Spielerisch Berufsorientierung zu vermitteln per Swipe in einer App, ist es Ziel des Startups StickTo von Mitgründer Julian Risse. Daneben will er Unternehmen mit passenden Schüler:innen der Jahrgangsstufen 8-12 matchen und Ausbildungen sowie Jobs vermitteln. Worauf die neue App aufbaut und warum sie für die Generationen Z und Alpha erfolgreich eingesetzt werden kann, verrät er mir im Startup-Interview.
Was bietet StickTo?
Hallo Julian, magst Du Dich und Euer Startup StickTo bitte kurz vorstellen?
Danke Dir Stefan, ich bin einer der vier Gründer von StickTo, der App zur Berufsorientierung. Wir präsentieren Jobprofile auf Karten mit kurzen Berufsbeschreibungen und auch einem Tagesablauf aus der Praxis.
Die kann man dann nach rechts zum Speichern und nach links zum Verwerfen swipen. Auf Basis dieses Verhaltens ermitteln wir die Interessen der Jugendlichen und können passend die Nutzer zu Unternehmen aus der Region matchen. Damit ermöglichen wir, auf der anderen Seite, Unternehmen die ihnen fehlende Sichtbarkeit in der Generation zu bekommen. Vor vier Wochen haben wir die erste richtige Version von StickTo auf allen Märkten veröffentlicht.
StickTo besteht mittlerweile aus einem Team von acht jungen Menschen, die genau wie ich vor dem Problem standen, nicht zu wissen, was nach der Schule kommt. Wir kommen also aus dem Problem und haben die gemeinsame Vision, das Problem der Orientierungslosigkeit aus der Generation heraus zu lösen.
Welche Herausforderungen löst Ihr mit Eurem Angebot?
Auf Seiten der Schüler lösen wir spielerisch die Herausforderung der Orientierungslosigkeit. Über 75% der Jugendlichen wissen nicht, was sie nach der Schule tun sollen.
Auf der Seite der Unternehmen lösen wir die Herausforderung, diese junge Generation zu erreichen. Es gibt schlicht und ergreifend noch keinen passenden Weg, Jugendliche berufsbezogen zu erreichen. Wenn ich als Jugendlicher auf Instagram mir die Stories meiner Freunde ansehe, ist das nicht der richtige Moment, um Werbung für einen Ausbildungsplatz zu machen. Ähnliches gilt bei TikTok, wo man mehr oder weniger mit ausgeschaltetem Bewusstsein durch seine Videos wischt. Wir geben den richtigen Raum, die Jugendlichen auf Basis ihrer Interessen passend zu erreichen.
App zum Berufe kennenlernen
Eure App ermöglicht es jungen Jobsuchenden der Klassenstufen 8-12, sich über mehr als 1.000 verschiedene Berufe zu informieren. Wie erfolgt eine generelle Interessensauswahl bzw. ein Matching?
Hier standen wir vor der Herausforderung, dass man spielerisch seine Interessen herausfinden sollte, ohne bewusst Interessen anklicken zu müssen. Dies machen wir, weil die meisten Jugendlichen gar nicht wissen, was sie interessiert. So läuft die Interessensermittlung einfach durch das Swipen. Ich mache mir keine Gedanken, wo es hin geht, sondern wische mich einfach durch Jobkarten und Fragestellungen, die mir auf Karten präsentiert werden.
So ermitteln wir durch einen Algorithmus im Hintergrund, welche Themengebiete den Nutzer zu interessieren scheinen und testen dies, indem Karten und Fragen in diese Richtungen häufiger auftauchen. So verbessert sich das Interessensbild mit weiterer Nutzung der App. Mit diesen generierten Interessensbildern der User ist im nächsten Schritt das passende Matching möglich.
Die Unternehmen zeigen wir denjenigen, die mit dem gewählten Interessensbild am ehesten übereinstimmen.
Informationen zum Beruf
Via StickTo sollen die jungen Talente Informationen zu diesen Berufen erhalten, wie z.B. Dauer des Studiums, Gehaltsmöglichkeiten sowie eine Bewertung im „Zukunftsindex“. Woher stammen Eure Daten und wie haltet Ihr diese aktuell?
Ein Grundstamm der Daten stammt von der Bundesagentur für Arbeit bzw. dem Berufenet, dafür kooperieren wir mit der Bundesagentur. Diese Informationen werden regelmäßig aktualisiert.
Mittlerweile setzen wir auch KI-Recherche-Tools ein, um noch präzisere Daten liefern zu können, z.B. für das Gehalt. Gleiches passiert bei dem Zukunftsindex. Dafür werden Parameter genutzt wie: Wie viele Ausbildungsplätze gibt es im Jahr? Wie sehr werden diese Berufe bei vorschreitender Digitalisierung benötigt? Insgesamt nutzen wir über 6 Kriterien.
Beim Thema „Zukunftsindex“: Welche Berufe stehen denn da ganz weit oben bei Euch?
Ganz oben auf der Liste stehen Berufe wie Ingenieur:in – Erneuerbare Energien oder Elektroniker:in – Automatisierungs- und Systemtechnik, aber auch z.B. Berufe, die man wahrscheinlich gar nicht so sehr auf den ersten Blick im Kopf hat, wie Polizeivollzugsbeamt:in bei der Bundespolizei.
Welche Berufe noch ganz oben dabei sind, sollte man sich definitiv selbst mal in der StickTo App ansehen.
