Gender-Diversity ist in aller Munde. Aber beim Thema Generationen-Management gibt es in der Unternehmenspraxis oft noch Aufholbedarf. Dr. Irène Kilubi berichtet, wie HR unter dem Motto JOINT GENERATIONS mehr für ein altersdiverses Miteinander tun können.
Generationen in der Arbeitswelt und deren Herausforderungen
Alle reden von Gender Diversity. Doch auch Altersdiversität gehört zwingend zu Diversity dazu. Der demografische Wandel stellt uns jetzt und in Zukunft vor große gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen. Durch die wachsenden Technologieanforderungen fühlen sich ältere Generationen oft abgehängt.
Digitalisierung sollte die Kommunikation zwischen Generationen jedoch fördern, anstatt sie zu behindern. Eine Verbindung zwischen den Generationen aufzubauen, kann sich jedoch als schwierig herausstellen, da beide Seiten häufig mit Vorurteilen zu kämpfen haben. Dadurch entsteht ein Ungleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt, bei dem sich meist die jüngeren Fachkräfte als die begehrteren herausstellen.
Fachkräftemangel verstärkt Konkurrenz unter Unternehmen
Durch die angesprochene große Konkurrenz um junge, agile Arbeitskräfte, wird der bestehende Fachkräftemangel nur weiter verstärkt. Hier lohnt es sich, aus der Position des Generationenmanagements, erfahrenen, älteren Fachkräften den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern.
Einer Studie der Mercer & Bertelsmann Stiftung zufolge entstehen einige mögliche Herausforderungen des demografischen Wandels für Unternehmen. Etwa 46% aller befragten Unternehmen befürchten das Auftreten unterschiedlicher Ansprüche und Werthaltungen der Generationen, jedoch sehen etwa 41% der Unternehmen im demografischen Wandel auch die Chance, die Zusammenarbeit von jungen und älteren Mitarbeitenden zu verstärken und zu managen.
Attraktive Arbeit gestalten durch Generationen-Management
Aus wirtschaftlicher Sicht ist es daher für ca. 34,5% der befragten Unternehmen sinnvoll, die Arbeit möglichst attraktiv für Nachwuchskräfte zu gestalten, dabei aber auch das Wissen von erfahrenen Mitarbeitenden zu sichern (etwa 29,9% der Teilnehmenden).
Nicht zuletzt gelten zunehmend asymmetrischen Führungskonstellationen, das heißt erfahrene Mitarbeitende werden von jüngeren Führungskräften gemanagt. Für über 23% der Unternehmen ist dies ebenfalls ein wichtiger Aspekt des demografischen Wandels.
Die Kernaussage der Studie beinhaltet, dass für etwa 53% der Unternehmen der demografischen Wandel ein erhöhtes Konfliktpotenzial im Unternehmen mit sich bringt. Dies wiederum resultiert aus dem Wandel der Wünsche und Erwartungen der Belegschaft.
Verschiedene Generationen mit unterschiedlichen Bedürfnissen
Zuallererst sollte berücksichtigt werden, dass jede Generation ihren ganz eigenen Erfahrungsschatz mitbringt. Dieser ist geprägt von den jeweiligen Lebenseinflüssen der einzelnen Generationen. Dadurch, dass Menschen einer Generation bestimmte Ereignisse oder Lebensphasen gemeinsam erlebt haben, ergibt sich eine bestimmte Identität, die wiederum das Denken, Wollen, Handeln und Fühlen dieser Generationengruppe prägt und sich auch auf die Arbeitswelt niederschlägt.
Generationen Y und Z: Millennials und Digital Natives
Millennials (Gen Y) gelten etwa als die digitalen Pioniere, die Generation Z als Digital Natives. Die Generation Y und noch stärker die Generation Z sind daran interessiert, in einem Umfeld zu arbeiten, das es ihnen ermöglicht, etwas zu bewirken, und die Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit sollte erkennbar sein. Sie werden darüber hinaus stärker motiviert durch Work-Life-Balance, Gestaltungsfreiraum und Wachstum am Arbeitsplatz. Die Vorgänger-Generationen (GenX und Babyboomer) wurde hingegen durch Beförderungen, Arbeitsplatzsicherheit, Karrierewachstum, und Loyalität angetrieben.
Millennials verstehen die Anwendung digitaler Tools am Arbeitsplatz leicht und nutzen sie, um arbeitsbezogene Probleme zu lösen. Die Generation Z ist mit den neuen Technologien noch vertrauter und nutzt selbstverständlich das Internet, sodass sie die meisten Dinge über ihre Mobil- und Computergeräte erledigen können.
