Unsere Gesellschaft verändert sich und dieser Wandel berührt selbstverständlich auch die in ihr operierenden Organisationen. Demographie, Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder wie zuletzt auch Demokratie – alles potentielle Felder, denen sich Organisationen stellen müssen und stellen werden. Doch was bedeuten diese Veränderungen abseits vom Inhalt? Eines ganz bestimmt – Ungewissheit. Und das Bedürfnis nach Organisationsentwicklung, sagt René Langheinrich, itstime, in seinem Advertorial.
Eine besondere Rolle für HR
In Phasen der Ungewissheit bieten meist diejenigen Sicherheit, die einen Plan mitbringen oder zumindest eine Idee vorweisen können. Getragen vom Allzeitthema Fachkräftemangel, konnten dies viele HR-Abteilungen in den letzten Jahren erfolgreich für sich beanspruchen.
Die Palette reicht dabei von Arbeitsplatzintegration für Menschen mit Flucht-Hintergrund, über Führungskräftetrainings, Home-Office-Regeln bis zum Bürohund. Auffallend dabei ist, dass der Ruf an die Entscheider-Tische zu kommen und strategische Kompetenzen zu erhalten, konstant laut bleibt.
Man könnte sich fragen, sieht HR nicht, was es sehen sollte oder braucht man immer mehr? Auf den ersten Blick scheint hier ein Widerspruch zu bestehen, und zwar zwischen der Forderung und tatsächlich bestehenden Situation. Auf den zweiten Blick steckt da möglicherweise mehr dahinter.
HR bekommt Gegenwind zu spüren
Durch KI, Automatisierung und Robotics wird sich die Rolle von HR maßgeblich ändern. Es entstehen ernstzunehmende Alternativen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels. Und der Fokus von HR auf die Rekrutierung des besten Matches für die offenen Rollen wird sich auf Spezialisten reduzieren. Wo gestern noch Stellen zu besetzen waren, kann morgen Code 24 h arbeiten. Deswegen gelangt HR in Erklärungsnot.
Wenn HR das Thema Personalmangel bislang nicht lösen konnte, wo kann sich HR dann positionieren? Natürlich ist das Thema Personalmangel nicht so trivial, das hindert aber keine Organisationsleitung daran, die Wirksamkeit von HR in Frage zu stellen.
Auch die Art wie HR in der Regel Themen in der Personal-, Führungskräfte- und Teamentwicklung angeht, stößt zunehmend auf Widerstand. Der konstante Fokus auf Werte, persönliches Mindset und Offenbarungseide in Workshops wird von Führungskräften häufig als „übergriffig“ empfunden und in der Folge nicht ernst genommen. Das verwundert nicht, da stets der Beigeschmack bleibt, dass man als Führungskraft als Problemerzeuger dasteht (toxisch) oder das Mindset als zu eng angesehen wird und man das big picture nicht sieht (Silodenken).
Entscheidend für die Zukunft von HR ist daher ein Punkt: Rechnen sich die HR Maßnahmen für die Organisation oder nicht?
In sehr vielen Organisationen wurde in den letzten 12 Monaten der Rotstift angesetzt – und damit kommen auch HR Maßnahmen, die vor einigen Jahren noch durchgewinkt wurden, auf den Prüfstand. Nicht verwunderlich ist daher auch die Strategie von HR, nämlich verstärkt die Business Sprache zu übernehmen, für Themen, die sich nur mit sehr viel Phantasie quantifizieren lassen.
Arbeit am Personal reicht nicht mehr um zukunftsfähig zu sein
Das Aufgabenportfolio im HR ist breit. Von administrativen Tätigkeiten bis zur strategischen Personalentwicklung. Wenn man Human Resources heißt, steht Arbeit am Human ganz oben auf dem Plan. Hier beobachte ich Unschärfe in der Ausdeutung – Arbeit für den Menschen oder Arbeit an dem Menschen – da verschwimmen die Grenzen.
