Das HR Startup catchHR will mit konsequenter Nutzung von künstlicher Intelligenz Recruiting deutlich vereinfachen. Zahlreiche Services stehen dabei zur Verfügung, vom automatisierten Active Sourcing bis zur Unterstützung bei der Personalauswahl. CEO Marco Verhoeven stellt sich meinen Fragen dazu im Startup-Interview.
Was bietet catchHR?
Hallo Marco, magst Du Dich und catch bitte kurz vorstellen?
Ich bin Marco Verhoeven, CEO und von catchHR und habe das Start-up 2020 mit Justin Bous (Co-Founder) gegründet. catchHR entstand, als ich noch in der Beratung tätig war und erkannte, dass Personalentscheidungen oft nicht zu den Fähigkeiten und Persönlichkeiten der Bewerber:innen passten.
Dazu kam Justins Erfahrungen im Campus-Recruiting und Persönlichkeitsanalysen und gemeinsam entwickelten wir eine datenbasierte Lösung, die mit Partner:innen wie MALT, Vaillant u.a. validiert wurde, um das Recruiting effizienter und passgenauer zu gestalten. Mit unserer Lösung wollen wir dem Fachkräftemangel den Kampf ansagen.
Active Sourcing im gesamten Internet
Eure catchHR Active Sourcing Engine arbeitet sich durch das gesamte Internet und sucht nach passenden Kandidat:innen. Wie genau kann ich mir das vorstellen?
Wir bringen unzufriedene Talente in Jobs, die sie lieben. Unsere Software aktiviert passive Kandidat:innen (d.h. solche, die gar nicht auf Jobsuche sind) für Unternehmen, indem sie über 600 Online-Quellen nutzt, um passende Talente vollautomatisch zu kontaktieren.
Auf Basis von Persönlichkeitsmerkmalen sprechen wir Menschen an, die gut zu einer Stelle passen könnten und überzeugen sie, sich zu bewerben. Der ganze Prozess ist vollautomatisiert und wir gehen direkt mit den Talenten in den Austausch, um herauszufinden, was ihnen wichtig ist und was ihre Motivation ist. Wenn das alles dann auch noch zu dem passt, was das Unternehmen sucht, werden die besten Profile anschließend an Recruiter:innen weitergegeben.
Für Active Sourcing relevante Plattformen
Welche Plattformen sind bei der Suche am relevantesten?
Es kommt immer darauf an, um welche Stelle es geht. Dazu gehören natürlich klassische Recruiting-Plattformen wie Linkedin oder XING, soziale Medien und Suchmaschinen, aber auch abstraktere Kanäle wie Youtube oder Amazon. Unsere KI trifft autonom die Entscheidung über die optimale Auswahl und Zusammenstellung der Plattformen für die Suche von passenden Kandidat:innen.
Wir sind plattformunabhängig und erweitern stetig unsere Anbindungen an Plattformen. Wir finden jede:n potentielle:n Kandidat:in, wenn er oder sie online unterwegs ist, und versuchen ihn mit optimaler Ansprache für den ausgeschriebenen Job zu begeistern und sich zu bewerben.
Automatisierte Ansprache im Active Sourcing
Euer Bot nutzt psychologische Modelle, um eine möglichst passende und überzeugende Ansprache von potentiellen Kandidat:innen zu erstellen und vorzuschlagen. Wie läuft der Prozess genau ab?
Im ersten Schritt erstellen wir ein ideales Anforderungsprofil für die jeweilige Stelle. Auf dieser Basis erstellt unser System im Anschluss die geeignete Ansprache mit den besten Argumenten für die passende Zielgruppe. Hier können beispielsweise Benefits, kulturelle Merkmale oder stellenspezifische Merkmale eine Rolle spielen. Hier kommt natürlich auch die Persönlichkeit ins Spiel und es werden Menschen angesprochen, die die vom Unternehmen gewünschten Merkmale mit einer hohen Wahrscheinlichkeit mitbringen. Wir versuchen dann, die richtigen Personen zu aktivieren.
Als Beispiel: Wenn wir eine kreative Person aktivieren möchten, tun wir das mit Botschaften, die der Person zeigen, dass sie sich in dem Job kreativ entfalten könnte. Umgekehrt werden also nicht-kreative Menschen für diese Stelle dann also nicht aktiviert. Im letzten Schritt validieren wir unsere Vermutungen aus der Aktivierungsphase über unsere eigens dafür entwickelten Persönlichkeitsmatching-Algorithmen.
Auswahl-Unterstützung per KI
Auch in Punkto Personalauswahl unterstützt Ihr mit catchHR Algorithmen. Dabei wird neben den Fähigkeiten und der Persönlichkeit auch die kulturelle Passung geprüft. Woher kommen die Daten auf Unternehmensseite?
Kulturelle Passung ist schwierig zu überprüfen. Denn Organisationen haben nicht eine bestimmte Kultur, sondern Subkulturen. Unternehmenskulturen ändern sich mit Ein- und Austritten von Mitarbeitenden. Das ist an sich keine stabile Referenz. Allerdings ziehen wir andere Dinge heran: Es ist spannend, sich Motivatoren anzuschauen. So ziehen z.B. Jobs in Behörden andere Menschen an als in deinem Start-up. Das schauen wir uns an, um auf Antreiberseite einen Fit zu überprüfen.
