Die Corona-Krise hat neue Impulse für die HR-Arbeit gebracht. Durch die sehr kurzfristig umzusetzende Flexibilisierung, Mobilisierung und teilweise auch Virtualisierung von Organisation und HR-Prozessen konnten Personaler beweisen, warum sie für das Unternehmen noch immer – vielleicht sogar mehr denn je – von Bedeutung sind. Remote HR klingt vielleicht etwas hochtrabend, aber lassen Sie mich am Praxisbeispiel der DATEV eG aufzeigen, wie HR vor allem in der Krise die Transformation eines Unternehmens voranbringen kann.
Corona-Krisenstab: Entscheiden, Koordinieren und Informieren – alles Remote
Im März 2020 war schnelles und entschlossenes Handeln gefragt. Zum Zeitpunkt des ersten Corona-Lockdowns war klar, dass die Standorte des Unternehmens nach und nach geräumt werden müssen. Ein Krisenstab der Geschäftsleitung unter intensivem Einbezug von HR übernahm die Entscheidung, Koordination und vor allem Kommunikation. Regelmäßige Informations-Formate für alle Beschäftigten sowohl via Intranet, internem Social Media Newsfeed, per Mitarbeiter-App sowie in virtuellen Meetings via Bluejeans-Konferenz sorgten dafür, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem Laufenden blieben.
Eine eigens eingerichtete Sharepoint-Seite zur Corona-Krise informierte in Zusammenarbeit mit der Betriebsärztin sowie dem Betriebsrat gemeinsam über die getroffenen Schutz- und Vorsorgemaßnahmen und lud zur Diskussion ein. Wie gut, dass das Unternehmen in den letzten Jahren die interne Social Media Kommunikation stufenweise lernen konnte.
Homeoffice: Mehr als nur Technik und Remote Office-Ausstattung
In einer vor der Krise kaum denkbaren Geschwindigkeit wurden im Zeitverlauf mehr als 7.000 der 8.000 Beschäftigten mit Remote-Zugängen und Homeoffice-Möglichkeiten ausgestattet. Ein großer Vorteil der DATEV als Software-Dienstleister: Das eigene Hochsicherheits-Rechenzentrum. Dennoch war es zu den Spitzenzeiten, als ganz Deutschland auf Remote Work umstellte, gar nicht so einfach, eine ausreichende Menge an Laptops und Office-Tablets zur Verfügung stellen.
Positiv: Mitarbeiter und Führungskräfte konnten über den Einkauf große Monitore als ergonomische Ergänzung für die mobilen Devices anfordern. Auch konnten sich die Beschäftigten über entsprechende Einkaufslisten hochwertige Büroausstattung für ihr Homeoffice zulegen. Das Ziel: Remote-Work von Anfang an technisch zu professionalisieren.
Allerdings machen eine moderne technische Infrastruktur und Büro-Ausstattung noch lange keine produktive Arbeit im Homeoffice. Zumal viele Kolleginnen und Kollegen als Familie gemeinsam während des Lockdowns die oftmals für diesen Zweck recht kleinen Wohnräume teilen mussten. Dazu weiter unten mehr.
Remote Onboarding
Per Postversand den Laptop ins Homeoffice
Besonders herausfordernd gestaltete sich das An-Bord-Holen neuer Kolleginnen und Kollegen während der Lockdown-Intensiv-Phase. Bei geschlossenen Standorten konnten die zum Monatsanfang neu hinzukommenden Beschäftigten nicht einfach vor Ort ihre technische Ausstattung in Empfang nehmen. Also wurden die Prozesse so angepasst, dass eine erstmalige Anschaltung an Unternehmens-Netzwerk ausnahmsweise auch von außerhalb vorgenommen werden konnte. Laptops wurden mit einer Inbetriebnahme-Anleitung kurzerhand direkt ins Homeoffice versendet.
Der Welcome Day als virtuelle remote Onboarding-Veranstaltung
Der erst im letzten Jahr als Onboarding Best Practice gefeierte Welcome Day konnte im April ebenfalls nicht in der Vor-Ort-Variante durchgeführt werden. Über 100 Personen zum Netzwerken und Austauschen persönlich in einem Event zusammen zu bringen, war schlichtweg unmöglich.
Mit ein wenig Vorbereitung und Arbeitsgruppen, die auf Basis kollaborativer Tools über Wochen zusammengearbeitet hatten, entstand der virtuelle Welcome Day. Trotz physischer Distanz gelang es, die neuen Kolleginnen und Kollegen sehr persönlich willkommen zu heißen. Und sie gleichzeitig in wichtige Themen wie Organisation, Markt und Kunde einzuführen. Auch das Befähigen zur eigenständigen weiteren Einarbeitung zusammen mit virtuellen Paten war wesentlicher Teil des DATEV Welcome Day.
Remote Recruiting – Gespräche per Video
Aktuellen Befragungen zeigen, dass 25% der Unternehmen ihre Recruiting-Aktivitäten komplett eingestellt, zahlreiche weitere zumindest teilweise zurückgefahren haben. Mit der Umstellung auf Remote-Prozesse galt es auch den Recruiting-Ablauf entsprechend anzupassen.
Dazu gehört neben der Definition professioneller Prozesse für remote Bewerbungsgespräche per Videokonferenz auch eine Information für Bewerberinnen und Bewerber. Neben entsprechenden Hinweisen auf der neuen DATEV Karrierewebsite haben die Recruiter der DATEV die Ansprache via Social Media sehr persönlich gestaltet:
Die Reaktionen der Bewerberinnen und Bewerber waren durchweg positiv und entsprachen damit den generellen Erkenntnissen aus dem noch vor der Corona-Krise erfolgten Candidate Journey Mapping.
