Besetzte Stellen auf XING

Der eigene Job in der Stellenbörse – als besetzt markiert

Es klingt ein wenig verrückt, wird aber gerade als Funktion auf einer großen Jobbörse getestet: Das aktive Anbieten von aktuell besetzten Stellen, mit der Möglichkeit, sich bei Freiwerden direkt zu bewerben. Dazu ein Foto und ein prominenter Link zum Social-Media-Profil der Person, die diese Stelle gerade innehat, natürlich mit direkter Kontaktmöglichkeit.

Was dahinter steckt und warum die Idee Potenzial hat, erfahren Sie in meinem aktuellen Testbericht.

XING ist tot? – Nein, nur anders

Wenn Sie jetzt schon aufhören wollen zu lesen, weil Sie der Ansicht sind, dass XING längst „tot“ sei: Nein. Das Netzwerk hat sich nur davon verabschiedet als europäischer Gegenentwurf zur Social Media Plattform LinkedIn an den Start zu gehen.

Stattdessen fokussiert XING komplett auf das Thema Jobsuche. Neben typischen Elementen einer Stellenbörse auch mit weiteren Funktionen rund um die neue Organisationsform „Job-Netzwerk“.

Beta: besetzte Jobs im Angebot

Eine Funktion davon wird gerade in der Beta-Version getestet und erzeugt sehr widersprüchliche Reaktionen. Worum geht es genau?

Mit dem ungewöhnlichen Service bietet XING die Möglichkeit, auch besetzte Stellen kennenzulernen. Sie finden also möglicherweise dabei auch Ihre eigene Position wieder, mit dem Hinweis „Stelle ist derzeit besetzt“.

Was fast ein wenig nach FOMO oder dem berühmten „künstlichen Verknappungseffekt“ klingt, hat durchaus interessante Aspekte.

Worum geht es?

XING: besetzte Jobs finden
Quelle: Screenshot XING Job-Netzwerk Startseite

Verfügbarkeit von Stellen immer häufiger Glückssache

Man könnte meinen, dass Stellenbörsen lediglich tatsächlich ausgeschriebene, mithin offene Stellen im Angebot haben. Die Fake-Ausschreibungen, die einige unseriöse Personaldienstleister daruntermischen, um weitere Profile für die eigene Kandidaten-Datenbank zu generieren, mal komplett weggelassen.

Allerdings ist das nicht korrekt: Um die Anzahl an verfügbaren Stellen nach oben zu pushen, werden schon seit mehreren Jahren Jobanzeigen aus dem Internet (von anderen Stellenbörsen oder Karriereseiten) systematisch gecrawlt und automatisch in den eigenen Datenpool überführt. Damit können sich Plattformen wie Indeed oder XING damit rühmen „alle“ Jobs anzubieten.

Das Problem dabei: durch das Crawlen werden Jobs in die Datenbanken der Stellenbörsen übernommen, die dort nie gebucht wurden. Allerdings werden die Informationen bei Besetzung jener Stellen teilweise nur sehr zeitverzögert oder bei manchen Anbietern gefühlt überhaupt nicht aktualisiert.

Die Folge sind Bewerbungsversuche auf Stellen, die gar nicht mehr verfügbar sind. Perfektioniert hatte dieses für Bewerbende unleidliche Spiel glassdoor, das amerikanische kununu-Pendant, wie ich seit 2015 immer wieder testen konnte.

Und jetzt also auch noch bewusst besetzte Jobs auf XING?

Ganzheitliche Betrachtung des Jobmarkts

Auf einer Plattform den gesamten Jobmarkt rund um die Passung zum eigenen Profil zu finden, ist erstmal eine interessante Idee.

So bietet XING jetzt die Möglichkeit, auch Jobs kennenzulernen, die zum eigenen Profil passen. Im Tinder-Style können diese Jobs dann per Swipe bewertet werden als interessant oder nicht interessant.

XING Vorschlag: People Managerin
Quelle: Screenshot XING Job-Vorschläge

Das neue daran: die angezeigten Jobs – oder genauer gesagt, deren „Stellenbezeichnungen“ (bzw. „Rollen“ wie sie von XING genannt werden) sind gekennzeichnet mit „Dieser Job ist aktuell vergeben“. Eine sofortige Bewerbung ist also gar nicht möglich.

Es wird aber angeboten, sich einen Alert einzurichten durch die Aktivierung des Glockensymbols. Sollte die Stelle einmal ausgeschrieben sein, werden Jobsuchende in Lauerstellung informiert. Soweit die Theorie.

