Die Online-Plattform des HR-Startups doQtor will den Bereich betriebliches Gesundheitsmanagement von Arbeitgebern unterstützen. Es bietet ein soziales Hilfesystem, unter anderem mit einem Facharzt-Vermittlungsservice und will zum Fieberthermometer werden, das vor allem bei psychosozialen Belastungen und Stress ein professionelles Clearing auf den Weg bringt. Einblicke in die Denkweise des Startups von Gründer Benjamin Schwarz im Interview mit mir.
Hallo Benjamin, magst Du euer Startup doQtor bitte kurz vorstellen?
Wir sind die doQtor GmbH aus Köln, haben Ende 2020 gegründet und beschäftigen uns im Kern mit den psychosozialen Belastungen und medizinischen Anfragen von MitarbeiterInnen und deren Angehörigen.
Als externer, anonymer Ansprechpartner führen wir ein professionelles Clearing der Lebenssituation durch, vermitteln den Hilfesuchenden anschließend in die lokalen Hilfenetzwerke (soziale und psychologische Fachberatungen, medizinische Einrichtungen) und begleiten ihn bis zur nachhaltigen Lösung der Belastungssituation.
Die Prävention von Langzeiterkrankungen, die pro-aktive Erfüllung der Fürsorgepflicht und die damit einhergehende Positionierung als ein Unternehmen, das seine soziale Verantwortung ernst nimmt, hat einen immensen Wert für unsere Kunden.
Warum es doQtor gibt
Ihr seid bereits vor der Corona-Pandemie gestartet. Was waren Eure persönlichen Trigger, um ein soziales Hilfesystem für Arbeitgeber als Teil des BGM anzubieten?
Ich war eine lange Zeit für einen politischen Unternehmerverband tätig. Im Zuge dieser sehr persönlichen Kontakte zu Unternehmensleitungen, wurde mir immer wieder von der großen Herausforderung im Umgang mit privaten Belastungen von MitarbeiterInnen berichtet.
Zeitgleich waren wir als Gründerteam überzeugt, dass es endlich an der Zeit ist, die Annahme von psychologischer und sozialer Fachberatung zu enttabuisieren und den Hilfesuchenden die bestehenden, tatsächlich ja sehr professionell aufgestellten lokalen Unterstützungsnetzwerke zugänglich zu machen.
Die Auswirkungen der Pandemie haben unsere Entwicklung dann immens beschleunigt. Belastungen, Konflikte und Anfragen aus dem privaten Umfeld sind im großen Stile an die Oberfläche gespült worden, sodass sich Unternehmen dazu und zu psychischer Gesundheit ihrer MitarbeiterInnen allgemein, positionieren müssen.
Wie weit sollten sich Arbeitgeber in den Bereich Gesundheit einbringen?
Werden Services wie Eure Facharzt-Vermittlung nicht von einigen Beschäftigten als „übergriffig“ gesehen? Verbunden mit der Frage: Wie weit muss oder darf die Fürsorgepflicht eines Arbeitgebers in den Bereich Gesundheit überhaupt gehen?
MitarbeiterInnen wollen, dass man sich für ihre privaten und familiären Belastungen interessiert. Sie wollen aber nicht gezwungen sein, persönlich bei Vorgesetzten oder der Unternehmensleitung vorstellig werden zu müssen. Entscheidend für hilfesuchende Beschäftigte ist dabei, dass die Services der doQtor klar als externes und bewusst anonymes Angebot installiert werden.
Der wertschätzenden Unternehmensleitung kommt dabei zusätzlich eine hohe Bedeutung zu. Belegschaften fordern geradezu ein, dass sich Führungskräfte und Unternehmensleitungen für ihre privaten und familiären Belastungen interessieren. In diesem Zuge soll es als Stärke angesehen werden, dass sich Menschen für Hilfe und professionelle Unterstützung öffnen. Es ist also entscheidend, wie „gesunde Führung“ vorgelebt wird.
Funktioniert dies ehrlich und offen, erhalten Unternehmen mit doQtor eine pro-aktive und vor allem präventive Unterstützung für jegliche psychosoziale und medizinische Belastung.
Alle regionalen Partner verfügbar machen
Welche Partner sind in Eurem Netzwerk beteiligt? Spielen die Krankenkassen der Mitarbeitenden eine Rolle dabei?
Wir greifen bewusst auf das gesamte Hilfenetzwerk einer Region zu. In diesem Zuge suchen wir immer die thematisch passendste und zeitlich sinnvollste Fachberatung oder medizinische Einrichtung. Zum Netzwerk gehören somit alle frei verfügbaren Ansprechpartner der sozialen, kirchlichen, öffentlichen und medizinischen Träger.