Um nahtlos günstige Arbeitsbedingungen zu schaffen, müssen Arbeitgeber:innen die Vorlieben jeder Generationengruppe kennen. Jedoch gleichzeitig sollten sie darauf achten, dass diese mit den Zielen und Werten des Unternehmens übereinstimmen.
Altersdiskriminierende Vorurteile durch Kommunikation überwinden
Sowohl die Generation der Babyboomer als auch die Generation X oder Y verfügen über unterschiedliche Ansätze sowie Denk- und Handlungsmuster, wenn es um ihre Arbeitsweise geht.
Die Führungskräfte von Unternehmen dienen als Bindeglied zwischen den Generationen und sollen die Kommunikation untereinander vereinfachen. Dazu ist es wichtig, sowohl die Bedürfnisse und Erwartungen der jungen Generationen zu berücksichtigen als auch die älteren Generationen nicht aus den Augen zu verlieren. Hier kann es häufig zu Missverständnissen kommen, die sich unmittelbar auf die Arbeitsergebnisse und auch auf die Stimmung im Team auswirken können.
Spannungen zwischen den Generationen aufgrund von Vorurteilen
Der Hauptgrund für Spannungen zwischen den Generationen am Arbeitsplatz ist häufig, dass eine Generation Vorurteile über die andere hat. An dieser Stelle sollten Führungskräfte eingreifen und dafür sorgen, dass sich beide Generationen offen gegenüber der anderen verhalten und respektvoll miteinander umgehen.
Weder sollten sich ältere Mitarbeitende davor fürchten, dass die jüngeren alles verändern wollen, noch sollten die jüngeren Mitarbeitenden Angst davor haben, von den Älteren nicht ernst genommen zu werden. Zu den möglichen Vorurteilen im Mitarbeiterstamm gehört etwa vermutetes fehlendes Leistungsvermögen oder auch die Diskriminierung aufgrund eines höheren und niedrigen Alters.
Altersdiskriminierung noch zu häufig akzeptiert
In einem Forschungsaufsatz zu diesem Thema bezeichnen die Autor:innen Ashley Martin, Professorin an der Stanford Graduate School of Business und Michael S. North, Professor an der New York University, Altersdiskriminierung als die letzte, weithin akzeptierte Form der Diskriminierung (Equality for almost all: Egalitarian advocacy predicts lower endorsement of sexism and racism, but not ageism).
Während die in der Vergangenheit häufig präsenten Diskriminierungen bezüglich Herkunft, Geschlecht oder gar Aussehen schon längere Zeit als überwunden oder zumindest erkannt gelten, bleibt die Benachteiligung aus Altersgründen weiterhin ein großes Thema in Unternehmen.
Die Vorurteile in der Arbeitswelt gegenüber dem Alter sind jedoch weiter präsent. Altersdiskriminierung stellt ein erhebliches Problem für Arbeitnehmer:innen dar. Und das trotz der Tatsache, dass fast 25% der Arbeitnehmenden über 45 Jahre alt ist. Statistiken ergaben, dass ein Drittel der älteren Arbeitnehmenden bereits Altersdiskriminierung erlebt haben oder zum jetzigen Zeitpunkt davon betroffen sind (Meeting the World’s Midcareer Moment, Generation).
Probleme erkennen und gemeinsam Lösungen finden
Um Spannungen zwischen den Generationen im Unternehmen zu vermeiden, ist es wichtig, all diese Menschen an einen Tisch zu bringen und gemeinsam ins Gespräch zu kommen. Dies kann helfen, erste Barrieren zu beseitigen sowie mehr Empathie und Verständnis untereinander aufzubauen.
Es sollte eine Unternehmenskultur geschaffen werden, in der Meinungen ausgetauscht und Meinungsverschiedenheiten offen ausdiskutiert werden können – ohne Angst vor eventuellen Folgen oder drastischen Konsequenzen. Kommunikation, aktives Zuhören und Austausch sind gefragt, dazu zählen zum Beispiel auch regelmäßige Team- Events.
Weniger Fokus auf einzelne Generationen, dafür Gesamtheit der Belegschaft betrachten
Die meisten Unternehmen stellen sich die Frage: „Was brauchen die Jungen?“, doch sollte es nicht darum gehen, einzelne Altersgruppen von Mitarbeitenden zu betrachten, sondern immer die Gesamtheit aller Beteiligten. Am sinnvollsten ist es daher, dass sich Unternehmen vielmehr darauf fokussieren, was die Menschen konkret brauchen, um individuell und auch im Team besser arbeiten zu können.
