Arbeitgeber haben in großem Maßstab in Hygienemaßnahmen und Unternehmensinfrastruktur investiert, um ihre Belegschaften zu schützen, mobiles Arbeiten zu ermöglichen und das wirtschaftliche Leben und damit den sozialen Zusammenhalt aufrechtzuerhalten. Zur Bekämpfung der Corona-Pandemie hält die Bundesregierung eine abgestimmte Test- und Impfstrategie dringend für erforderlich. Wichtige Infos für Sie.
Nach der Impfpflicht die Corona-Testpflicht
In Ihrem letzten Blog hat die Autorin bereits ausführlich zu den Themen Impfpflicht, Impfprämien und etwaigen arbeitsrechtlichen Konsequenzen Stellung genommen. In diesem Beitrag beleuchtet sie die Frage, ob und unter welchen rechtlichen Bedingungen eine Testpflicht angeordnet werden kann.
Druck in Richtung Corona-Testpflicht wächst
Unsere Bundeskanzlerin hat die Unternehmen aufgefordert, auf freiwilliger Basis den Mitarbeitern zwei Tests pro Woche anzubieten. Sollten die Unternehmen dieser Aufforderung nicht Folge leisten, zieht die Bundesregierung in Erwägung, regulatorisch einzugreifen. Nun fordert auch der Deutsche Gewerkschaftsbund eine Pflicht für Betriebe , ihren Mitarbeitern Corona-Tests anzubieten und diese zu bezahlen.
In deutschen Unternehmen wird nach Darstellung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, BDA, jedoch bereits großflächig auf Corona getestet. Auch haben die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft am 9. März 2021 eine Gemeinsame Erklärung abgegeben und appellieren an die Unternehmen, ihren Beschäftigten Selbsttests, und wo dies möglich ist, Schnelltests anzubieten, um Infektionen frühzeitig zu erkennen.
Allerdings erklärte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger jüngst, die privaten Unternehmen hätten ihre Testanstrengungen stark ausgeweitet: „Mit dem ständigen Drohen einer gesetzlichen Regelung wird dieses Engagement nicht anerkannt. Ein Testgesetz schafft nicht mehr Schutz, sondern mehr Bürokratie, mehr Kosten, weniger Eigeninitiative und einen Haufen ungeklärter rechtlicher und organisatorischer Fragen.“
Ganz Unrecht hat er damit nicht.
Wie ist die aktuelle Rechtslage zum Thema Corona-Testpflicht?
Das Ganze ist naturgemäß „Neuland“. Es gibt aktuell noch keine arbeitsgerichtliche Entscheidung (schon gar nicht höchstrichterlich!), die sich damit abschließend befasst hat und an der sich Unternehmen oder Berater orientieren könnten.
Nur der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat am 02.03.21 die Pflicht zu engmaschigen Corona-Tests für Beschäftigte in Pflege- und Altenheimen vorläufig außer Vollzug gesetzt. Hier ging es aber um eine bayerische Corona-Verordnung, nach deren Inhalt sich Beschäftigte von Alten- und Pflegeeinrichtungen mindestens drei Mal pro Woche testen lassen mussten und der Beobachtung durch die zuständige Kreisverwaltungsbehörde unterlagen.
Im Beschluss des Corona-Gipfels der Ministerpräsidenten aller Länder vom 22. März 2021 wird die Umsetzung der Testangebote in allen Unternehmen in Deutschland allerdings als notwendig erachtet. Auch Sachsen hat am 22.03.21 auf Landesebene eine Testpflicht einmal pro Woche beschlossen.
Die Bundes – „Corona-Arbeitsschutzverordnung“ sieht derzeit (noch) keine Regelungen zu Corona-Schnelltests vor. Unabhängig davon verpflichtet bereits § 618 BGB den Arbeitgeber, Räume, Vorrichtungen und Gerätschaften so einzurichten und zu unterhalten, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.
Hygienemaßnahmen umsetzen
Diese Schutzpflicht des Arbeitgebers wird durch Arbeitsschutzvorschriften und Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften konkretisiert. Corona-bedingt sind Hygienemaßnahmen (Abstand, Mund-Nase-Schutz, Home-Office, Einzelbüros, Vermeidung unnötiger (Kunden-)Kontakte, regelmäßiges Lüften) umzusetzen und dabei das jeweils aktuelle Infektionsgeschehen zu berücksichtigen. Vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und von den Arbeitsschutzausschüssen auf Bundesebene wurden hierzu spezielle Corona-Arbeitsschutzstandards festgelegt.
In dem vorerwähnten Beschluss der Ministerpräsidenten wurde noch keine verbindliche, regulatorische Verpflichtung der Unternehmen aufgenommen, den Mitarbeitern ein Testangebot zu unterbreiten. Allerdings ist eine solche zu erwarten, da die Betriebe angehalten wurden, allen im Unternehmen präsenten Beschäftigten pro Woche das Angebot von mindestens einem kostenlosen Schnelltest zu unterbreiten. Beschäftigtengruppen mit erhöhtem Infektionsrisiko sollen zweimal pro Woche ein Testangebot erhalten. Arbeitnehmer können die Testangebote annehmen, müssen es aber nicht.