Im Extremfall folgt das, was von Führungskräften als zunehmende Psychologisierung der Organisation empfunden wird – warum rational, wenn es auch persönlich geht. Beispiele für Psychologisierung können sein:
- Schuld haben stets die Mitarbeitenden (vor allem die Führungskräfte)
- Der Job muss zur persönlichen Erfüllung werden
- Die Organisation ist wie deine Familie
Dabei gibt es durchaus Gründe, dass auch Mitarbeitende sich an neue Randbedingungen, wie geteilte Führungsspitzen oder Dezentralisierung von Entscheidungsmacht anpassen. Auf den Prüfstand gehört die Grundannahme, wie man auf die eigene Organisation einwirkt. Und da reicht die Arbeit am Personal und deren Mindset allein nicht aus.
Neue Abteilungsnamen wie “People and Culture” oder “People and Organizational Development”, geben dieser Beobachtung recht, aber wie sooft gilt es im Detail genau hinzuschauen. Wo die Umbenennung reines Labeling ist und die HR Arbeit alter Wein in neuen Schläuchen ist, wird die HR Arbeit nicht landen. Ein ernstzunehmender Versuch ist es, das Thema Organisationsentwicklung auf der HR Agenda zu etablieren.
Organisationsentwicklung ist das fehlende Thema bei HR
Nicht selten setzen Vorstände und Geschäftsführungen die „softe“ Organisationsentwicklung als letzten Agendapunkt vor dem Mittagessen am Abreisetag der Strategiekonferenz, um nochmal „Feedback einzuholen“. So gerahmt entfaltet Organisationsentwicklung keine Attraktivität – auch nicht für die HR Abteilung. Doch Organisationsentwicklung ist nichts anderes als die Weiterentwicklung der Organisation, um den Fortbestand zu sichern. Insofern ist Organisationsentwicklung alles, was die Organisation macht, um zukunftsfähig zu sein.
In unserer Beratungsarbeit empfehlen wir hierzu folgende Positionierung:
- Digitalisierung ist Organisationsentwicklung
- Strategieentwicklung ist Organisationsentwicklung
- Nachhaltigkeitsgesetze brauchen Organisationsentwicklung
- Wirksame Führungskräfteentwicklung geht nur durch die Verbindung mit Organisationsentwicklung
So gesehen ist Organisationsentwicklung ein integrativer Bestandteil von allem. Und genau hierin liegt das Potential für HR, um durchschlagskräftig zu werden. Das Ganze vollzieht sich jedoch nicht von allein und bedeutet einen ausgeprägten Rollenwechsel. Die neue Rolle bedeutet, dass sich HR als Anwältin von People UND Organisation versteht und damit als Sparringspartner in einem widersprüchlichen Feld agiert.
Zu den oben genannten Themen könnte die Rolle wie folgt aussehen:
HR als Sparringspartner in der Digitalisierung und Nachhaltigkeit
Digitalisierungsprojekte scheitern nicht an der Technik, sondern an der Organisation selbst. Neben notwendiger Personalentwicklung und arbeitsrechtlichen wie administrativen Fragen, kann HR hier Formate anbieten, um den notwendigen bereichsübergreifenden Austausch zu fördern, in spannungsgeladenen Zielkonflikten moderieren, die Einzelinteressen der Akteure herausarbeiten und für den Entscheidungsprozess aufzubereiten.
HR als Sparringspartner in der Strategieentwicklung
In vielen Workshops zur Strategieentwicklung gibt es irgendwann den Punkt, an dem ein Teilnehmender sagt: Das hat doch nächste Woche schon keine Relevanz mehr. Und daran ist einiges richtig. Wenn Organisationen keine Maschine sind, muss Strategieentwicklung dem gerecht werden. Strategie ist etwas anderes als 5 Jahres Pläne, Ziele und Maßnahmen.
HR kann hier helfen und für Klarheit sorgen. Wo werden zur Orientierung markante Ziele gebraucht und wo sind flexible Anpassungsroutinen notwendig, um die Strategie mit dem sich verändernden Alltag abzugleichen.
Wirksame Führungskräfteentwicklung, die einen Unterschied macht
Viele Führungskräfteentwicklungsprogramme setzen auf extravagante Inhalte, um bei den Führungskräften Relevanz und Aufmerksamkeit zu erzeugen. Doch nicht selten bleibt die Transferfrage unbeantwortet: „Was haben agile Teamführung oder positive Leadership mit dem eigenen Team zu tun?“, fragen sich die Teilnehmenden und quittieren eine Trainingsreihe mit minimaler Anerkennung.
