Das Berufsleben besteht aus einer endlosen Reihe von Weiterbildungen, neuen Tools und Trainings. Von der Schule über das Studium, eine Sprachreise nach Brighton oder ein Traineeprogramm bis hin zu Sprachkursen mit Tools wie Duolingo oder Babbel, Digital Adoption Platforms wie WalkMe für die Einführung neuer Software oder Micro-Credentials über Lernplattformen wie Pluralsight oder Degreed.
Was oft als lästig empfunden wird, ist aber in Wahrheit essenziell: Kontinuierliches Lernen und ein Growth Mindset müssen zur DNA jedes Unternehmens und eines jeden Mitarbeitenden gehören. Nur so lassen sich die Skills Gap und der demografische Wandel meistern. Unternehmen, die kontinuierliches Lernen fest in ihrer Kultur verankern, sichern sich nicht nur ihre Zukunft, sondern machen sich attraktiv für Mitarbeitende und stärken den Standort Deutschland, sagt Gastautor Jan Meyer, SAP.
Herausforderung demografischer Wandel
Der demografische Wandel stellt den Arbeitsmarkt vor große Herausforderungen. Die Generation der Babyboomer geht in den kommenden Jahren vermehrt in den Ruhestand. Eine Studie der Techniker Krankenkasse (TK) zeigt, dass ein Drittel der Erwerbstätigen über 50 sogar vorzeitig aus dem Berufsleben aussteigen möchte.
Dabei stellen ältere Beschäftigte eine wertvolle Ressource dar. Sie verfügen über umfangreiche Berufserfahrung, ein starkes Netzwerk und sind in vielen Fällen seit Jahren in ihren Positionen etabliert. Die Notwendigkeit, diese Gruppe zu fördern und länger im Unternehmen zu halten, wird von vielen Arbeitgebern erkannt.
Denn Unternehmen müssen ihren Mitarbeitenden kontinuierliches Lernen zeitlebens anbieten, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Doch es gibt Luft nach oben.
Das Beschäftigungspotenzial Älterer
Der Mangel an Fachkräften in Deutschland ist nicht nur ein temporäres Phänomen, sondern ein strukturelles Problem, das sich in den kommenden Jahren noch verschärfen wird. Laut Bundesagentur für Arbeit fehlen in vielen Branchen bereits mehrere hunderttausend Fachkräfte. Besonders betroffen sind die IT-Branche, das Gesundheitswesen, aber auch das Handwerk und die Industrie.
Die Beschäftigung Älterer kann hier einen entscheidenden Unterschied machen. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung kommt zu dem Schluss, dass sich in Deutschland bis zum Jahr 2035 die Arbeitskraft von 1,36 Millionen Vollzeittätigen aktivieren ließe, wenn die Erwerbsquote in der Altersgruppe der 55- bis 70-Jährigen auf ein Niveau gesteigert würde, wie es heute bereits in Schweden existiert. Damit ließe sich der demografisch bedingte Rückgang nahezu ausgleichen.
Um dies zu erreichen, wird in der Studie ein Bündel an Maßnahmen empfohlen, zu dem neben finanziellen, arbeitsrechtlichen und gesundheitlichen Aspekten auch die gezielte Investition in berufliche Weiterbildungsmaßnahmen für ältere Beschäftigte gehört.
Vor diesem Hintergrund können es sich Unternehmen nicht leisten, auf erfahrene und gut qualifizierte Mitarbeitende zu verzichten. Die Anzahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter wird weiter abnehmen, während die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften steigt. Ein einfaches Rezept, um dieser Entwicklung zu begegnen, gibt es nicht – doch kontinuierliches Lernen ist eine der vielversprechendsten Strategien.
Offenheit als Erfolgsfaktor
Gerade in einer zunehmend digitalisierten und globalisierten Arbeitswelt ist die kontinuierliche Kompetenzentwicklung entscheidender denn je. Es ist jedoch nur dann erfolgreich, wenn Mitarbeitende auch bereit sind, sich beständig weiterzuentwickeln. Nur wer am Puls der Zeit bleibt und sich Neuem nicht verschließt, bleibt auch jenseits der 50 attraktiv für den Arbeitsmarkt.
Laut der TK-Studie gaben 77% der Personalverantwortlichen an, dass die Bindung von älteren Beschäftigten in den kommenden Jahren von großer Bedeutung sein wird. Doch diese Bindung muss gelernt sein. Um den Fachkräftemangel zu bewältigen, müssen Arbeitgeber mehr Maßnahmen ergreifen, um ältere Mitarbeitende länger im Beruf zu halten.
Flexiblere Arbeitszeiten, eine wertschätzende Unternehmenskultur und eine bessere Gesundheitsförderung sind entscheidende Faktoren. Unternehmen, die auf diese Bedürfnisse eingehen, können die wertvolle Erfahrung und das Wissen der Generation 50+ für sich nutzen.
Wichtig ist aber auch, dass das Management nicht Wasser predigt, aber Wein trinkt. Führungskräfte müssen mit gutem Beispiel vorangehen – denn nur das ist konsequente Leadership. Lernen, weiterbilden, besser werden: das sollte zudem bei jedem Mitarbeiter-Gespräch ein zentrales Thema sein.
Erfahrene Mitarbeitende sind unverzichtbar
Kontinuierliches Lernen bedeutet, dass Mitarbeitende fortlaufend neue Skills entwickeln und einsetzen, um den Anforderungen des sich wandelnden Arbeitsmarkts gerecht zu werden. Dabei geht es nicht nur darum, bestehende Fähigkeiten zu verbessern, sondern auch neue Kompetenzen zu entwickeln, die den Anforderungen der Zukunft oder der sich ständig verbessernden Technologie entsprechen.
