Bei Beendigung von Dienst- und Arbeitsverhältnissen durch Aufhebungsvertrag oder Kündigung wird der Abfindung zum Teil große Bedeutung zugemessen. Insbesondere bei dem Erhalt einer betriebsbedingten Kündigung stellt sich oft die Frage nach einer Entschädigung für den Arbeitnehmer. Wir erleben in der Beratungspraxis häufig, dass es zum Thema Abfindung eine ganze Reihe von Halbwahrheiten gibt. Dieser Beitrag beleuchtet die klassischen Fragen zum Thema Abfindung und gibt einen Überblick über die wichtigsten Merkmale der Abfindung nach deutschem Arbeitsrecht.
Was versteht man unter einer Abfindung?
Eine Abfindung ist eine einmalige außerordentliche Zahlung, die ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes und der damit verbundenen Verdienstmöglichkeit erhält.
Nicht nur Arbeitnehmer, sondern häufig auch Geschäftsführer, können eine Abfindung erhalten. Viele glauben, der Arbeitnehmer habe einen gesetzlichen Rechtsanspruch auf eine Abfindung. Dies ist ein Irrglaube und im Allgemeinen nicht der Fall. Dies ist vielmehr rechtlich schlicht falsch, wenn Arbeitnehmer davon ausgehen, dass ihnen selbstverständlich nach einer durch den Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung eine Abfindung zugesprochen werden müsse.
Wann besteht ein Rechtsanspruch auf Zahlung einer Abfindung?
Im Rahmen der nachfolgend aufgelisteten Fälle kann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung haben:
Erfolgreicher Auflösungsvertrag nach §§ 9, 10 KSchG
Beim erfolgreichen Auflösungsantrag des Arbeitsnehmers nach §§ 9, 10 KSchG muss der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess darlegen, dass „eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer nicht mehr erwartet werden kann“. In der Praxis am häufigsten sind hierzu die Fälle, in denen es während des Kündigungsschutzprozesses zu erheblichen Ehrverletzungen des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer oder umgekehrt kommt. Aber auch dann, wenn sich im Laufe des Kündigungsschutzprozesses herausstellt, dass die Kündigung durch den Arbeitgeber aus völlig unsachlichen Motiven, zum Beispiel der sexuellen Orientierung oder Religion des Arbeitnehmers erfolgt ist.
Dringende betriebliche Erfordernisse
Nach § 1a KSchG, wenn die Kündigung wegen dringlicher betrieblicher Erfordernisse ausgesprochen wird und in der Kündigungserklärung ein Hinweis enthalten ist, dass der Arbeitnehmer bei verstreichen lassen der Klagefrist, eine Abfindung beanspruchen kann. Das Verfahren nach § 1a KSchG hat sich aus unserer Sicht nicht als brauchbare Alternative zum Auflösungs- und Abwicklungsvertrag entwickelt.
Tarifvertragliche Abfindungsansprüche
Tarifverträge sehen Abfindungszahlungen im Einzelfall manchmal für langjährig Beschäftigte vor, da aber in sogenannten Tarifsozialplänen.
Sozialplanabfindung oder Nachteilsausgleichsanspruch
Ein Anspruch auf eine Abfindung ergibt sich nach § 113 BetrVG bei der Sozialplanabfindung oder dem sogenannten Nachteilsausgleichsanspruch. Üblicherweise orientieren sich die Verhandlungspartner bei der Höhe der Sozialplanabfindung nach den Kriterien, die weitgehend auch für die Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen gilt:
- Lebensalter
- Schwerbehinderung
- Betriebszugehörigkeit
- Einkommen und
- Unterhaltsverpflichtungen
Kein verbindlicher Abfindungsanspruch bei „klassischer Kündigung“
Im Falle einer „klassischen“ Kündigung sieht das Gesetz gerade keinen verbindlichen Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers vor. Ein solcher könnte jedoch arbeitsvertraglich vereinbart werden. Entsprechende Regelungen sind in der Praxis aber eher selten anzutreffen.
Regelungen dieser Art finden sich eher noch in Geschäftsführerdienstverträgen. Ein Fremdgeschäftsführer gilt rechtlich nicht als Arbeitnehmer und kann sich daher nicht auf den allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz berufen. Sein Geschäftsführeranstellungsvertrag ist – natürlich unter Einhaltung der vereinbarten Form- und Fristvorschriften – frei kündbar, ohne dass es eines besonderen Grundes bedarf.
Wenn ein Geschäftsführer gut verhandelt, lässt sich im Geschäftsführeranstellungsvertrag durchaus ein Anspruch des Geschäftsführers auf Zahlung einer Abfindung im Falle einer Kündigung durch die Gesellschaft regeln.
Warum zahlen Arbeitgeber eine Abfindung?
In Deutschland genießt jeder Arbeitnehmer, der in einem Betrieb mit regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer und länger als 6 Monate beschäftigt ist, einen gesetzlichen Kündigungsschutz. Das bedeutet, dass die Kündigung aus verhaltens-, personen- oder betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt sein muss. Man bezeichnet dies auch als „soziale Rechtfertigung der Kündigung“.
