerdings versagt, weil ich angeblich zu wenige Likes vergeben habe, siehe Screenshot:
Whatsapp liefert die privateren Informationen hinzu
Während der Großteil der Informationen auf Facebook bewusst (zumindest für einen Teil der Nutzer, meist die vernetzten Facebook-Freunde) freigegeben wird, ist die Kommunikation via Whatsapp um ein Vielfaches privater und persönlicher. Insbesondere überwiegt die 1:1-Kommunikation.
Im Zeitalter von Big Data lassen sich anhand der Whatsapp-Kommunikation jedoch weitere wertvolle Bausteine für das Profil von Facebook-Nutzern finden und nutzen. Die Zusammenführung ist denkbar einfach, da viele Nutzer bereits heute aus Sicherheitsgründen ihre Handynummer in Facebook hinterlegt haben.
Mittels hochintelligenter Algorithmen lässt sich die Whatsapp-Kommunikation systematisch auswerten. Spricht ein Teilnehmer beispielsweise schlecht über seinen Chef oder sein Unternehmen und verwendet entsprechende Smileys, kann von einer akuten Jobwechselwilligkeit ausgegangen werden. Die mobile Ortung via GPS sowie Ortsangaben in Facebook geben Auskunft darüber, wie reisewillig der Nutzer ist. Leben Eltern oder Freunde an einem bestimmten Ort, könnte dies ein präferierter Ort für eine neue Stelle sein.
Whatsapp bringt Unternehmen und Bewerber zusammen
Zukünftig sollen Unternehmen Jobs direkt an wechselwillige Whatsapp-Nutzer herantragen können. Entweder via Pushmeldung direkt auf das Display oder etwas dezenter zwischen die neusten Chats. Dabei soll ein sehr feines Targeting möglich sein, weil die zur Auswertung zur Verfügung stehende Datenbasis sehr dicht ist.
Whatsapp bringt den Durchbruch in die mobile Bewerbung
Seit einigen Jahren redet die HR-Szene vom neuen Megatrend Mobile Recruiting. Gleichzeitig sind laut Mobile Recruiting Studie 2013 sowohl die Unternehmen als auch die Bewerber noch sehr verhalten, wenn es um den Siegeszug dieser neuen prozessualen Bewerbungsvariante geht. Hauptproblem ist der entstehende Medienbruch, wenn sich Jobinteressenten auf eine mobil via Smartphone gelesene Stelle tatsächlich bewerben wollen. Nur in den seltensten Fällen haben die Nutzer ihre Bewerbungsunterlagen auf dem Handy gespeichert. Umgekehrt akzeptieren deutsche Unternehmen in der Breite noch keine Bewerbungen via Link zum XING-Profil.
Das könnte sich mit den geplanten Whatsapp-Erweiterungen schlagartig ändern. Denn der Instantmessenger erhält einen weiteren Hauptmenüpunkt, dessen aktueller Arbeitsname „Business-Profil“ lautet.
Dort kann der Nutzer die für eine mobile Bewerbung notwendigen Unterlagen hinterlegen. Dies kann via Facebook-Datenimport erfolgen, ergänzend durch Hinterlegung von Dokumenten direkt in der App. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Nutzer eine dritte Variante bevorzugen werden: Die Bestückung des Profils am heimischen PC.
Gespeichert werden die Daten auf den Cloudservern einer eigens hierfür von Facebook gegründeten „Facebook-Whatsapp Recruiting Ltd.“ mit Sitz in, na klar, Irland. Ähnlich arbeitet eine bereits in Australien und Asien sehr populäre App namens ZIMM.
*** Ankündigung: In Kürze gibt es zu ZIMM einen eigenen Bericht auf Persoblogger.de sowie ein Interview mit dem Macher und Eigner der App. Ende der Werbepause ***
Der Recruitingprozess via Whatsapp
Der geplante mobile Bewerbungsprozess via Whatsapp sieht folgendermaßen aus:
Nach der einmaligen Bestückung des Whatsapp-Profils mit den erforderlichen Daten, steht der mobilen Bewerbung nichts mehr im Wege. Dies geschieht via One-Click-Datenübertragung in die Bewerbermanagementsysteme der Unternehmen. Zusammen mit der Buchung von mobilen Jobanzeigen auf Whatsapp erhalten die Kunden eine standardisierte Schnittstellenbeschreibung, so dass der Import analog dem Datentransfer aus XING-Profilen ablaufen sollte.
Hinsichtlich des Preissystems für die neuen Dienstleistungen schweigt sich Facebook derzeit noch aus. Ein mit klassischen Facebook-Ads vergleichbares Preissystem halte ich jedoch für wahrscheinlich.
Datenschutz oder freies Rekrutieren – wo steht HR?