XING selbst formuliert es auf meine Nachfrage so:

„Ziel ist es, potenzielle Kandidaten auf Jobs hinzuweisen, die zwar aktuell besetzt sind, aber ggf. künftig von Interesse sein können. Wenn ein interessanter Job angezeigt wird, kann man durch den Klick auf ein Glockensymbol sein Interesse für diesen Job signalisieren. Je häufiger man die Glocke betätigt, desto besser lernt der Algorithmus aus den individuellen Präferenzen und zeigt in Zukunft auch Jobs an, die ähnlich bzw. artverwandt sind.“

XING-Profile Dritter geraten in den Fokus

Möglicherweise irritierend kann es wirken, dass die aktuellen Stelleninhaber:innen mit ihrem XING-Profilbild angezeigt werden und damit in den Fokus der Aufmerksamkeit der Jobsuchenden geraten.

Zu wissen, wer den vermeintlichen Traumjob besetzt, kann zu den unterschiedlichsten Reaktionen führen – je nachdem, wie Menschen mit dieser Botschaft umgehen. Unabhängig davon, wurden die Stelleninhaber:innen vermutlich nicht informiert darüber, dass man „ihren“ Job gerade anderen Jobsuchenden als Option anbietet. Das führt dazu, dass Menschen „aufgeschreckt“ werden und dazu via Social Media posten oder Fragen stellen, was hier gerade passiert.

So war es auch bei mir, als ich auf LinkedIn aus einem Posting von der neuen Funktion erfahren habe. Grund genug, am Wochenende den Selbsttest zu machen und diesen Artikel zu schreiben.

XING meint dazu auf meine Rückfrage:

„Es geht nicht darum, Druck auf aktuelle Stelleninhaber auszuüben, sondern darum, XING Nutzer*innen neue und erweiterte Karrieremöglichkeiten aufzuzeigen oder auch Ziele ihrer individuellen beruflichen Weiterentwicklung zu präsentieren. Die Funktionalität hat außerdem das Potential, die Welt des Recruitings fundamental zu verändern. Menschen und Stellen können so zusammengebracht werden, schon bevor die Stelle überhaupt (nach-)besetzt werden muss.“

Was ist davon zu halten?

Bei meinen Artikeln und Bewertungen hier auf meinem HR-Portal versuche ich mich immer einer ganzheitlichen Betrachtungsweise zu nähern. Daher stelle ich nachfolgend sowohl Pro- als auch Contra-Punkte dar.

Den gesamten Jobmarkt im Blick

Positiv bewerten kann man den Versuch von XING, Jobsuchenden den gesamten Jobmarkt sichtbar und tendenziell zugänglich zu machen. Allerdings ist das eine eher oberflächliche Betrachtungsweise. Denn über die Jobs selbst erfährt man wenig. Einzig die Jobbezeichnung wird (vermutlich dem Eintrag aus dem XING-Profil) entnommen.

Dass es bei größeren Unternehmen „HR Business Partner“ oder auch „Sales Representatives“ gibt, dürfte hingegen erst einmal wenig informativ, da nicht überraschend sein.

Allerdings bietet die Alert-Funktion eine Möglichkeit, den Fokus auf gewisse Jobrollen zu legen und den XING-Suchalgorithmus damit zu trainieren.

Zusammenhang zwischen Stellentitel und konkretem Job fraglich

Ob XING tatsächlich sein Versprechen wahr machen kann, das „Freiwerden“ der angezeigten Stelle über eine Benachrichtigung mitzuteilen, wird sich zeigen. Auch stelle ich mir die Frage, ob tatsächlich geprüft werden kann, ob nicht eine andere Stelle im gleichen Unternehmen mit eben jener oder einer stark vergleichbaren Jobbezeichnung schon ausgeschrieben ist, von der der XING-Algorithmus nur nichts weiß.

Insofern ist das Ergebnis vermutlich vor allem eine Frage der Ausgereiftheit der Technologie. In jedem Fall wird es spannend sein die Ergebnisse zu beobachten.

Aktuelle Stelleninhaber kontaktieren

Generell ist es ein spannender Gedanke, über die neue XING-Funktion, Menschen zu finden, die im Wunschunternehmen schon eine vergleichbare Jobrolle ausfüllen, passend zum eigenen Wunschjob. Positiv betrachtet, hätte man damit die Chance, auf die angezeigte Person zuzugehen, um sie zu fragen, ob im Unternehmen nicht gerade vergleichbare Positionen frei sind, bzw. um sich über den Job und das Unternehmen als Arbeitgeber zu informieren.

