Der Sachbezug soll nahezu komplett gestrichen werden

Die geplante Quasi-Abschaffung des steuerfreien Sachbezugs und seine massiven Auswirkungen

Ein aktueller Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums droht die Benefit-Landschaft in Deutschland massiv negativ zu beeinflussen. Es geht um die geplante Quasi-Abschaffung der Regelungen zum Sachbezug mit Auswirkungen auf Gutscheine, Geldkarten und andere beliebte Benefits für Arbeitnehmer. Eine Analyse.

Referentenentwurf des BMF zum Sachbezug

Bislang weitgehend abseits der medialen Aufmerksamkeit, veröffentlichte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) am 08.05.19 einen Entwurf für das „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“.

Der Name lässt nicht vermuten, dass damit derart massive Auswirkungen auf das Einkommensteuergesetz beabsichtigt werden, inklusive daraus resultierender weitreichender Konsequenzen für Beschäftigte, Unternehmen und die Händlerlandschaft im Mittelstand.

Was bedeutet das genau?

Die Regelungen zum steuerfreien Sachbezug (44 Euro Freigrenze)

Bisher konnten Unternehmen ihren Beschäftigten nach § 8 Abs. 2 des EStG kleine Aufmerksamkeiten als Anerkennung bis zu einem Wert von 44 EUR pro Monat zukommen lassen. Diese Leistungen waren für Arbeitnehmer einkommensteuerfrei. Auch Sozialversicherungsbeiträge fielen dafür keine an.

Schon heute ausgenommen von der 44 Euro Freigrenze sind Waren oder Dienstleistungen, die vom Arbeitgeber selbst hergestellt, vertrieben oder erbracht werden. Hierfür gilt der sogenannte Rabattfreibetrag von derzeit 1.080 Euro pro Jahr. Genauso ist die Sachbezugsregelung nicht anwendbar für Waren, für die ein amtlicher Sachbezugswert festgesetzt wird, so beispielsweise bei Verpflegung und Unterkunft.

Die vom BMF angestoßene Neuregelung des Sachbezugs könnte den Anwendungsbereich massiv weiter beschneiden.

Die geplante Neuregelung zum Sachbezug

Nicht mehr als Sachbezug eingestuft würden zukünftig beispielsweise nachfolgende Leistungen des Arbeitgebers:

  • zweckgebundene Geldleistungen
  • nachträgliche Kostenerstattungen
  • Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten
  • Beiträge oder Zuwendungen, die einen Arbeitnehmer oder Angehörigen bei Krankheit, Unfall, Invalidität
  • im Rahmen der Altersversorgung oder bei Todesfall
  • oder gegen andere Risiken bei einem Dritten mit einem eigenen unmittelbaren Rechtsanspruch absichern sollen.

Auch Gutscheine von der Abschaffung betroffen?

Auf den ersten Blick scheinen Gutscheine von der Neuregelung nicht betroffen zu sein. Sämtliche andere Lösungen, die auf einen Eurobetrag lauten, würden zukünftig nicht mehr als Sachbezug qualifiziert werden. Und das selbst dann, wenn sichergestellt ist, dass sich Arbeitnehmer den ausgewiesenen Nennwert nicht in vom Arbeitgeber auszahlen lassen können.

Bei genauerer Betrachtung der zugehörigen Kommentierung des Referentenentwurfs auf den Seiten 108 fortfolgende, könnte der steuerrechtliche Kahlschlag jedoch deutlich weitreichender sein und auch die meisten Gutscheine aus der deutschen Benefit-Landschaft verbannen.

Konkret geht es um den letzten Satz:

„(…) Mit der neuen gesetzlichen Definition der „Einnahmen‚ die in Geld bestehen“ in § 8 Absatz 1 Satz 2 EStG wird gesetzlich festgeschrieben, dass zweckgebundene Geldleistungen, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten sowie Zukunftssicherungsleistungen grundsätzlich keine Sachbezüge, sondern Geldleistungen sind. Gutscheine sind auch weiterhin als Sachbezug zu qualifizieren, wenn der Aussteller identisch ist mit dem Unternehmen, dessen Waren oder Dienstleistungen damit bezogen werden können. (…)“

Geld- und Prepaid-Kreditkarten sowie Multi-Partner Gutscheine vor dem Aus?

Der Satz, dass Gutscheine künftig nur noch dann als Sachbezug zu qualifizieren sind, wenn der Aussteller identisch ist mit dem Unternehmen, dessen Waren oder Dienstleistungen hiermit bezogen werden können, klingt erst einmal nicht wirklich dramatisch. Er kann jedoch spürbare Konsequenzen für Arbeitnehmer, Arbeitgeber und die Handelslandschaft nach sich ziehen.

Konkret betrifft dies die Nutzung von Geld- und Prepaid-Kreditkarten sowie Multi-Partner Gutscheinen, die einen Geldwert verkörpern, der vom Beschenkten nach Belieben beim Händler seines Vertrauens eingelöst werden kann. Denn in diesem Fall ist das ausstellende Unternehmen nicht identisch mit dem Unternehmen, dessen Waren bezogen werden können.

Möchte ein Arbeitgeber dennoch seinen Mitarbeitern Händlergutscheine zukommen lassen wollen, wäre er vermutlich bei der rechtskonformen Abwicklung dazu gezwungen, sich auf einen einzelnen Anbieter zu beschränken. Es steht zu befürchten, dass hiermit kleinere und vor allem regionale Anbieter gegenüber großen All-in-one-Anbietern wie Amazon ins Hintertreffen geraten.