Setzt man hier auf Austausch und konkrete Fallbearbeitung kommt man dem Ganzen schon näher, doch HR kann hier sogar noch weiter gehen. Basis ist: Ein Führungskräfteentwicklungsprogramm sollte den Interessen der Organisation folgen und nicht nur den generischen Ich-Du-Wir Dreiklang.
Ob OKR als Management-Tool sinnvoll sind, sollte kein Management-Ratgeber entscheiden, sondern die Organisation und ihre konkreten Problemstellungen. Ist das geschafft, bleibt noch die Situation, dass Führungskräfte in ihren Trainings dennoch Transferprobleme haben und sich der „Alltag da draußen“ wie ein unüberwindbares Hindernis anfühlt. Und das stimmt – dort wartet die konkrete Organisation.
Ein Führungskräfteentwicklungsprogramm, das jedoch die Inhalte durch Diskursformate (z.B. Leadership-Labs) ergänzt, kann einen Unterschied machen. Wenn die Trainingsinhalte konkrete Organisationsprobleme aufgreifen, dort diskutiert werden und dann in einen Entscheidungsprozess eingearbeitet werden, entfalten auch umfassendere Seminarprogramme einen spürbaren Mehrwert für die Organisation und wertschätzen die Perspektive der teilnehmenden Führungskräfte.
4 Prinzipien, die HR mit Organisationsentwicklung auf ein neues Level heben
Ich schließe meinen Beitrag mit vier entscheidenden Prinzipien, die HR dabei helfen, die Rolle Organisationsentwicklung wirklich zu leben und dadurch Probleme zu erkennen, die andere noch gar nicht verstehen. Sie sind bewusst spitz formuliert, um als Prinzipien greifbar zu sein.
Mit 3 Seiten die Blackbox Organisation verstehen
Ja, jede Organisation hat eine Schauseite. Dass Manches sich wie Fassadenarbeit anfühlt, ist nicht schlecht, sondern professionelles Spiel der Organisation. Wo das Spiel übertrieben wird und Mitarbeitende feststellen,
- dass die Versprechungen an flache Hierarchien nicht durch die Formalstruktur (formale Seite) gedeckt sind;
- dass die persönlichen „Aufstiegschancen“ vor allem durch informelle Netzwerke (informale Seite) ermöglicht werden;
- dass persönliche Boniprogramme vor allem eins vermeiden – Kooperation und Zusammenarbeit,
dann helfen die drei Seiten, um herauszufinden, woran man arbeiten sollte und woran nicht.
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Lerne Silos lieben und arbeite mit Ihnen
Ohne Silos keine Organisation, denn Organisationen basieren auf Arbeitsteiligkeit. Wer mit Silos produktiv arbeitet, findet Wege der Beweglichkeit ohne gleich Silos lautstark abzuschaffen. Organisationskluges Arbeiten bedeutet nicht Silos zu bekämpfen, sondern sie temporär in produktive Zusammenarbeit zu bringen.
Vom Mindset zu den Verhältnissen
Wer Mindsets verändern möchte, setzt auf ein stumpfes Schwert. Wenn HR Organisationen verändern möchte, müssen die Verhältnisse ins Blickfeld rücken. Hier gilt die Fussballanalogie – es sind die Regeln, die das Spiel machen, nicht „nur“ die Spieler. Gestalte die Verhältnisse so, dass Mitarbeitende produktiv und gern arbeiten!
Organisationskultur kann nicht über Werte verändert werden
Wenn gesagt wird, Kultur ist ein entscheidender Faktor, dann braucht HR einen Kulturbegriff, der abseits von Werten funktioniert. Werte sind persönliches Gut – Organisationen selbst haben keine Werte. Kultur als die informale Seite der Organisation zu betrachten, bringt Machtspiele, effiziente Workarounds und verborgene Aufstiegschancen ans Tageslicht und kann somit dort beeinflusst werden.
Der Beitrag ist entstanden aus der aufmerksamen Beobachtung in der Zusammenarbeit mit HR Abteilungen, die sich insbesondere mit der eigenen Wirksamkeit auseinandersetzen. Als Berater und Trainer arbeite ich mit meinen Kolleg:innen bei itstime regelmäßig mit HR oder People and Culture-Abteilungen zusammen. Einige Argumente sind bewusst zugespitzt formuliert, zu jedem existiert jedoch mindestens eine Praxisbeobachtung.