Returnships - Praxisbeispiele aus dem deutschsprachigen Raum

Returnships: Berufswiedereinsteigende integrieren – Praxisbeispiele

Gastautorin Lia Roth hat bereits in zwei Artikeln das Thema Returnships an die HR-Community vermittelt. Im finalen Teil drei ihrer Reihe gibt sie Einblicke in Praxisbeispiele im deutschsprachigen Raum.

Andere Länder bisher kreativer bei Returnships

Während in Deutschland über Fachkräftemangel gejammert und weiterhin nach der „eierlegenden Wollmilchsau“ gesucht wird, gehen andere Länder kreativer mit der Talent-Suche um. In Großbritannien, zum Beispiel, wurde das Potential von hochqualifizierten Berufswiederkehrern entdeckt, vor allem Müttern.

Im Bewusstsein, dass man ihnen für den Wiedereinstieg eine fachliche und mentale Unterstützung sowie einen mit Familie gut vereinbaren Arbeitsplatz bieten sollte, werden von Arbeitgebern spezielle Programme (sog. Returnships) angeboten, die den Neustart ins Berufsleben vereinfachen und die neuen MitarbeiterInnen gut integrieren sollen. Diese Programme werden zum Teil auch staatlich unterstützt.

Eine Plattform, die dazu ausgiebig informiert, berät und umsetzt ist www.careerreturners.com.

Der Weg von Returnships aus USA/UK über die Schweiz nach Deutschland

Die schon seit über 10 Jahren in USA und Großbritannien angebotenen Returnships als Möglichkeit, hochqualifizierte Talente aus der Stillen Arbeitsmarktreserve zu aktivieren, finden so langsam auch den Weg in den deutschsprachigen Raum. Bei dem steigenden Fachkräftemangel gepaart mit dem demografischen Wandel werden Returnships nun auch endlich hier als vielversprechender Weg gesehen, nicht nur an qualifizierte, sondern auch hoch motivierte Fach- und Führungskräfte zu kommen.

Es bedarf jedoch eines gewissen Commitments und einer innerbetrieblichen Koordination, ein Returnship-Programm aufzusetzen. Das kann von einer aufwendigen Eigenkreation bis über eine Adaption aus einem anderen Land bis hin zu einem Programm für ein ganzes Ökosystem in Form von Partnerschafts-Returnships gehen.

Als Veranschaulichung ein paar aktuelle Returnship-Beispiele:

  1. EMBARK von Accenture
    Ansprechpartnerin: Marine Poylo, Strategy & Consulting Manager in Genf, Schweiz
  2. CreditPath von Fitch
    Ansprechpartnerin Britta Mues-Walter von &ahead Frankfurt
  3. Bring women back to Work (BWBW) powered by Salesforce
    Ansprechpartnerin: Vanessa Gentile, Head of Marketing bei Salesforce in Zürich, Schweiz

Ein Pilotprojekt für den deutschsprachigen Raum: EMBARK von Accenture aus der Schweiz nach Deutschland

Mit EMBARK möchte mit dem Programm neue Talente rekrutieren und  dabei gleichzeitig stereotypische Karrieren hinterfragen. Dieses Programm hilft, in der Unternehmenskultur die Vorstellung einzubringen, dass eine Karriereunterbrechung und flexible Arbeitszeitmodelle nicht schädlich für die Karriere sind.

Indem man Vorbilder hat, ermutigt man andere, unkonventionelle Wege zu gehen und motiviert BewerberInnen, die fühlen könnten, dass ihre Karriereunterbrechung sie daran hindert, nach Senior Positionen zu suchen. „Das erste Mal hatten BewerberInnen keine Scheu davor, über ihre Karriereunterbrechung zu sprechen in einem Interview“, sagt Marine Poylo. „Sie fühlten sich wohl, selbstbewusst und inspiriert durch das Unternehmen“. 

Accenture’s Embark ist ein dreimonatiges Programm, das sich an Frauen mit mindestens fünf Jahren Berufserfahrung (in Tech und/oder Beratung) richtet, die ihre Karriere mindestens für zwei Jahre unterbrochen haben. Es wurde 2022 ausschließlich für die Schweizer Konsumgüter- und Dienstleistungs-Sparte von Accenture entwickelt. Es ist geplant, das Programm auf alle Sparten und in weitere Länder auszuweiten, beginnend mit Deutschland Ende 2023 (Resultate liegen derzeit noch nicht vor).

Über 150 Bewerbungen für die ersten beiden offenen Positionen sind eingegangen. Insgesamt waren es drei Positionen in der Pilotphase. “Dank dieser Herangehensweise haben wir es geschafft, mit vielen Talenten zu sprechen, die wir normalerweise nicht hätten erreichen können”, sagt Marine Poylo.

Von USA nach London nach Frankfurt – das CreditPath Programm von Fitch

In New York im Jahr 2017 als wegweisendes Personalentwicklungsprogramm bei Fitch eingeführt, wurde das CreditPath Programm nach Chicago und London ausgeweitet. Im Sommer 2020 kam CreditPath mit der Unterstützung der Unternehmensberatung &ahead nach Frankfurt. Es handelt sich hierbei um ein bezahltes Vollzeit Praktikum (auch als „Returnship“ bekannt), das für Professionals aus der Finanzdienstleistung, die eine längere Karrierepause hatten, konzipiert ist, um sie beim beruflichen Wiedereinstieg gezielt zu unterstützen.