Viel spannender jedoch werden die wieder neu aufflammenden Diskussionen zum Thema Datenschutz in Deutschland werden. Auch ich hatte nach dem Kauf von Whatsapp durch Facebook meine Kommunikation auf Threema, einen verschlüsselt kommunizierenden Messenger, umgestellt, was ich schon länger vorhatte. Ein großer Teil meiner mobilen Kommunikationspartner ist dem gefolgt, so dass die für einen erfolgreichen Ausstieg aus Whatsapp notwendige „kritische Masse“ erreicht wurde.
Mit den neuen Funktionen kommt Whatsapp jetzt mit einem Paukenschlag zurück. Es bleibt abzuwarten, ob bzw. wie die neuen Möglichkeiten vom deutschen Markt angenommen werden …
(Stand der Informationen: 1. April 2014)
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YouAreWhatYouLike – soll das wirklich funktionieren? In Europa???
In den USA werden Schnapsflaschen in braune Tüten gewickelt, damit man sie nicht von einer Flasche Shampoo unterscheiden kann. Ist das bigott oder effizient? Dahinter, wie auch hinter dem Ausleuchten von publiziertem Privatleben, steckt eine ganz eigene Mentalität. In Mitteleuropa finde ich die nicht. Ein Recruiter, der einen offensichtlich ideal passenden Kandidaten wegen Facebook-Fotos verwirft, kenne ich nicht. Ich würde es auch nicht tun.
YAWYL funktioniert nur im Selbsttest, auf Fremdprofile bezogen habe ich es bis jetzt nirgendwo gesehen. Oder habe ich das nur übersehen?
Vielen Dank, liebe Rita Seidel, für die kritische Anmerkung. Ich sehe das ganz ähnlich. Nur weil etwas in Amerika getan wird, heißt das nicht, dass es auch auf dem europäischen Markt bzw. gar in Deutschland funktioniert. Und ohne die Einwilligung und Freigabe des Bewerbers geht es sowie technisch nicht. Nur wer sagt denn, dass es nicht auch bei uns Unternehmen gibt, für deren Jobs Bewerber bereit wären, sich diesem Verfahren zu unterziehen? Ich kenne zwar noch keines, aber vielleicht findet sich ein solches. Dann stünde ich gerne für ein Interview der verantwortlichen Personaler bereit. Aber wahrscheinlich ist das nur eine Frage der Zeit.
Und ob nicht trotzdem im Hintergrund Tools angewendet werden, um öffentlich zugängliche Bewerber-Profilinformationen in vermeintlich privaten Netzwerken wie Facebook zu scannen, kann keiner sagen. Jedoch die Tatsache, dass die Neufassung deutscher Datenschutzgesetze dieses Thema bereits aufgreift, spricht meines Erachtens für sich.
Ich befürchte Stefan, du wirst mit deinem Kommentar Recht behalten. Die Vergangenheit zeigte ja ähnliche Phänomene.
„Da darf man umgekehrt die Frage tatsächlich stellen, ob nicht das Streuen der eigenen Bewerbungsunterlagen sogar sinnvoll sein kann oder gewollt ist.“
Das weckt wieder ein wenig den Entrepreneur in mir, denn wenn das mal nicht wieder ein neuer Consultant/Trainer-Zweig wird. Wie streue ich strategisch die wichtigen Infos im Netz von mir, damit ich von Personalern gut gefunden werde. Da ist nicht mehr Xing/Linkedin die Businessplattform sondern das Ganze Netz wird zu einer.
Muss ich mal drüber nachdenken, was man da machen kann. 🙂
Dafür gibt es schon länger einen Begriff: Online Reputation Management. Der Markt boomt bereits.
Verdammt 🙂 Dass einem aber auch schon am frühen Morgen die Träume geraubt werden.
🙂
Ein sehr ausführlicher Aprilscherz. Oder eine ernstgemeinte Bewerbung als Produktmanager bei Facebook, Herr Scheller? 😉
Sollte dieses Szenario irgendwann mal Realität werden, wäre ich jedenfalls sofort weg von FB. Whatsapp habe ich zum Glück noch nie genutzt.
Kleine Vorankündigung: Demnächst kommt Absolventa Jobnet in Kooperation mit dem Institut für Personalwirtschaft der LMU München mit einer neuen Studie zum Mobile Recruiting heraus. Bei Interesse gerne bei mir melden!
