Vieler meiner Mandanten glauben, dass die wirtschaftlichen Beeinträchtigungen als Auswirkung auf die Corona-Pandemie per se berechtigen könnten, betriebsbedingte Kündigungen zu erklären. Dies wird häufig mit Auftragsrückgang, Umsatzverfall oder Gewinneinbruch erklärt. Der nachfolgende Beitrag beleuchtet die Voraussetzungen von betriebsbedingten Kündigungen in Zeiten von Kurzarbeit und Corona.
Schutz vor Arbeitslosigkeit durch Kurzarbeitergeld
Die Bundesregierung hat mit dem erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld und weiteren Instrumenten versucht, die Folgen der Corona-Krise für den Arbeitsmarkt zu entschärfen. Für Arbeitnehmer bedeutet das oftmals Kurzarbeit. Das heißt bei reduziertem Einkommen für eine noch unbestimmte Zeit weniger Stunden oder gar nicht zu arbeiten. Gleichwohl könnten viele Menschen ihre Arbeit verlieren.
Voraussetzungen für eine erfolgreiche betriebsbedingte Kündigung
Findet das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Anwendung?
Die nachfolgenden Ausführungen sind nur dann von Relevanz, wenn auf Ihren Betrieb das KSchG anwendbar ist. Während sich Verantwortliche in Kleinbetrieben quasi frei entscheiden können, welcher Arbeitnehmer (m/w/d) gekündigt werden kann und Arbeitgeber nahezu Kündigungsfreiheit genießen, ändert sich dies schlagartig in Unternehmen, in denen das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet.
Dort kann das Arbeitsverhältnis nur gekündigt werden, wenn
- Gründe in der Person des Arbeitsnehmers
- Gründe im Verhalten oder eben
- betriebsbedingte Gründe
Das KSchG findet Anwendung, wenn der Arbeitnehmer länger als sechs Monate in demselben Betrieb (§ 1 Abs. 1 KSchG) beschäftigt ist. Und zusätzlich aktuell in diesem Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer (bis 31.12.2003: mehr als fünf Arbeitnehmer) regelmäßig beschäftigt sind. Zählweise: Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bis 20 h sind mit einem Faktor 0,5, bis 30 h mit einem Faktor 0,75 und darüber mit einem Faktor 1,0 zu berücksichtigen.
Dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 S.1 KSchG
Dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG, die eine Kündigung „bedingen“, liegen vor, wenn die Umsetzung einer unternehmerischen (Organisations-) Entscheidung spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Bedarfs an einer Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers führt. Diese Prognose muss dabei schon im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv berechtigt sein.
Die unternehmerische Organisationsentscheidung wird nur auf Missbrauch überprüft (Art. 12 Abs.1 Grundgesetz). Denn jeder hat ein verfassungsgemäß geschütztes Recht auf freie Berufswahl und Berufsausübung.
Der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt dagegen, ob die Organisationsentscheidung tatsächlich zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs geführt hat bzw. führen wird. Der Maßstab ist gegebenenfalls die zum Zeitpunkt der Kündigung gerechtfertigte Prognose.
Beispiele für unternehmerische (Organisations-) Entscheidungen, die zum Wegfall von Beschäftigungsbedarf im Betrieb führen:
- Fremdvergabe/Outsourcing von Tätigkeiten
- Umverteilung von Aufgaben
- Abbau einer Hierarchieebene
- (geplante) Betriebs(teil)stilllegung
Problem: Kurzarbeit und betriebsbedingte Kündigungen
Ziel der Kurzarbeit ist nun gerade die Sicherung der Arbeitsplätze während einer kurzfristigen Krise. Voraussetzung für die Gewährung von Kurzarbeitergeld (KUG) ist ein vorübergehender Arbeitsausfall. Während bei betriebsbedingten Kündigungen ein dauerhafter Wegfall des Arbeitsplatzes gefordert wird. Das beißt sich!
In der Zwischenzeit ziehen einige Unternehmen betriebsbedingte Kündigungen in Betracht, auch weil gegebenenfalls die Abläufe geändert wurden, Umstrukturierung stattgefunden haben oder Aufträge langfristig entfallen. Man kann also auch in der Kurzarbeit rationalisieren und Aufträge fremd vergeben. Allerdings Vorsicht: Ein Umsatzrückgang führt nicht zwangsläufig zu weniger Arbeit.
Rechtlich belastbare Quellen dazu gibt es kaum.
Betriebsbedingte Kündigungen während Kurzarbeit
Aber das Bundesarbeitsgericht hat sich in einer Entscheidung aus dem Jahr 2012 mit dem Thema Kündigung in der Kurzarbeit befasst und Folgendes festgehalten:
- Ein nur vorübergehender Arbeitsmangel kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen. Wird im Betrieb Kurzarbeit geleistet, spricht dies gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf.
- Entfällt die Beschäftigungsmöglichkeit für einzelne von der Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer aufgrund weiterer, später eingetretener Umstände dauerhaft, kann trotz der Kurzarbeit ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung vorliegen. Dies setzt voraus, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit zur Reduzierung der geschuldeten Arbeitszeit, die ihm die Regelungen zur Kurzarbeit bieten, in vollem Umfang ausgeschöpft
- Der Arbeitgeber hat die Tatsachen näher darzulegen, aus denen sich ergeben soll, dass zukünftig auf Dauer mit einem reduzierten Arbeitsvolumen und Beschäftigungsbedarf zu rechnen ist.
- Das Vorliegen von möglicherweise nur kurzfristigen Produktions- oder Auftragsschwankungen muss ausgeschlossen sein.