Virtuelle Lernformate – Learning Coffee, remote CoP-Sessions, Online After Hour
Einen wahren Boom durch die Corona-Krise können virtuelle Lernformate im Unternehmen verzeichnen. Schon vorher gab es regelmäßige Meetings der vielen selbstorganisierten Communities of Practice (CoP), beispielsweise der Software Craft Community (SCC) oder auch der CoP Change and Transition.
Mit dem Übergang von Veranstaltungen auf rein virtuelle Formate, entstanden neue spannende Dialog- und Lernräume. Das Besondere an virtuellen Zusammenkünften, wie beispielsweise dem einmal wöchentlich am Nachmittag stattfindenden Learning Coffee ist, dass diese Formate auch für Kolleginnen und Kollegen an Standorten außerhalb der Zentrale in Nürnberg vollwertig nutzbar sind. Thematisch neu aufgeladen mit Themen wie Podcasting mit Einblicken in Podcasts sowie mit Tipps und Tricks zum eigenen Podcasting, bekommt Lernen in Eigenverantwortung auf einmal eine ganz neue Diskussion.
Auch die Online After Hour Session zum Thema #WorkingOutLoud hat richtig Spaß gemacht!
Eine Reihe von virtuellen BarCamps – egal ob unter dem Namen CoCreationCamp, DigiCamp oder auch OpenSpace setzt den Rahmen für ausgiebiges organisationales Lernen. Im Rahmen der digitalen Transformation braucht es dazu eine ganze Menge. Zumindest wenn es Unternehmen ernst meinen und WIRKLICH etwas verändern wollen.
Von Wertschätzung, Motivation und Sicherheit
Die Quarantäne nehmen Beschäftigte sehr unterschiedlich wahr. Während die einen die ruhige und konzentrierte Arbeit zuhause genießen und sich über die mangels Pendelei gewonnenen Zeiten freuen, fehlt vielen vor allem das persönliche Miteinander im Büro-Alltag.
Die psychologische Ebene der Arbeitsbeziehung ist durch die Corona-Krise vergleichsweise deutlich in den Vordergrund gerückt. Insbesondere Führungskräfte sind stark gefordert, um die individuellen Bedürfnisse der Mitglieder ihrer Organisationseinheit zu erkennen und darauf adäquat zu reagieren.
Abseits von zahlreichen theoretischen Ansätzen über Führung auf Distanz in der Management-Literatur, helfen manchmal schon kleine Gesten, um ein besonders Gefühl des „Ich sehe Dich“ oder auch „Ich wertschätze was Du tust“ zu erzeugen. Sie zeugen von menschlicher Nähe.
Gibt es eine Vielzahl solcher Maßnahmen, wie beispielsweise
- den Versand von gebrandeten Team-Gummibärchen durch die Recruiting-Leitung
- Ostergrüße und Ausmal-Bücher sowie Bastelanleitungen für die Kleinen seitens des Betriebsrats bzw. Aufsichtsrats
- ein grundlegendes Danke, verpackt in Schokolade mit einem liebevoll formulierten Anschreiben
- Rezepte aus der DATEV-Küche fürs Homeoffice
- …
lässt sich auch auf Distanz ein intensives Gefühl der Zusammengehörigkeit aufrechterhalten.
Auswirkungen der Corona-Krise auf das Employer Branding
Die Zeiten des „Schönwetter“-Employer Brandings legen gerade eine wohltuende Pause ein. Statt Hochglanz-Kampagne passiert gerade extrem viel via Social Media. Beschäftigte in sozialer Distanz machen sich besonders viele Gedanken darüber, ob sie beim passenden Arbeitgeber tätig sind oder nicht.
Das Unternehmen DATEV wurde in den letzten Wochen mit einem wahren warmen Regen an positiven Kommentaren auf der Arbeitgeberbewertungsplattform kununu überschüttet, was den Umgang mit dieser Krise angeht. – Selbstverständlich wird auch weiterhin kritisiert, klar, aber eher mit Bezug auf grundlegende Herausforderungen im Rahmen des großen digitalen Transformations“projekts“.
In Summe macht es gerade sehr stolz zu sehen, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über ihre persönlichen Social Media Profile unter dem Hashtag #WirSindDATEV über ihren Arbeitgeber berichten. Und ganz ohne Einfluss eines Corporate Influencer Programms.
Fazit zum Thema Remote HR
Zugegebenermaßen waren meine Ausführungen in diesem Artikel lediglich Beispiele, wo und wie HR im Rahmen der Krise gefordert wird. Andere Ideen hatte ich bereits vor einiger Zeit mit der von mir initiierten Blogparade #HRvsCoronaKrise angeregt. Das Ziel all dieser Aktionen ist letztlich das Gleiche: Darzustellen, welche bedeutende Rolle professionelle HR-Arbeit heute im Unternehmen hat. Und wie es möglich ist, diese auch entsprechend sichtbar zu machen.
Abschließend noch ein kleiner Hinweis: Dieser Beitrag ist kein offizieller Beitrag des Unternehmens DATEV und wurde auch nicht abgestimmt oder redigiert. Er ist vielmehr ein subjektiver Einblick aus meiner eigenen, ganz persönlichen Erfahrung und muss sich nicht zwangsläufig mit den Erfahrungen aller meiner Kolleginnen und Kollegen decken.
In diesem Sinne freue ich mich auf Ihre Kommentare und eine angeregte konstruktive Diskussion. Kommen Sie gut durch die Krise und bleiben Sie gesund!