Kann der Arbeitgeber Schnelltests auf Basis des Direktionsrechtes oder aus Gründen des Gesundheitsschutzes anordnen?
Können Arbeitgeber Corona-Testpflicht via Schnelltests anordnen?
Ohne gesetzliche Grundlage kann man bei den entsprechenden Überlegungen nur auf die allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätze anknüpfen.
Hierzu im Einzelnen:
Infektionsschutzgesetz (IfSG)
Das IfSG (Infektionsschutzgesetz) sieht derzeit noch keine unmittelbare Testpflicht vor. Eine sofortige Änderung der Corona-Arbeitsschutzverordnung wäre erforderlich und dies zieht wohl die Bundesregierung in Erwägung.
Arbeitsschutzgesetz und Bürgerliches Gesetzbuch
Weitere Rechtsgrundlage könnte § 3 Arbeitsschutzgesetz (ggf. in Verbindung mit § 618 BGB) sein. Hiernach müssen Arbeitgeber die nötigen Schutzmaßnahmen für ihre Mitarbeitenden nicht nur im eigenen Interesse einer möglichst langen Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs ergreifen, sie sind auch gesetzlich dazu verpflichtet (§ 618 Abs. 1 BGB, § 3 Arbeitsschutzgesetz /ArbSchG). Entsprechend kommt es auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls und die damit korrespondierende Präventionspflicht des Arbeitgebers an.
Direktionsrecht nach Gewerbeordnung
Der Arbeitgeber könnte eine Testanweisung auch auf das Direktionsrecht stützen. Dieses ist in § 106 GewO geregelt und lautet wie folgt:
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb.
Zu beachten ist jedoch, dass die Ausübung des Direktionsrecht stets nach billigem Ermessen erfolgen muss. Mit anderen Worten: Der Arbeitgeber muss vor Ausübung des Direktionsrechtes eine Abwägung der Arbeitergeber – und Arbeitnehmerinteressen vornehmen.
Dies bedeutet für die Frage einer Testpflicht, dass der Arbeitgeber zunächst alle „üblichen“ Corona-Schutzmaßnahmen ergreifen muss, um eine Ausbreitung des Corona-Virus zu verhindern. Sollten diese Maßnahmen aufgrund der besonderen lokalen Arbeitsbedingungen (z.B. mangelnder Abstand, schlechte Lüftung ) nicht möglich sein, könnten die Arbeitgeber die Mitarbeiter einer Testpflicht unterwerfen und diese anordnen.
Die juristische Einschätzung der Autorin
Weist der Arbeitnehmer beispielsweise coronatypische Symptome wie Husten, Geschmacksverlust, Fieber oder Atembeschwerden auf und ist eine Beschäftigung ohne Kontakt zu Anderen – z.B. im Home-Office – ausgeschlossen, darf der Arbeitgeber einen Corona-Test anordnen. In diesen Fällen, in denen der Arbeitgeber einen konkreten Verdacht einer möglichen Ansteckung hat, gebietet es bereits die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zum Schutz der anderen Beschäftigten, eine Testdurchführung anzuordnen. Der Mitarbeiter wird dann sicherlich von der Arbeitsleistung zunächst entbunden und aufgefordert einen PCR-Test zu machen. Jedenfalls müssen aus Sicht der Autorin bei begründeten Zweifeln an dem gesundheitlichen Allgemeinzustand des Arbeitnehmers, geringe Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit geduldet werden.
Aufgrund der weitreichenden wirtschaftlichen und gesundheitlichen Konsequenzen der Pandemie erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass auch die Gerichte dem Nutzen präventiver Massentests im Betrieb einen besonders hohen Stellenwert einräumen werden – jedenfalls solange noch nicht ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht.
Interessen der Beschäftigten treten hinter Corona-Testpflicht durch Arbeitgeber zurück
Zusammengefasst treten die Mitarbeiterinteressen hinter die Interessen des Arbeitgebers zurück, da die Arbeitgeberinteressen wie Gesundheitsschutz, Fürsorgepflicht und Aufrechterhaltung des Betriebs überwiegen. Außerdem sind die Beeinträchtigungen der Mitarbeiterinteressen aus meiner Sicht nicht erheblich, da die Durchführung von Schnelltests zeitlich begrenzt ist und keinen spürbaren körperlichen Eingriff darstellt.