Wir überprüfen auch, ob ein Kandidat, wenn er die passenden Skills mitbringt, auch die passende Persönlichkeit für die Jobanforderungen mitbringt. Ein kreativer Buchhalter ist möglicherweise im falschen Job. Und dann prüfen wir, ob der Kandidat in das Persönlichkeitsspektrum des Teams passt, indem wir unser Matching mit allen Teammitgliedern durchführen.
Innovative Teams leben davon, dass die Persönlichkeiten in Summe das gesamte Spektrum abdecken, denn Diversity ist der Schlüssel zu Innovativität. Spezialteams, wie z.B. ein Kalt-Akquise Sales Team, sind performanter, wenn alle ähnliche Persönlichkeitsprofile mitbringen.
Auf der Suche nach dem „perfect match“
Gibt es heute überhaupt noch so etwas wie einen perfekten Match?
Aus meiner Sicht wird das “Perfect Match” einfach falsch verstanden, nämlich so, dass schon alles da sein muss. Wir stellen sicher, dass Unternehmen und Mitarbeitende auf der richtigen Grundlage, dem richtigen Fundament, zusammenarbeiten. Alles weitere, z.B. Skills, kann erlernt werden. Wichtig ist, dass sich beide Seiten zunächst darüber einig sind, dass es persönlichkeitsseitig harmoniert und was ihnen für die Stelle wichtig ist.
Wenn Menschen nach ihren Stärken arbeiten, ist man sehr nah am perfekten Match. Wir sind überzeugt, dass es für jede:n Bewerber:in den passenden Job gibt, man muss die Talente nur gezielt ansprechen und sicherstellen, dass sie mit ihrer Persönlichkeit in die Kultur und die Anforderungen des Unternehmens passen.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen sich nur zur richtigen Zeit begegnen und sich dann als passend erkennen. Wir helfen beiden Seiten dabei, indem wir die richtigen Argumente gegenseitig finden und auf Belastbarkeit prüfen. Denn nur dann ist ein Perfect Match auch noch nach der Probezeit ein Spaß!
Rolle des Menschen im Recruiting
Welche Rolle spielt in Eurem Recruitingprozess der Mensch? Wo greift er ein und inwiefern?
Aktuell machen Menschen meines Erachtens einfach zu viel “Monkey Work”, also keine wertstiftende Arbeit, die mit hohen Streuverlusten, viel Abstimmung und Datensammlung einhergeht. Genau das wollen wir eliminieren. Unsere KI-gestützte Lösung hilft Unternehmen, Entscheidungen auf fundierte Weise zu treffen.
Dabei geht es nicht darum, das menschliche Element im Recruiting zu ersetzen, sondern es zu unterstützen und Freiraum zu schaffen, damit HRler:innen sich auf das konzentrieren können, was sie gut können: im späteren Teil des Auswahlverfahrens mit Menschen in Kontakt kommen.
Das Preismodell von catch
Wie sieht Euer Preismodell aus? Wer zahlt hier was zu welchem Zeitpunkt?
Wir bieten ein flexibles Slot Pricing (die Anzahl der parallel ausgeschriebenen Stellen) im Abomodell als Jahresvertrag an. Unsere Kund:innen bewerben also mit uns entweder fünf, zehn oder 25 Stellen gleichzeitig. Je mehr, desto günstiger wird es natürlich – und selbstverständlich ist die Anzahl auch nach oben offen.
Wir bieten allerdings jedem Unternehmen, dass auf der Suche nach passendem Personal ist oder einen Bewerberpool aufbauen möchte, passende Pakete an.
Weiterentwicklung von catchHR
Was habt Ihr an Weiterentwicklungen für catch noch in 2024 und den kommenden Jahren geplant?
Heute besteht unser Team aus fast 30 Menschen, die jeden Tag zum Erfolg von catchHR beitragen. Hierzu gehören neben einem großen Produktteam und Entwickler:innen auch Vertrieb, Kommunikation und Administration. Wir werden natürlich noch mehr wachsen und im nächsten Schritt Investor:innen für die Series A gewinnen. Wir sind sehr beflügelt durch die rasante Entwicklung der Tech/KI-Welt.
Diese Entwicklungen wollen wir mitnehmen und beweisen, dass es noch viel Potenzial für pragmatische Innovationen im HR/Recruiting-Bereich gibt, die HR-ler:innen endlich die Zeit verschafft, die sie brauchen, um mit den richtigen Menschen in Kontakt zu gehen. Unser headless System deckt den gesamten Rekrutierungsprozess von der Ansprache von Talenten bis zur Auswahl der Kandidat:innen ab und übernimmt ihn. Somit wird der passive Ansatz im Recruiting von einem aktiven ersetzt – nicht nur für C-Level-Jobs und Führungskräfte, sondern für alle Jobs da draußen.
Am Ende, nach der datenbasierten Skill-Suche und Persönlichkeits-Fit geht es auch um Sympathie und sich wohl fühlen. Und das funktioniert nur im menschlichen Kontakt.
Vielen Dank für Deine Antworten, Marco. Für Euer Startup catchHR wünsche ich weiterhin viel Erfolg!
Über den Interviewten
Marco Verhoeven ist CEO von catchHR. Bereite mit seiner Masterthesis und der anschließenden Arbeit an der Universität Köln hatte sich Verhoeven intensiv mit präferenzbasiertem Matching auseinandergesetzt. Seinen Mitgründer Justin Bous kennt er seit der Schule. An der Universität leitete Bous mehrere studentische Initiativen, etwa das Campus Recruiting, und hatte so tiefe Einblicke in die Recruiting-Prozesse großer Unternehmen gewonnen.
Diese Expertisen kommen nun HR-Verantwortlichen über catchHR zugute.