Auswirkungen des Gesetzes auf Arbeitgeber

Arbeitgeber greifen im Rahmen ihrer Employer Branding Bemühungen vermehrt zu einer Vielzahl zusätzlicher Benefits, bis hin zu echtem Feelgood-Management. Durch den nahezu kompletten Wegfall der Regelungen zu Sachbezug müssten sie ihren Arbeitnehmern entweder lieb gewonnene Leistungen zukünftig streichen.

Oder aber sie träfen Vereinbarungen zur Übernahme anfallender Einkommensteuer- oder Sozialversicherungsabgaben. Der Unterschied zu reinen (nicht zweckgebundenen) Geldleistungen wäre aber nicht mehr wirklich groß.

Bei Verabschiedung des Gesetzes würden sich die Möglichkeiten zur besonderen Anerkennung von Leistungen als Ausdruck von Wertschätzung deutlich verändern.

Auswirkungen der Gesetzesänderung auf Arbeitnehmer

Würden Arbeitgeber aufgrund der oben beschriebenen Auswirkungen ganz auf die Gewährung des Sachbezugs verzichten, hätten Arbeitnehmer de facto eine Gehaltskürzung.

Nutzt der Arbeitgeber bestehende Zuwendungen weiter, so würden diese zukünftig in den meisten Fällen als Geldleistung qualifiziert. Damit fallen sie unter die Steuerprogression und könnten sogar noch weitreichendere negative Auswirkungen auf das Gehalt der Arbeitnehmer haben.

Setzt der Arbeitgeber auf die dann noch zulässigen Sachbezug via Händlergutschein, würde damit zumindest die Auswahlvielfalt beschnitten. Insbesondere Leistungen regionaler Unternehmen und Organisationen wäre dann vermutlich nicht mehr mit dem Gutschein beziehbar.

Die Auswirkungen auf die deutsche Anbieter- und Händlerlandschaft

Käme die Änderung in der derzeit geplanten Form tatsächlich, wären beinahe alle Systeme am Markt betroffen. Multipartner-Gutscheine, regionale Systeme wie Citykarten oder ähnlich, wären nicht mehr möglich. Bemühungen, Engagements der dahinterstehenden Unternehmen, Stadtmarketing-Organisationen und vieler regionaler Händler würden mit einem Schlag zunichte gemacht.

Gestärkt würden hingegen große globale Online-Handelsplattformen. Die bereits heute extreme Marktmacht von Amazon und Co dürfte sich mit dem Vorhaben des BMF sogar noch weiter ausbauen. Zulasten des stationären Handels, zum Beispiel in den Innenstädten.

Fazit zur geplanten de facto Abschaffung des Sachbezugs

Die Vorschläge zur Anpassung der Regelungen zum Sachbezug durch das BMF ändert die Grundlage für die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Dieser hatte in seinem Urteil VI/R 21/09 im Jahr 2010 festgestellt, dass Gutscheine über „in Euro lautende Höchstbeträge für Warenbezug“ einen Sachbezug darstellen. Dem entsprechend erfolgte durch das BMF die Veröffentlichung im Bundessteuerblatt 2011 Nr. 6 Teil II, S.383 ff, zur Umsetzung durch die Finanzämter. Erneut bestätigt wurde diese Auffassung durch den BFH im aktuellen Urteil VI R16/17 vom 04.07.2018. Im Anschluss entbrannte hieran zwar eine Diskussion. Zugleich stellt er aber erneut klar, dass Gutscheine, die auf einen Euro-Betrag lauten, einen Sachbezug darstellen.

Ein zwischenzeitlich entstandener großer Markt an Anbietern vertraute bisher auf diese Rechtslage und gerät nun unter existenziellen Druck. Ebenfalls negativ betroffen wären Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

In Summe wirkt das angestrebte Resultat der Gesetzesänderung wie ein Rückschritt in die Vergangenheit, in der Beschäftigten lediglich ein Tankgutschein über eine feste Literanzahl einer bestimmten Tankstelle gewährt werden konnte.

Ob die Suche nach neuen Einnahmequellen durch das BMF einen solchen Kahlschlag rechtfertigt, überlasse ich Ihrer eigenen Einschätzung. Die möglichen Auswirkungen sind jedoch absolut beachtenswert. Deswegen wollte ich Sie als meine Leser auf jeden Fall zu diesem Thema rechtzeitig auf das Vorhaben hinweisen.

* * * * * UPDATE vom 31.07.2019 * * * * *

In seiner heutigen Sitzung hat das Bundeskabinett die im oben genannten Referentenentwurf vorgesehene Verschlechterung bei den Regelungen zum Sachbezug gestrichen. Eine gute Entscheidung, wie ich finde.

* * * * * UPDATE vom 16.12.2019 * * * * *

Ende November hat nun doch eine Gesetzesänderung auch den Bundesrat passiert, die massive Einschränkungen bei den zulässigen Leistungen beim Sachbezug mit sich bringt. Zahlreiche bisherige Maßnahmen werden ab 01.01.2020 damit voll steuerpflichtig. Handlungsbedarf für HR. Lesen Sie Details zur Einschränkung des steuerfreien Sachbezugs hier!

 

Stefan Scheller

Autor und Speaker Persoblogger Stefan SchellerMein Name ist Stefan Scheller. In meiner Rolle als Persoblogger und Top HR-Influencer betreibe ich diese Website und das gleichnamige HR Praxisportal. Vielen Dank für das Lesen meiner Beiträge und Hören meines Podcasts Klartext HR!

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