So werden nach Kenntnis der Autorin von einigen Arbeitgebern bereits COVID-19 Antigen-Schnelltests solcher Hersteller angeboten, die zum direkten Nachweis einer akuten SARS-CoV-2 Infektion dienen und als besonders „patientenfreundlich“ gelten. Diese Antigen-Selbsttests benötigen zur Anerkennung eine Zulassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Oft funktioniert der diagnostische Antigentest mittels Abstrich im vorderen Nasenbereich. Durch die geringe Einführungstiefe von etwa 2 cm ist die Probeentnahme besonders patienten-/arbeitnehmerfreundlich. Dadurch werden unangenehme Begleiterscheinungen wie Husten, Niesen oder Würgereflex minimiert. Das Testergebnis erscheint dann innerhalb von 15 Minuten auf der Testkassette.
Mit der Durchführung von PoC-Antigen-Schnelltests und anderen Tests können selbstverständlich auch externe Stellen (z. B. Betriebsarzt, Apotheke, Testzentrum) beauftragt werden.
PoC-Antigen-Tests müssen im Übrigen durch nachweislich fachkundige (z. B. durch eine Ausbildung im medizinischen Bereich) Personen durchgeführt werden. Die probenehmende Person ist vor Aufnahme der Tätigkeit auf Grundlage der durch die tätigkeitsbezogene Gefährdungsbeurteilung erstellten Betriebsanweisung zu unterweisen
Klar sollte sein, dass die Tests während der Arbeitszeit und selbstverständlich auf Kosten des Arbeitgebers durchzuführen sind.
Datenschutz im Zusammenhang mit einer Corona-Testpflicht
Werden im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie personenbezogene Daten erhoben, werden in den meisten Fällen Bezüge zwischen Personen und deren Gesundheitszustand hergestellt. Ab diesem Zeitpunkt handelt es sich um Gesundheitsdaten, die nach Artikel 9 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) besonders geschützt sind und eigentlich eine etwaige Verwertung dieser Daten nur sehr restriktiv möglich ist.
Hinsichtlich verschiedener Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie oder zum Schutz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sollte es aber möglich sein, datenschutzkonform Daten zu erhoben und zu verwenden. Dabei sind der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die gesetzliche Grundlage stets mit der Folge zu beachten, dass auch im Rahmen des Datenschutzes ist eine Interessensabwägung vorzunehmen ist. Es gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, sodass die Frage zu stellen ist, ob es andere – weniger in die Rechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingreifende –, aber gleich wirksame Möglichkeiten des Gesundheitsschutzes gibt.
Zudem ist auch die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, der den Gesundheitsschutz aller Beschäftigen sicherstellen soll, zu beachten. Das bedeutet, dass Arbeitgeber Ansteckungen mit dem Virus und schwerwiegende Verläufe verhindern muss. Diese Interessen überwiegen aus Sicht der Autorin die Interessen des einzelnen Arbeitnehmers hinsichtlich seines Persönlichkeitsrechts.
Arbeitsrechtliche Konsequenzen bei Verweigerung gegenüber Corona-Testpflicht
Geht man nun davon aus, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, eine Testpflicht anzuordnen, dann verletzt der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten, wenn er die Testung verweigert. Schuldhafte Pflichtverletzungen können den Arbeitgeber zur Abmahnung bis hin zur ordentlichen, gegebenenfalls sogar außerordentlichen fristlosen Kündigung des Arbeitnehmers berechtigen.
Für die Beurteilung kommt es jeweils auf den Einzelfall an. Der Arbeitgeber könnte dem Arbeitnehmer aber auch ein Hausverbot erteilen und die Fortzahlung des Gehaltes verweigern.
Fazit zur Corona-Testpflicht
Der Arbeitgeber, der eine Testpflicht einführen möchte, sollte an das Verständnis der Arbeitnehmer appellieren und diese durch Aufklärung dazu bringen, an der Testung zum Schutze der Gesundheit aller und der Aufrechterhaltung der betrieblichen Tätigkeit mitzuwirken. Das Einverständnis der Mitarbeiter muss schriftlich dokumentiert werden. Ist im Betrieb ein Betriebsrat etabliert, empfiehlt sich aus dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes der Abschluss einer Betriebsvereinbarung. Der Betriebsrat ist ohnehin einzubeziehen, weil mit der Testpflicht gem. § 87 I Nr. 1, Nr. 7 BetrVG sowohl Fragen der Ordnung des Betriebs als auch des betrieblichen Gesundheitsschutzes betroffen und damit mitbestimmungspflichtig sind. Auch sind die Kosten einer solchen Maßnahme selbstverständlich vom Arbeitgeber zu tragen.
Aber: Ein Restrisiko des Arbeitsgebers bleibt!
Weisen Arbeitgeber Schnelltests an und Mitarbeiter verweigern diese, drohen arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen. Eine Rechtssicherheit gibt es aktuell für keine der Arbeitsvertragsparteien. Hier wäre dann der Gesetzgeber gefragt, der die arbeits- und datenschutzrechtlichen Voraussetzungen schaffen müsste, um bundesweit eine Testpflicht einzuführen.