Digitale Arbeitsproben und Recruiting-Testverfahren erfordern Spezialknowhow. Das HR-Startup Selectic bringt wissenschaftliche Expertise ins Recruiting und hilft dabei, Skills und Kompetenzen von Bewerbenden zu testen. Wie sie dabei vorgehen, verraten die Founder Nicolas Tozzoli, Antonio Panta und Marcel Michalik im Interview mit mir.
Was bietet Selectic?
Hallo Ihr drei, mögt Ihr Euch und Euer Startup Selectic bitte kurz vorstellen?
Selectic ist eine SaaS-Lösung zur Personalanalyse für HR-Abteilungen. Wir bieten eine Testing-as-a-Service-Lösung an. Das bedeutet, dass wir dank unseres Expertennetzwerks Tests für praktisch jede Position anbieten und den gesamten Prozess der manuellen Erstellung und Korrektur von Case Studies automatisieren.
Unsere Software ist auch fähig, reale Arbeitsaufgaben zu simulieren. Das bedeutet, dass Unternehmen endlich in der Lage sein werden, die praktischen Kompetenzen jedes Bewerbers auf einfache und flexible Weise zu testen. Wir verarbeiten dann alle Daten, die wir durch die Tests erhalten und erstellen prädiktive Analysen, wie die Unternehmen ihre Kandidaten-Pipeline verbessern und Ihre Ausgaben für die Personalbeschaffung optimieren können.
Testverfahren als Arbeitsprobe
Ihr bietet eine Reihe von Testverfahren an. Welche sind das und woher stammen diese?
Wir haben erkannt, dass es für Unternehmen heutzutage unmöglich ist, praktische Fähigkeiten effektiv zu testen. Ein Videoanruf ermöglicht ein normales Gespräch, bei dem die Personalabteilung das theoretische Wissen eines Bewerbers testen kann, aber wenn es um praktische Fähigkeiten geht, ist der Prozess heutzutage technologisch unmöglich.
Mit unserer Plattform können wir sowohl traditionelle Tests mit Multiple-Choice- und Textfragen für jede Position erstellen. Aber vor allem haben wir auch Fragen zu Simulationen von realen Arbeitsumgebungen. Das bedeutet, dass das Unternehmen in der Lage ist, auf schnelle und flexible Weise die Kenntnisse eines jeden Bewerbers über Programme wie Excel, Powerpoint, DevOps, Unity, SQL usw. zu testen.
Wir verfügen über ein Netzwerk von Experten, die unsere Tests entwickeln und zertifizieren. Wenn ein Unternehmen also nach einer bestimmten Position fragt, können wir einen Experten finden, der einen Test für diese Position erstellt und ihn dann dem Unternehmen zur Verfügung stellt.
Dank unseres Test-Builders in der Software können Unternehmen somit mit wenigen Klicks ihre eigenen Tests mit Selectic erstellen.
Zusammenarbeit mit HR
Wie sieht der Prozess konkret aus, wenn HR-Abteilungen Kandidat:innen testen wollen?
Wir wollten die Plattform flexibel gestalten, so dass Personalleiter wählen können, in welchem Schritt und an wen der Test gesendet werden soll. Praktisch können Personalverantwortliche, sobald der Lebenslauf geprüft wurde, den Test aus der Selectic-Anwendung an die E-Mail des ausgewählten Kandidaten senden.
Wenn der Test abgeschlossen ist, können sie im Bereich „Ergebnisse“ eine Klassifizierung der besten Kandidaten sehen. Und gleichzeitig alle Statistiken über den Test einsehen, wie z.B. die Zeit, um jede Frage zu beantworten, Genauigkeit oder Fehler. Sobald die Personalabteilung einen Nachweis über die praktischen Kenntnisse der Bewerber hat, kann sie genauer auswählen, welche Bewerber in die Pipeline aufgenommen und persönlich interviewt werden sollen.
Erhobene Daten und Videos
Beim Durchlaufen Eurer Tests erhebt Ihr eine Reihe von Daten. Wie werden diese Daten anschließend sinnvoll verwendet?
Wir haben in unserer Software einen speziellen Bereich für die Analytik geschaffen, in dem wir prädiktive Metriken entwickeln, um die Leistungen der Personalabteilung zu verbessern. So können wir zum Beispiel die Entwicklung der Testergebnisse im Laufe der Zeit aufzeigen. Wenn die Durchschnittswerte gesunken sind, können wir diese Informationen mit möglichen Gründen für die sinkende Qualität der Bewerber in Verbindung bringen.