An der Studie bin ich selbstverständlich sehr interessiert, vielen Dank für das Angebot!
hmm, Julia. Interessanter Ansatz. Das wäre aber viel Aufwand gewesen und ein excellente Vorlage für FB 🙂
„(Stand der Informationen: 1. April 2014)“
Hehe 😉
Naja, Anne, wie man es nimmt: http://persoblogger.wordpress.com/2014/04/02/big-data-im-mobile-recruiting-angstgebilde-oder-jobchance/
Danke für den Beitrag, würde das Thema jedoch noch etwas kritischer sehen, als es im letzten Absatz bekundet wurde. Da ich zum einen Recruiter bin, das aber auch bei einem Anbieter für Sicherheitssoftware, komme ich täglich mit dem Thema Datenschutz und der Sensibilität der Menschen was diesen Punkt angeht in Berührung. Ich mag mich, was die anti-euphorische Haltung gegenüber der Übernahme von WhatsApp angeht irren, aber die Menschen achten immer mehr auf ihre Daten. Das betrefft neben vielen anderen Bereichen auch FB und WhatsApp. Seit Tagen ist ein Pendant von WhatsApp mit Nachrichtenverschlüsselung auf Platz 1 der App-Charts (der Autor weist selbst darauf hin).
Was ich damit sagen will ist, dass ich noch daran zweifele, ob die Leute diese Form von Bewerbung nutzen werden/ihre Daten bei allen möglichen Plattformen hinterlegen. Was ich mag (like) oder welche Bilder ich poste, mag das eine sein. Dort zu hinterlegen, wo ich wohne, arbeite und wie mein familiärer und beruflicher Status ist, ist etwas anderes. Auch wenn ich mir meine Arbeit leibend gern durch solche Apps erleichtern wollen würde, halte ich es für schwierig, vor allem bei andauernder Aufdeckung diverser Abhörskandale und Spionage-Viren, die vor allem BigData-Companies angreifen. Das wird zweifelsohne nicht die Auswertungswut unserer vorhandenen Daten im Netz bremsen, dennoch glaub ich, dass es damit bei Jobvorschlägen in diesem Medium bleibt und dass die Bewerbung selbst dann doch weiterhin per Mail oder im schlimmsten Fall per Brief erfolgen wird. 🙂 Bitte korrigiert mich…
Vielen Dank für die kritischen Worte. Auf den ersten Blick ist es tatsächlich so, dass sich die Menschen nach den Veröffentlichungen im Zusammenhang mit den NSA-Skandalen mehr Gedanken über Datenschutz und Datensicherheit machen. Auf den zweiten Blick gilt trotzdem für die meisten „Business as usual“. Das Hinterlegen von Wohnort und familiärem Status mag für den einen ein mutiger Schritt sein. Zahlreiche der mir bekannten Vertreter der Generation Y jedoch posten darüber hinaus noch wesentlich intimere Details aus dem Privatleben mit öffentlicher Sichtbarkeit auf ihrem Profil. Da ist das Partybild von Samstagnacht noch die vollkommen harmlose Variante.
Und wie viele Technikfans messen schon heute mit Smartdevices ihre Körperfunktionen und speichern ihre Ergebnisse auf den Servern von App-Anbietern ab, die sie nicht im Geringsten einschätzen können. Via GPS und Foursquare-CheckIn ist jeder Schritt nachvollziehbar, jede Mahlzeit im Foto erfasst.
Da darf man umgekehrt die Frage tatsächlich stellen, ob nicht das Streuen der eigenen Bewerbungsunterlagen sogar sinnvoll sein kann oder gewollt ist.
Oder aber man kommt gar zu dem Ergebnis, dass derjenige, der diese Daten unbedingt haben will, sie eh bekommen kann mit den Möglichkeiten moderner Trojaner oder sonstiger Ausspähmechanismen.
Daher glaube ich, dass in solchen Apps tatsächlich die Zukunft liegt. Nicht weil sie das Beste sind, was der Markt zu bieten hat. Sondern weil sie die Prozesse, auf die es ankommt (Bewerber und Unternehmen zusammen zu bringen) vereinfachen. Den Rest werden die Menschen in Kauf nehmen, beziehungsweise werden diejenigen, die es tun, den anderen sogar den berühmten „Schritt voraus sein“, weil sie sich aus der Unsichtbarkeit des Marktes clever herausheben.
Wenn das mal kein schön aufbereiteter Aprilscherz ist 😀
Der Beitrag ist viel näher an der Wahrheit als am Aprilscherz: http://persoblogger.wordpress.com/2014/04/02/big-data-im-mobile-recruiting-angstgebilde-oder-jobchance/
Sehr informativ ! Danke !
Sehr gerne, Frau Nägele. Der Folgebeitrag mit einigen Erklärungen zum gestrigen Blog ist eben online gegangen.
Wow, das ist echt mal ne Neuerung. Besten Dank für die Info und den tollen Beitrag. Bleibt abzuwarten, wann und ob es auch für Deutschland kommt und wie es von den potenziellen Kandidaten genutzt wird. Ich persönlich denke, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis sich eine große Menge von Unternehmen und Kandidaten wirklich intensiv hiermit auseinandersetzen werden. Denn, wie im Artikel geschrieben, ist das Mobil-Recruiting in Deutschland noch in den Kinderschuhen.
Danke für diese informative Übersicht.
Immer gerne. Weitere informative Beiträge zum Mobile Recruiting sind bereits am Entstehen.