Schon im September hatte ich einen Artikel vorbereitet, bei dem es um die Ankündigung von WhatsApp Business sowie verifizierte Unternehmensaccounts ging. Jetzt ist WhatsApp for Business in Deutschland an den Start gegangen. Bietet sich der Messenger nicht idealerweise für das Personalmarketing und Recruiting an? Ein paar Gedanken aus der Praxis dazu.
Messenger-Technologie im Aufwind
Die Nutzungszahlen der größten Messenger der westlichen Welt, WhatsApp und Facebook Messenger, haben unglaubliche Höhen erreicht. Das Asien-Phänomen der Plattformökonomie um WeChat lasse ich hier bewusst außen vor. Obwohl es in der Betrachtung wahrscheinlich sogar das herausragendste und spannendste System wäre. Offiziell werden von Facebook, dem beide Messenger gehören, 2,6 Milliarden Nutzer genannt.
Messenger stehlen Social Media die Show
Der Trend geht sogar so weit, dass klassische Social Media Netzwerke gegenüber den Messengern zurückgedrängt werden. Bei der täglichen Nutzung zeigt sich die Dominanz der Messenger-Technologie deutlich.
So sollen bereits annähernd 40 Millionen Deutsche WhatsApp nutzen.
Messenger bringen den direkten Zugang zu Zielgruppen
Es gibt drei gewichtige Gründe für diese wenig überraschenden Entwicklungen:
- Messenger-Kommunikation ist Echtzeit-Kommunikation. Ohne größeren Verzug werden Nachrichten zugestellt und direkt auf den Sperrbildschirm projiziert. Es ist kein Abruf oder Einloggen nötig. Dies maximiert die Sichtbarkeit gegenüber anderen Medien deutlich.
- Es werden alle gesendeten Beiträge bereitgestellt, ohne dass ein Algorithmus die Sichtbarkeit bewusst einschränkt. Insbesondere Facebook-Seiten haben in der letzten Zeit massiv an organischer Reichweite verloren, die nur durch Bezahlen einigermaßen aufgefangen werden kann.
- Durch die hohe Verbreitung der Messenger in der Bevölkerung, kann damit eine Vielzahl von Individuen direkt erreicht werden, ohne dass es Zwischenhändler oder sonstige Dienstleister braucht.
WhatsApp for Business – die Lösung für Unternehmen
Mit der Einführung von WhatsApp for Business nutzt Facebook diese hohe Verbreitung in der Bevölkerung, um Unternehmen weitere Dienstleistungen anzubieten. Zum Startzeitpunkt noch kostenlos (wir kennen diese Vorgehensweise, Stichwort Freemium).
Seit letzten Montag ist die App für Android Smartphones verfügbar. Apple-Fans (zu denen ich gehöre) müssen sich derzeit noch gedulden. Aber was kann diese neue App und warum ist sie für das Thema Personalmarketing beziehungsweise Recruiting interessant?
Was kann WhatsApp for Business? Nützliche Funktionen
Im Grunde bietet WhatsApp for Business die Grundfunktionen der normalen App, angereichert um nützliche Zusatzfunktionen für Unternehmen, wie
- Unternehmens-Visitenkarte
- Standortanzeige
- Hinterlegung von Geschäftszeiten
- Chats können gelabelt werden
- Verifizierung
- Begrüßungsnachricht
- Auswählbare (Standard)Antworten
- Automatisierte Abwesenheitsnachricht (Autoresponder)
- Statistik-Funktionen
- WhatsApp Web
- Nutzung einer Festnetznummer für WhatsApp for Business
WhatsApp for Business als mobile Unternehmens-Seite
Viele dieser Funktionen werden aktuell nur durch klassische Unternehmenswebsites oder Unternehmensseiten via Social Media angeboten. Die neue App beamt diese Möglichkeiten in die mobile Welt.
WhatsApp for Business im Personalmarketing
Gerade für kleinere Unternehmen könnte dies ein Einstieg sein, um über Messenger-Technologie einen direkten Draht zu den gewünschten Zielgruppen zu erhalten. Vermarktet würde in diesem Fall eine Mobilfunknummer zur Kontaktaufnahme (statt einer E-Mail-Adresse). WhatsApp for Business übernimmt die weitere Verwaltung der Kontakte und steuert die Kommunikation. Besonders interessant kann das sein für Ankündigungen im Personalmarketing oder Newsletter mit Jobausschreibungen über die Broadcast-Funktion von WhatsApp. Auch könnten Gruppen definiert werden, quasi als mobile Talentpools.