Besonders relevant wird dies im Kontext von Digitalisierung und Automatisierung. Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen übernehmen zukünftig zahlreiche Arbeitsprozesse, was den Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften in diesen Bereichen steigen lässt. Es geht jedoch nicht nur um technische Kenntnisse – gerade, wenn immer mehr technische Aufgaben von der KI übernommen werden, gewinnen soziale Kompetenzen wie Kommunikation, Teamarbeit und Führung an Bedeutung, da sie den Menschen von der Maschine unterscheiden.
Fortbildung für alle Altersgruppen
Ein häufiger Fehler, der in Unternehmen gemacht wird, ist der alleinige Fokus auf die Weiterbildung junger Mitarbeitender. Während die Förderung von Berufseinsteigern und jüngeren Fachkräften zweifelsohne wichtig ist, darf es hierbei keine Altersdiskriminierung geben. Ältere Mitarbeitende müssen ebenso wie jüngere kontinuierlich lernen und neue Fähigkeiten und Kompetenzen entwickeln.
Gerade ältere Beschäftigte bringen wertvolle Erfahrungen und Branchenkenntnisse mit, die in vielen Bereichen nicht einfach durch jüngere Mitarbeitende ersetzt werden können. Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, auch für diese Altersgruppe attraktive Weiterbildungsangebote zu schaffen. Das Verständnis, dass Lernen im Alter genauso wichtig ist wie in jungen Jahren, muss weiter in den Vordergrund rücken. Schulungen und Fortbildungen sollten so gestaltet sein, dass sie alle Altersgruppen ansprechen.
Mehr als nur Seminar und Workshop
Um das Potenzial von kontinuierlichem Lernen auszuschöpfen, benötigen Unternehmen neue Ansätze und kreative Ideen. Es geht schon lange nicht mehr nur um klassische Seminare oder Workshops, sondern um eine Lernkultur, die sich flexibel an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden anpasst.
Es bedarf innovativer und Lerner-zentrischer Lösungen: Anstelle von standardisierten Fortbildungsprogrammen sollten Unternehmen personalisierte Lernpfade anbieten, die auf die spezifischen Bedürfnisse und Interessen des Einzelnen zugeschnitten sind. Auch müssen Unternehmen noch stärker auf Digitalisierung setzen.
Der Einsatz von E-Learning-Tools und digitalen Weiterbildungsplattformen ermöglicht es Mitarbeitenden, zeit- und ortsunabhängig zu lernen und neue Kompetenzen und Fähigkeiten zu entwickeln. Dies fördert nicht nur die Flexibilität, sondern auch einen selbstbestimmten Lernprozess.
Mentoring, Jobrotation und flexible Arbeitszeiten
Darüber hinaus können beispielsweise ältere Mitarbeitende als Mentoren fungieren und ihr Wissen an jüngere Kolleginnen und Kollegen weitergeben. Gleichzeitig können sie selbst von neuen Technologien und Arbeitsmethoden profitieren, an die sie von den jüngeren Generationen herangeführt werden.
Eine weitere Methode ist der regelmäßige Wechsel der Position oder Abteilung. Dadurch können Mitarbeitende neue Fähigkeiten entwickeln und gleichzeitig den Blick für das große Ganze schärfen. Diese Form der Weiterbildung fördert nicht nur das Lernen, sondern erhöht auch die Motivation und Bindung an das Unternehmen.
Neben der Förderung von Weiterbildung sind flexible Arbeitszeiten ein entscheidender Faktor, um lebenslanges Lernen zu ermöglichen. Beschäftigte benötigen genügend Zeit, um sich weiterzubilden, ohne dass darunter zu leiden, dass ihre beruflichen oder privaten Verpflichtungen vernachlässigt werden.
Länger arbeiten statt früher in Rente
Ein flexibles Arbeitszeitmodell bietet Vorteile für beide Seiten: Beschäftigte können ihre Arbeitszeiten individuell anpassen, was zu höherer Motivation und Produktivität führen kann. Gleichzeitig ermöglicht es eine bessere Balance zwischen Beruf und Privatleben, was sich positiv auf Zufriedenheit und Gesundheit auswirken kann.
Ebenso wichtig ist die Schaffung eines unterstützenden Arbeitsumfelds, in dem Weiterbildung gefördert und geschätzt wird. Unternehmen, die eine Kultur des kontinuierlichen Lernens etablieren, in der Fehler als Chancen zur Weiterentwicklung gesehen und der Austausch von Wissen aktiv gefördert werden, legen die Grundlage für langfristigen Erfolg. Eine offene Kommunikation, regelmäßiges Feedback und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen, sind dabei essenziell, um eine solche Lernkultur zu etablieren.
Zusammengefasst lässt sich sagen: Angesichts des demografischen Wandels und des zunehmenden Fachkräftemangels wird es immer wichtiger, dass erfahrene Mitarbeitende länger im Berufsleben bleiben.
Anstatt frühzeitig in den Ruhestand zu gehen, sollten flexible, individuelle und altersgerechte Modelle für das Arbeiten und Lernen im Alter geschaffen werden. So bleibt der Übergang in den Ruhestand gleitend, und erfahrene Mitarbeitende können ihr Wissen und ihre Expertise länger an jüngere Generationen weitergeben.