Das Herzstück des Programms ist ein 10-wöchiges Vollzeit Praktikum. Das speziell zugeschnittene Curriculum findet in einer sehr fördernden und unterstützenden Umgebung statt und wird durch Learning-on-the-job erweitert. Es startet mit einem Boot-Camp, danach werden vertiefende Lerninhalte vermittelt sowie Mentoring und Spezialprojekte angeboten.

 “Bring Women Back to Work” powered by Salesforce – ein europäisches Programm mit Mission

«We hire for attitude and train for skills» ist das Credo des Business Partnership Programms, das Salesforce mit CRM-Trainings sponsort. Das Programm zielt darauf ab, Bewerberinnen anzuziehen, die nicht notwendigerweise einen technischen Background haben, die mindestens ein Jahr aus dem Arbeitsmarkt getreten sind und die 60-80% arbeiten können und wollen.

Mit der Unterstützung von sog. Hiring Partnern, hat Salesforce das Ziel, 8.000 qualifizierte Frauen erfolgreich in den Arbeitsmarkt zu re-integrieren und das über verschiedene Branchen hinweg innerhalb Europas bis 2026. Das Ziel geht über die reinen Zahlen hinaus. Es geht darum, eine Plattform für Frauen, die eine Berufspause eingelegt haben, zu errichten, damit sie in die Arbeitswelt mit Selbstvertrauen zurückkommen und ihre wertvollen Fähigkeiten und Erfahrungen einbringen. Salesforce glaubt daran, eine Arbeitswelt zu kreieren, die nicht nur gender-inklusiv, sondern auch innovativ und divers ist.

Vanessa Gentile gründete „Bring Women Back to Work“ im November 2020 in der Schweiz, bei dem Unternehmen aus dem Salesforce Ökosystem kollaborieren sowohl in Bezug auf Funding, Inhalte des Programms als auch die Rekrutierung der Teilnehmerinnen. Es werden alle 3 Monate ca. 18 Frauen in das Programm aufgenommen und sind 12 Monate lang Teil einer Community, die in Salesforce CRM ausgebildet wird, Workshops zu Themen wie Projekt- oder Nachhaltigkeitsmanagement erhält und von (ehrenamtlichen) Mentoren und Coaches des Ökosystems unterstützt wird.

Im September 2022 wurde das Programm auf Deutschland erweitert. Seitdem wurden 52 Frauen trainiert sowie durch Mentoren und Coaches unterstützt. 57% von ihnen haben eine spannende Aufgabe gefunden und sind eingestellt worden (Stand Februar 2024).

Returnships als Unterstützung für Eltern, die aus ihrem Beruf ausgestiegen sind und wiederkehren möchten

Die genannten Returnship-Beispiele zeigen, dass Unternehmen, die auf fachliches und zum Teil technisches Know-how setzen, bereit sind, in die Fähigkeiten neuer Mitarbeiter zu investieren. Die  genannten Unternehmen stammen alle aus dem anglo-amerikanischen Raum, wo es keine gesetzlich geregelte Elternzeit gibt und somit sehr viele Menschen ihren Job verlieren, wenn sie für die Familie erstmal pausieren. Damit ist die Auswahl an potenziellen Kandidaten für Returnships größer als in Deutschland, was jedoch kein Grund sein sollte, warum Deutschland nicht auch von Returnships profitieren könnte.

Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) „wünschten sich im Jahr 2022 ca. 3 Mio Nichterwerbspersonen im Alter von 15 bis 74 Jahren Arbeit“, davon haben 60% ein mittleres bis höheres Qualifikationsniveau, sprich 1,8 Mio Menschen. Das sind Personen ohne Arbeit, die momentan nicht aktiv nach Arbeit suchen, sich aber trotzdem Arbeit wünschen. Sie gelten deshalb nicht als erwerbslos, sondern das ist die sog. Stille Arbeitsmarktreserve.

Diesen Menschen, die zum größten Teil Frauen sind, würden Returnships Anreiz und Chance zugleich sein, in die Berufswelt wiederzukehren. Bei all den Bemühungen des Female Empowerments wäre dies eine konkrete Maßnahme, die nicht nur empowert, sondern auch konkret „einen Stuhl am Verhandlungstisch“ bietet.

Wann erkennen das auch deutschstämmige Unternehmen?
Bei Fragen und gewünschter Unterstützung schreiben Sie mich gerne an.

Lia Roth

Lia Roth

Lia Roth, Branding und Kommunikationsexpertin mit Transformationskompetenz und Botschafterin für Returnships. Nach einer erfolgreichen 10jährigen Marketing-Karriere in internationalen FMCG-Konzernen hat sie sich während der Schwangerschaft mit ihrem ersten Kind selbständig als Marketing-Beraterin gemacht. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes hat sie entschieden, sich ganz auf die Familie zu konzentrieren.

Als Ex-Managerin und Mutter Ü50 ist ihr Herzenswunsch, dass Arbeitgeber das Potential dieser hochmotivierten Menschengruppe erkennen und berufliche Wiedereinstiege auf Führungsebene ermöglichen.

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