In Einzelfällen bieten wir den Kontakt zu qualifizierten privaten Anbietern als Ergänzung an. Zunächst haben wir uns gegen eine Kooperation mit Krankenkassen entschieden, um wirklich allen hilfesuchenden MitarbeiterInnen und Angehörigen gleichzeitig und im gleichen Maße Zugang zu schneller und direkter Hilfe bieten zu können.
Möglichst schnell die passenden Partner finden
Wie wählt Ihr Eure Partner aus und was tut Ihr im Bereich Qualitätssicherung der von Euch vermittelten Leistungen?
Für uns ist immer das Ziel, den schnellsten und passendsten lokalen Termin für die Anfragen der Hilfesuchenden zu finden. Dabei ist es uns wichtig, stets verschiedene Varianten von Beratung oder medizinischer Unterstützung anzubieten. Und zu erklären, was den Menschen dort erwartet.
Wir gehen dabei darauf auf die Vorgaben des Hilfesuchenden ein, zum Beispiel, ob die Betroffenen mobil sind, ob in Schichtarbeit tätig ist oder ob der Termin am Wohnort von Angehörigen stattfinden soll. Durch unseren Kontakt zu lokalen Multiplikatoren und Unterstützern innerhalb der Netzwerke erhalten wir eine fundierte Vorqualifikation der Beratungsangebote und Einrichtungen.
Wir vermitteln zu 98% in öffentlich zugängliche Institutionen, sodass die Qualitätssicherung bereits durch staatliche Systeme beginnt. Wir selbst ergänzen dann noch die Rückmeldungen der zuvor vermittelten Menschen und erhalten dadurch ein klares Bild über Qualität und Leistungsumfang.
Themenschwerpunkte wie z.B. familiäre Belastungen
Welche Schwerpunkt-Trends nehmt Ihr gerade wahr? Seht Ihr spezielle Entwicklungen?
Wir erleben eine starke Sensibilisierung von Unternehmen für die Themen familiärer Belastungen und psychischer Gesundheit von MitarbeiterInnen. Im gleichen Zuge werden die Stimmen aus den Belegschaften unüberhörbar laut, die eben auch eine klare Positionierung von Unternehmensleitungen zur psychischen Gesundheit fordern.
Das Wittener Institut für Familienunternehmen hat uns bereits früh bestätigt, das soziale Verantwortung das nächste große Megathema deutscher Familienunternehmen wird.
Daneben ist ebenfalls klar erkennbar, dass gerade junge ArbeitnehmerInnen Wertschätzung in Form von „ernst genommen werden“ von ihrem Arbeitgeber fordern. Gerade für junge Männer scheinen sich die Bedarfe und Lebensumfelder zu ändern. Monetäre Anreize sind nicht mehr das vorrangige Ziel, Familie und sinnstiftende Tätigkeiten LINK laufen dem hohen Gehalt den Rang ab.
Die weiteren Planungen von doQtor
Was plant Ihr als nächstes? Wie entwickelt Ihr Eure Services weiter?
Wir starten zeitnah eine große Kampagne zur psychischen Gesundheit allgemein und über diverse Kanäle. Hier werden die Unternehmensleitungen, als fürsorgende Geschäftsleitungen inszeniert. Genau jetzt ist die Zeit, endlich für eine Enttabuisierung von sozialer und psychologischer Fachberatung zu sorgen. UnternehmerInnen spielen dabei eine entscheidende Rolle.
Ein wichtiger Schritt war bereits die konsequente Digitalisierung unseres Services. Wir sind nun auch via anonymen Chat erreichbar und können über denselben Kanal Facharzttermine und Fachberatungen vermitteln und organisieren.
Der Einsatz unserer Services zeigt bereits nach kurzer Zeit ein klares Bild über die tatsächlichen Belastungen der Belegschaft. Wir werden unsere Kundenunternehmen auch strategisch begleiten und mit uns als „Fieberthermometer“ in hohem Maße bedarfsorientiert, weitere Leistungen ergänzen. Hierzu gehören die ad-hoc Beratung von Führungskräften oder ein innovativer Familienservice.
Vielen Dank für Deine Antworten, Benjamin. Für die Zukunft drücke ich Euch alle Daumen und bin schon sehr gespannt auf die angekündigten Neuerungen.
Über den Interviewten
Benjamin Schwarz ist Gründer und Geschäftsführer der doQtor GmbH aus Köln. Als studierter Medienwissenschaftler ist ihm wichtig, dass die psychische Gesundheit und private Belastungen in Fokus der gesellschaftlichen Diskussion gelangt.
Modernes Unternehmertum spielt für Ihn dabei eine besondere Rolle. Nach einigen Jahren als Mitarbeiter eines führenden deutschen Unternehmerverbands und vielen inspirierenden Gründungs- und Entwicklungsgeschichten, geht er mit seinem Team aus FachberaterInnen eigene Wege.
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