Wehrt sich der Arbeitnehmer, kommt es zum Kündigungsschutzprozess. Der Arbeitgeber kann sich nie ganz sicher sein, ob er ein etwaiges Kündigungsschutzverfahren auch tatsächlich gewinnt. Ganz im Gegenteil: Die materiellen Anforderungen an eine Kündigung sind sehr hoch und häufig halten die Kündigungen einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.
Hinzukommt, dass durch streitiges Urteil erledigte Verfahren im Durchschnitt 8-12 Monate andauern. Wenn der Arbeitgeber das Verfahren nun verliert, riskiert er für die gesamte zurückliegende Zeit, dem gekündigten Mitarbeiter aus dem Gesichtspunkt des Verzuges das Gehalt nachzuzahlen.
Es besteht also ein Verzugslohnrisiko von durchschnittlich 8-12 Monatsgehältern. Durchlaufen die Parteien mehrere Instanzen, also legt einer der Parteien Berufung und/oder Revision ein, dauert das Verfahren mitunter einige Jahre.
Der Arbeitgeber hat also deshalb die Wahl, den Ausgang des Prozesses abzuwarten und im Falle eines Prozessverlusts, hohen Gehaltsforderungen des Mitarbeiters ausgesetzt zu sein. Oder er entscheidet sich – in der Regel nach Beratung mit einem Rechtsanwalt seiner Wahl – zur Zahlung einer angemessenen Abfindung und den Parteien gelingt es, zügig einen dicken Schlussstrich unter die Sache zu ziehen.
Wie hoch ist eine Abfindung?
Das Gesetz sieht lediglich bei einer Kündigung nach § 1a KSchG vor, dass die Abfindung mindestens 0,5 Bruttomonatsgehälter x Betriebszugehörigkeit betragen muss. In allen anderen Fällen ist die Abfindung frei verhandelbar und deren Höhe hängt in der Tat von vielen Aspekten ab. Als „Faustregel“ hat sich zwar der Faktor 0,5 etabliert, letztlich sind es aber viele Faktoren, die für die Höhe der Abfindung entscheidend sind. Zu erwähnen sind insbesondere, die
- Erfolgsaussichten eines etwaigen Kündigungsschutzprozesses
- Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen
- wirtschaftliche „Kraft“ des Arbeitgebers
- das Alter des Arbeitnehmers und dessen Betriebszugehörigkeit und
- dessen Jobchancen am Arbeitsmarkt.
Die Autorin dieses Beitrags misst der Abfindung bei gerichtlichen und/oder außergerichtlichen Abwicklungsverhandlungen eine durchaus hohe Bedeutung zu. Jedoch gibt es auch eine Vielzahl anderer Möglichkeiten, die bei einem Verhandlungspoker in Spiel bringen kann.
Aus Sicht des Arbeitnehmers spielen insbesondere sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen und die Verhängung einer etwaigen Sperrzeit im Hinblick auf die Gewährung von Arbeitslosengeld eine Rolle. Auch hier sollte der Arbeitgeber informiert sein, um bei der Verhandlung einer Abwicklung die sozial- und rentenversicherungsrechtlichen Aspekte kennen und berücksichtigen. Schließlich gibt es Vertragsgestaltungen, die zu führen, dass der Arbeitnehmer sozialversicherungsrechtlich abgefedert ist und die Abfindungszahlung lohnsteuerlich optimiert bei ihm ankommt.
Fazit zum Thema Zahlung einer Abfindung an Arbeitnehmer
Bei arbeitsrechtlichen Einigungen hat die Abfindung sicherlich eine große Bedeutung. Man sollte jedoch nicht unterschätzen, dass Abwicklungsverhandlungen an vielen Stellen im Arbeitsrecht auch sozialversicherungsrechtliche, rentenversicherungsrechtliche und steuerrechtliche Aspekte verzahnt.
Aus Sicht der Verfasserin ist neben der Fachkunde pragmatisches und lösungsorientiertes Verhandeln gefragt. Mit dem Ziel einer zügigen und interessensgerechten Lösung für beide Arbeitsvertragsparteien. Die Durchführung eines streitigen Verfahrens, womöglich unter Ausnutzung des Instanzenzuges, ist nur in den wenigsten Fällen angesagt und empfohlen.
Neben der Abfindungshöhe gibt es noch weitere Regelungselemente einer Abwicklungsvereinbarung, insbesondere die Verlängerung der Kündigungsfrist oder die Übernahme von Kosten einer Outplacementberatung als auch die Regelung einer sogenannten „Turboklausel“. Letzter könnte den Arbeitnehmer dazu bewegen, einer Abwicklung – egal ob außergerichtlich oder gerichtlich – zuzustimmen.
Bei höheren Abfindung spielen selbstverständlich auch steuerliche Gestaltungen eine Rolle. Wie hoch oder auch gering die Abfindung im Einzelfall ausfällt, hängt sicherlich ebenso vom Verhandlungsgeschick des Arbeitnehmers und der involvierten Berater ab.