Matching mit Unternehmen in der Region
Ihr wollt interessierte Jobsuchende mit Unternehmen in ihrer Region zusammenbringen. Wie definiert Ihr Region und wo seid Ihr besonders stark vertreten bisher?
Wir starten gerade in Schleswig-Holstein. Uns ist sehr wichtig, um die Regionalität zu wahren, Stück für Stück ganz Deutschland abzudecken. Im Allgemeinen definieren wir eine Region mit einem Radius von ca. 100km um die Betriebsstätte. Diese Zahl ist aus einem Konsens mit Suchgebiet von Unternehmen und der Generation in Form von Bereitschaft zu pendeln und umzuziehen entstanden. Gerade jetzt zu Beginn sind wir aber so lokal, dass dieses Feature noch nicht ausgereizt wird.
Begonnen im Süden Schleswig-Holsteins steigen wir langsam auf und decken ganz Schleswig-Holstein ab. Auch starten wir gerade unsere Ausweitung nach Hamburg. Auch in Mecklenburg-Vorpommern bestehen schon erste Vertriebskontakte.
Tagesabläufe von Unternehmen kennenlernen
Spannend finde ich die Funktion, die Arbeit in konkreten Unternehmen näher kennenzulernen. Wer stellt diese zusammen? Ist das für Unternehmen eine kostenpflichtige Funktion?
Genau, wir waren auf der Suche nach einer Möglichkeit, sich schnell und kurz in einen Beruf reinfinden zu können. Man kann schließlich nicht in über 1.300 Berufen ein Praktikum absolvieren. So kamen wir auf die Idee, einen beispielhaften Tagesablauf in jedem Beruf zu zeigen. Diese Tagesabläufe werden von Unternehmen kostenlos gestellt. Damit haben Unternehmen eine niedrigschwellige Möglichkeit, sich bei StickTo zu präsentieren.
Das Geschäftsmodell
Wie sieht Euer Geschäftsmodell aus, sprich: Wie verdient Ihr Geld?
Unternehmen zahlen bei uns für Sichtbarkeit in der Generation. Dafür bekommen sie eine Unternehmenskarte, auf der sie kurz und knapp generationsgerecht, auch mit Video, vorgestellt werden. Genauso wie bei den Jobkarten gilt: nach 10 Sekunden muss alles erfasst sein. Darauf sind auch die Stellen der Unternehmen verlinkt.
Dazu gibt es die Möglichkeit für den User, anonym Fragen an das Unternehmen zu stellen. Diese werden von uns auf Basis eines vorher ausgefüllten Fragebogens der Unternehmen beantwortet, sodass kein Mehraufwand für Unternehmen entsteht. Gleichzeitig bekommen die Unternehmen regelmäßig ein Reporting, wie beliebt sie in der Generation sind, wie oft sie also gewischt, gematcht oder eben Fragen gestellt worden sind. Dafür zahlt das Unternehmen monatlich.
Aktuell sind wir in der Testphase, wodurch wir noch sehr günstig Testpakete anbieten. Einige große Namen aus dem Umland von Lübeck sind auch bereits dabei und befinden sich gerade im Onboarding.
Was sind dabei gerade Eure größten Herausforderungen?
Eine große Herausforderung ist es vor allem traditionelleren Unternehmen zu erklären, wie wichtig Sichtbarkeit in der Generation ist. Dazu fehlen oft in den Unternehmen der richtige Ansprechpartner und das Bewusstsein. Es wird sich über das Problem beschwert, jedoch auch, wenn StickTo als Lösungstool gesehen wird, fehlt am Ende die entscheidende Person auf der Unternehmensseite. Hier arbeiten wir stark an Möglichkeiten der Außendarstellung.
Wie sich StickTo weiterentwickelt
Welche Planungen habt Ihr für StickTo noch in den kommenden Monaten?
Aktuell sind wir dabei StickTo in die Schulen zu bringen, wo wir bereits jetzt schon gut angenommen werden. Dafür entwickeln wir unter anderem Stundenkonzepte für den Berufsorientierungsunterricht, sodass auch Lehrer StickTo einfach in den Unterricht einbinden können. Gleichzeitig bauen wir unseren Vertrieb auf und freuen uns, in den kommenden Monaten auch weitere Bundesländer aufzunehmen. Hier sind wir auch immer auf der Suche nach passenden Vertriebspartnern.
Wir schaffen es, gemeinsam die Orientierungslosigkeit der Jugendlichen zu bekämpfen, indem wir Berufsorientierung neu denken. Endlich gibt es eine Plattform, auf der Unternehmen fehlende Nachwuchskräfte generationsgerecht finden.
Vielen Dank für Deine Antworten, Julian. Ich drücke für Euer Startup StickTo meine Daumen!
Über den Interviewten
Julian Risse hat 2020 gemeinsam mit seinem Mitgeschäftsführer Philipp Özren Abitur in Bargteheide gemacht. Entstanden ist die Idee zu StickTo aus dem eigenen Problem. Er wusste selbst nicht genau, was er nach der Schule machen sollte. Gleichzeitig war er schon immer ein Freund davon, etwas selbst umzusetzen. Mit Malte Luttermann und seinem Bruder Raphael hat er 2021 StickTo gegründet.
Mittlerweile arbeitet er an seinem Bachelor in BWL an der Uni Hamburg und freut sich danach auf Vollzeit-Arbeit im StickTo-Team.
>> LinkedIn-Profil von Julian Risse