Dies kann daran liegen, dass das Unternehmen mehr Bewerber von einer bestimmten Universität oder mit einem bestimmten beruflichen Hintergrund gesucht hat. Oder dass es mehr Bewerbungen über Kanäle wie Indeed oder LinkedIn usw. erhalten hat, so dass wir eine Vorstellung davon bekommen, wo wir in Zukunft das Budget für die Personalbeschaffung einsetzen sollten.
Darüber hinaus sind die Anwendungen für das Onboarding ebenfalls von großem Nutzen. Hier können wir schließlich die Stärken und Schwächen jedes Bewerbers aus praktischer Sicht aufzeigen und es dem Unternehmen ermöglichen, einen personalisierten Onboarding-Prozess für jeden Bewerber zu entwickeln.
Welche davon erhält HR und in welcher Form bekommen Kandidat:innen Ergebnisse aus ihren durchlaufenen Test?
Die Personalabteilung erhält die Punkte der Bewerber in Form einer Klassifizierung mit der höchsten bis zur niedrigsten Punktzahl. Darüber hinaus kann die Personalabteilung jeden Test einsehen und die Aufzeichnungen der Person zwecks Testintegrität überprüfen oder die Zeit für die Beantwortung der einzelnen Fragen. Andererseits erhalten Bewerber keinen Hinweis auf die erreichte Punktzahl.
Predictive und People Analytics
Wie gehen HR-Verantwortliche mit den Ergebnissen um? Was genau können Sie daraus ablesen und was nicht?
Personalverantwortliche können die Ergebnisse mit einer allgemeinen Punktzahl ablesen, die in der Regel von 0 bis 100 reicht und sich aus der Summe der richtigen Antworten im Test ergibt. Darüber hinaus können sie textbasierte Fragen oder videobasierte Fragen prüfen, bei denen sich der Bewerber bei der Beantwortung einer Frage selbst aufgenommen hat.
Die Klassifizierung kann auch eine Rangfolge der Bewerber erstellen, indem sie diejenigen in den Vordergrund stellt, die weniger Zeit für die Simulationen benötigen. In jedem Fall hat die Personalabteilung Zugang zu jedem einzelnen Test, wenn sie die Gründe für die Ergebnisse vertiefen und die Stärken und Schwächen der Bewerber unter praktischen Gesichtspunkten überprüfen möchte.
Beratet Ihr auch zur Ergebnisauswertung?
Das tun wir eigentlich nicht, denn es hängt davon ab, was jedes Unternehmen von ihren Bewerbern erwartet. Wir ermöglichen es Ihnen lediglich, die tatsächlichen Fähigkeiten aller Bewerber klarer und schneller zu erkennen, so dass sie fundiertere Entscheidungen treffen können. Damit wird auch das Risiko eines betrügerischen Profils oder einer schlechten Einstellung verringern.
Wie sich Selectic weiterentwickelt
Welche Weiterentwicklungen habt Ihr für Selectic geplant?
Wir planen, unsere Testbibliothek in nächster Zeit so weit wie möglich auszubauen, um eine große Anzahl von zu testenden Stellen abzudecken. Darüber hinaus wollen wir uns noch mehr auf der analytischen Seite bewegen und einen Weg finden, Stellenanzeigen mit Selectic zu verbinden. So dass sie automatisch in Abhängigkeit von den Daten, die wir aus den Tests generieren, aktualisiert werden. Zum Beispiel, indem wir in den Bewerbungsanforderungen nach einem anderen Hintergrund fragen, oder nach mehr oder weniger Jahren Erfahrung.
Selectic wird den gesamten Aspekt der Stellenausschreibungen automatisch ausführen und kuratieren, indem diese ständig aktualisiert werden, um mehr qualifizierte Profile anzuziehen.
Langfristig planen wir, in den Bereich der Weiterbildung zu expandieren, indem wir unsere Tests nutzen, um die derzeitigen Mitarbeiter jedes Unternehmens zu schulen, damit sie ihre Leistungen bei bestimmten Aufgaben verbessern. Gleichzeitig planen wir auch den Einstieg in den B2C-Bereich, indem wir den Bewerbern Schulungen anbieten und ihnen helfen, ihre Leistungen in unseren Tests zu verbessern.
Vielen Dank für Eure Antworten.
Für Euer Startup Selectic drücke ich Euch alle Daumen!
Über die Interviewten
Das Team aus drei Gründern: Nicolas Tozzoli in der Rolle des CEO, der über frühere Erfahrungen im Bereich der Strategieberatung und des Private Equity verfügt. Antonio Panta in der Rolle des CTO, mit umfangreicher Erfahrung als Dateningenieur bei Tesla. Und Marcel Michalik in der Rolle des CFO, mit Erfahrung in Strategieberatung und Finanzdienstleistungen.