- Dem muss der Inhalt und die Substanz des Sachvortrags Rechnung tragen. Das heißt konkret: Sie als Arbeitgeber müssen den dauerhaften Rückgang des Arbeitsvolumens nachvollziehbar darstellen, indem Sie die einschlägigen Daten aus repräsentativen geschäftlichen Referenzperioden miteinander vergleichen.
Hinweis: Der Arbeitnehmer kann mit Ausspruch der Kündigung gemäß § 98 Abs. 1 Nr. 2 SGB III seinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld (KUG) verlieren, da dieses seinen arbeitsplatzsichernden Zweck nicht mehr erfüllen kann. Damit rückt die Frage nach einem Lohnanspruch gegen Sie als Arbeitgeber in den Vordergrund. Ist der Fall der Kündigung während der Kurzarbeit in einer Ihrer Betriebsvereinbarungen geregelt?
Gibt es einen Weiterbeschäftigungsanspruch?
Eine ordentliche Beendigungskündigung ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgeschlossen, wenn die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz gegebenenfalls auch zu geänderten bzw. schlechteren Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.
Dies setzt voraus, dass ein freier vergleichbarer, das heißt gleichwertiger, Arbeitsplatz oder ein freier Arbeitsplatz zu geänderten bzw. schlechteren Arbeitsbedingungen vorhanden ist. Und dass der Arbeitnehmer über die hierfür erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt. Das Angebot einer Weiterbeschäftigung zu geänderten bzw. schlechteren Bedingungen kann lediglich in Extremfällen unterbleiben.
Eine Weiterbeschäftigung hat auch dann vorrangig zu erfolgen, wenn sie erst nach einer Einarbeitung des Arbeitnehmers auf einer freien Stelle und sogar gegebenenfalls erst nach einer dem Arbeitnehmer anzubietenden zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahme möglich ist.
Macht der Arbeitnehmer geltend, es sei eine Beschäftigung an anderer Stelle möglich, obliegt es ihm darzulegen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Erst daraufhin müssen Sie als Arbeitgeber eingehend erläutern, aus welchen Gründen eine solche Beschäftigung nicht möglich ist.
Schließlich müssen Sie eine Sozialausfall durchführen
Bei betriebsbedingten Kündigungen müssen Sie als Arbeitgeber die Schutzbedürftigkeit der betroffenen Arbeitnehmer überprüfen. Hierfür gibt das KSchG Auswahlmerkmale. Dies sind
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Lebensalter
- Unterhaltspflichten und
- Schwerbehinderung
Grundsätze zur Durchführung einer Sozialauswahl
Es gibt zu diesem Thema zahllose Urteile. Nachfolgend einige der im Rahmen der Sozialauswahl einzuhaltenden Grundsätze.
- Die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG ist auf Arbeitnehmer desselben Betriebs beschränkt. Sie müssen also keine vergleichbaren Arbeitnehmer in Ihren anderen Betrieben mit in die Sozialauswahl einbeziehen.
- Es bleibt bei einer streng betriebsbezogenen Sozialauswahl selbst dann, wenn Sie sich als Arbeitgeber ein betriebsübergreifendes Versetzungsrecht vorbehalten haben.
- In die Sozialauswahl sind diejenigen Arbeitnehmer einzubeziehen, die objektiv miteinander vergleichbar sind. Das meint: Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die -bezogen auf die Merkmale des Arbeitsplatzes- sowohl aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse als auch nach dem Inhalt der von ihnen vertraglich geschuldeten Aufgaben austauschbar
- Dies ist nicht nur bei identischen Arbeitsplätzen der Fall, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit und Ausbildung die zwar andere, aber gleichwertige Tätigkeit ausüben kann.
- An einer Vergleichbarkeit fehlt es, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aus Rechtsgründen nicht einseitig auf den fraglichen anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann.
- Aus dem auswahlrelevanten Personenkreis scheiden -trotz im Übrigen bestehender Vergleichbarkeit- solche Arbeitnehmer aus, bei denen eine ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung auf Grund des Gesetzes ausgeschlossen Gesetzliche Kündigungsverbote gehen dem allgemeinen Kündigungsschutz als spezialgesetzliche Regelungen vor.
- Nach überwiegender Auffassung wird das auch für vertragliche Unkündbarkeitsregeln so gesehen. Es sei denn, sie wurden missbräuchlich vereinbart.
Besteht ein Betriebsrat?
Sofern ein Betriebsrat besteht, sind in jedem Fall Mitwirkungsrechte zu beachten. Welche Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte der Betriebsrat hat, richtet sich nach dem Umfang der konkreten Personalabbaumaßnahme:
Nach § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist vor jeder Kündigung der Betriebsrat anzuhören. Auch bei Massenentlassungen im Sinne des § 17 Abs. 1 KSchG ist der Betriebsrat umfassend zu beteiligen (Unterrichtungs- und Beratungspflicht). Und schließlich besteht grundsätzlich eine Interessenausgleichs- und Sozialplanpflicht, wenn die Personalabbaumaßnahme die Voraussetzungen einer Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG erfüllt.
Fazit zu betriebsbedingten Kündigungen
Betriebsbedingte Kündigungen werden durch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie und der Kurzarbeit nicht einfacher. Ich rechne unabhängig von der Frage, ob die Kündigungen einer gerichtlichen Überprüfung standhalten, mit einigen Folgefragen. Denn die Arbeitnehmer könnten bei vorher angeordneter Kurzarbeit auf die Idee kommen, ihren gesamten Lohn nachzufordern.
Dennoch kann eine nachhaltig verschlechterte Auftragslage betriebsbedingte Kündigungen unausweichlich erscheinen lassen. In diesem Fall sollten Sie die Kündigungen sorgfältig vorbereiten.