Dabei schießen mir sofort ein paar Fragen in den Kopf:

  • Möchten diese Personen eine (so unverhoffte) Kontaktaufnahme tatsächlich? Was können Betroffene tun, wenn sie damit nicht einverstanden sind?
  • Sind präsentierte Personen außerhalb der HR-Rollen überhaupt interessiert daran, dass sie jemand mit Jobinteresse anschreibt?
  • Nutzen sie ihr XING-Profil so aktiv, dass sie eine Benachrichtigung oder gar Kontaktaufnahme überhaupt mitbekommen?
  • Ist insbesondere die Tinder-Mechanik aufgrund der stark via Profilfoto in den Fokus gesetzten Personen hilfreich oder eher störend? Ich denke hier unter anderem an die stark emotional geführte Diskussion auf LinkedIn, bei der sich vorwiegend Nutzerinnen darüber beschweren, dass Männer „verbal übergriffig“ werden und den Business-Charakter der Plattform in Richtung „Dating“ verschieben

Skill-Matching

Der Algorithmus scheint vor allem solche Jobs vorzuschlagen, die dem eigenen XING-Profil bestmöglich entsprechen. Das ist bei zahlreichen höchst unterschiedlichen Arten von Jobs vermutlich nicht immer ganz einfach. So wurden mir durch XING in den letzten Jahren immer wieder die wildesten Jobs vorgeschlagen, inkl. Lager- und Logistikleiter, Praktikant in einer Werkskantine oder auch Apothekenhelfer.

Die Herausforderung, wirklich passende Jobs auf den neuen Job-Cards vorzuschlagen, dürfte zudem davon abhängen, wie viele Fähigkeiten man selbst in seinem XING-Profil angegeben hat.

XING Job-Vorschlag Employer Branding Manager
Quelle: Screenshot XING Job-Vorschlag

Ebenfalls eine Herausforderung: Was weiß der XING-Algorithmus über die tatsächlich in diesem Job erforderlichen Skills und Fähigkeiten?

Sollten diese Stellen einmal als Anzeige entweder bei XING ausgeschrieben worden sein oder solche Stellen durch XING gecrawlt worden sein, mag die Sache natürlich deutlich anders aussehen. Aber sonst?

Mir wurden beim Skill-Matching für einen HR-Job oft nur 2 von 17 passenden Fähigkeiten attestiert. Generell fehlten fast immer mehr als 50% zur perfekten Passung – selbst bei Employer Branding Managern.

OK zugegeben, was weiß ICH schon von Employer Branding … 😉

Mein Fazit zur neuen XING Funktion

Auf den ersten Blick war ich irritiert, sowohl über den vermeintlich fehlenden Mehrwert als auch die Umsetzung des neuen XING Features.

Feedback an XING
Quelle: Screenshot neue XING Funktion Job-Vorschläge

Bei genauerem Hinsehen, Recherchieren und Ausprobieren fand ich eine solche Funktion durchaus interessant. Denn die grafisch animierten Job-Cards könnten tatsächlich als Inspiration dienen, ein ganz neues Unternehmen als Arbeitgeber in Betracht zu ziehen.

Das Potenzial ist da. Und wie so oft kann man die konkrete Umsetzung kritisieren oder auch nicht. In einer Beta-Version ist ohnehin noch viel Veränderung möglich.

Deshalb möchte XING nach jedem Durchlauf von 40 Vorschlägen auch Feedback haben.

Eine Idee von mir an die Macher bei XING: Bietet einen kununu-Score-Filter an, so dass nur entsprechend bewertete Unternehmen vorgeschlagen werden. Denn bei einigen der vorgeschlagenen Unternehmen hätte ich mich allein aus diesem Grund nicht bewerben wollen.

 

In Summe hat es mir als nicht aktiv Jobsuchendem trotzdem Spaß gemacht, mich mal mit den vielfältigen Möglichkeiten auf dem XING Job-Netzwerk zu beschäftigen.

Wie sehen Sie das Potential einer solchen Funktion?

Stefan Scheller

Autor und Speaker Persoblogger Stefan SchellerMein Name ist Stefan Scheller. In meiner Rolle als Persoblogger und Top HR-Influencer betreibe ich diese Website und das gleichnamige HR Praxisportal. Vielen Dank für das Lesen meiner Beiträge und Hören meines Podcasts Klartext HR!

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