Des Weiteren ist es von großer Bedeutung, herauszufinden, welche Unternehmenskultur die Bedürfnisse und Wünsche der gesamten Belegschaft unterstützt. Auf diese Weise lässt sich eine ganzheitliche Lösung finden, die zu einem guten Verständnis der Mitarbeitenden untereinander führt und sich auch in erfolgreichen Arbeitsergebnissen widerspiegelt.
Nachfolgende drei Aspekte bilden hierfür eine gute Grundlage:
Besseres Verständnis untereinander mit altersgemischten Teams
Altersgemischte Teams etablieren (Recruiting): Wenn Führungskräfte ihre Teams von vorneherein so gestalten, dass dort Jung und Alt zusammenarbeiten, dann entspricht dies gelebter Realität. Je mehr die verschiedenen Generationen miteinander in Berührung kommen und je besser sie fachlich voneinander lernen können, desto weniger Generationenkonflikte gibt es in der Regel.
Voneinander lernen als Erfolgskonzept
Wissenstransfer fördern: Dies kann sogar so weit führen, dass Hierarchiestufen eben nicht mehr wie bisher nach dem Senioritätsprinzip funktionieren, indem die Älteren stets die Jungen führen. Führung ist schließlich keine Frage des Alters, sondern der Qualifikation und vor allem der Kompetenz.
In die Weiterbildung von älteren und jüngeren Mitarbeitenden gleichermaßen investieren
Schulung und Befähigung: Ein ähnliches Thema ergibt sich insbesondere in Bezug auf die Digitalisierung. Stichwort: Befähigung: Eine Studie des Demographie Netzwerks aus dem Jahr 2020 hat ergeben, dass lediglich 44% in die Weiterbildung der älteren Mitarbeitenden investieren, wohingegen dies bei 85% der jüngeren Belegschaft der Fall ist.
Methoden für eine erfolgreiche Arbeit mit unterschiedlichen Generationen
Um die Arbeit mit Mitarbeitenden aus unterschiedlichen Generationen bestmöglich zu gestalten, sollten bestimmte Methoden angewandt werden. Dazu kann etwa die Einstellung von Senior-Praktikantinnen und Praktikanten gehören, die trotz eines fortgeschritteneren Alters den Einstieg in das Unternehmen wagen und neue Sicht- und Arbeitsweisen erlernen möchten. Des Weiteren können auch Expertinnen und Experten eingestellt werden, welche die Arbeit im Unternehmen beaufsichtigen und als Ansprechpersonen für sämtliche Mitarbeitende fungieren.
Mithilfe von Jobtandems kann die Zusammenarbeit untereinander gestärkt und so die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Generationen aufgearbeitet werden. Dabei wird häufig festgestellt, dass es viel voneinander zu lernen gibt.
Ein sogenanntes Reverse Monitoring kann ebenso sinnvoll sein, um die Beziehungen zwischen Mitarbeitenden unterschiedlichen Alters zu stärken. Beim klassischen Monitoring werden meist ältere, erfahrene Mitarbeitende damit beauftragt, jüngere Mitarbeitende zu beaufsichtigen und diesen hilfreiche Tipps zu geben. Das Reverse Monitoring wird so gestaltet, dass es vor allem die Jüngeren sind, die ältere Beschäftigte an die Hand nehmen und diesen innovative Ideen sowie Arbeitsweisen vermitteln.
Der Weisheit letzter Schluss
Abschließend lässt sich sagen, dass Erfolg keine Frage des Alters ist. Einer Studie der Universität Bremen (2016) zufolge ist das tatsächliche Alter einer Person und deren berufliches Leistungsvermögen nicht systematisch miteinander verknüpft. Das Motto lautet folglich: Passion meets Performance.
Entscheidungen über die Zukunft können nur gemeinschaftlich getroffen werden, da alle, egal ob jung oder alt, ein bedeutender Teil des Systems und dieser Zukunft ist. Sämtliche wirtschaftliche und soziopolitische Themen müssen generationenübergreifend gelöst und diskutiert werden, denn hier kann und muss jede Generation etwas beitragen.
Podcast-Folge Klartext HR zu generationsübergreifender Zusammenarbeit
In Klartext HR Folge 52 spricht Dr. Irène Kilubi mit Persoblogger Stefan Scheller zu Möglichkeiten, wie HR generationsübergreifende Zusammenarbeit fördern kann. Ein 15-Minuten-Audio-Impuls.