WhatsApp for Business im Recruiting
Sogar im Recruiting könnte die neue App zum Einsatz kommen. Denn bei gegenseitigem Einverständnis könnte eine Direktansprache (Stichwort: Active Sourcing) erfolgen. Eine 1:1-Kommunikation in einem sehr persönlichen Medium. Digitalaffine Nutzer der Generation Y und Z mögen sogar geneigt sein, Bewerbungsunterlagen direkt über den Messenger zu senden.
Was im ersten Augenblick für Viele wie ein Sakrileg gegenüber dem heiligen Bewerbungsritual via Bewerbermanagement-System oder E-Mail klingt, hat im zweiten Augenblick etwas Faszinierendes: Die Unterlagen sind sofort verfügbar und prüfbar und sind der sonstigen Kommunikation direkt zugeordnet. In der Praxis ist es doch bisher eher eine ständige Herausforderung, den Bewerbungsunterlagen immer alle zusätzlich eingegangenen E-Mails des Bewerbers zuzuordnen. Von der Dokumentation der mit ihm geführten Telefonate ganz zu schweigen. Mit Blick auf die neuen hohen Ansprüche der Datenschutzgrundverordnung, nach denen Unternehmen jederzeit umfassend darüber auskunftsfähig sein müssen, welche Daten sie über eine Person wo und wie gespeichert haben, hat eine zentrale Datenhaltung einen hohen Wert.
WhatsApp beats Excel
Gerade in kleineren und Kleinstunternehmen dürfte Bewerberkommunikation heute tendenziell entweder komplett unorganisiert oder mit Excel oder ähnlichen Office-Tools dokumentiert werden. Dass diese Lösungen in keiner Weise den hohen Ansprüchen an die Haltung von Interessenten- oder gar Bewerberdaten entspricht, muss ich an dieser Stelle sicher nicht betonen. Insofern könnte WhatsApp for Business den Unternehmen gar ein geeignetes Verwaltungstool an die Hand geben.
Die Frage nach dem Datenschutz bei der Nutzung von WhatsApp for Business
Ich habe es gerade schon angesprochen, eines der wichtigsten Themen im Zusammenhang mit professionellem Bewerber- oder Talentmanagement: Datenschutz. Natürlich stellen sich bei der Nutzung von Messenger-Lösungen in diesem Zusammenhang eine Reihe von Fragen. Insbesondere bei Messengern von Unternehmen, deren Unternehmensziel die Erhebung, Auswertung und Kommerzialisierung möglichst vieler Benutzerdaten ist.
Einige Unternehmen verbieten aus Datenschutzgründen heute bereits jegliche berufliche Nutzung des Messengers in ihren Social Media Guidelines komplett.
Auf der anderen Seite gibt es schon eine Reihe von Unternehmen, die Whatsapp in der Kommunikation mit Interessenten und Bewerbern nutzen. Sogar die Bundesagentur für Arbeit nutzt für die Berufsberatung mittlerweile ihren sogenannten What´sMeBot. XING bietet einen Bot mit Jobvorschlägen in wöchentlicher Newsletter-Form für Interessenten an. Ähnlich nutzt die ManpowerGroup, einer der größeren Personaldienstleister, die Messenger-Funktionen für sich: Das Unternehmen verteilt ebenfalls wöchentlich Jobempfehlungen per Push direkt an Interessenten. Zugegeben, diese Informationen sind wenig schützenswert und Vertraulichkeitsklasse 0.
Rechtskonforme Nutzung des Messengers höchst fraglich
Es gibt im Netz bereits einige recht ausführliche Prüfungen zu diesem Thema – wenngleich noch nicht bezogen auf WhatsApp for Business. Alle kommen zum gleichen Ergebnis, dass eine rechtskonforme Nutzung von WhatsApp derzeit wohl NICHT möglich ist. Das beginnt mit der Problematik der Übertragung des Adressbuchs an Facebook mit ungewissen Folgen. Geschäftspartnern könne daher nicht transparent gemacht werden, wie die Daten in den USA vom Anbieter tatsächlich genutzt werden (der Auskunftsanspruch aus der DSGVO ist nicht erfüllbar).
Auch das Sammeln von Meta-Daten in der Kommunikation sowie die Speicherung von Daten außerhalb der EU sprechen gegen eine rechtskonforme Nutzung.
Allerdings stellt sich immer auch die Frage, was gerade Kleinst-Unternehmen heute bereits tun und was die Alternativen sind. Ich möchte nicht wissen, wer heute bereits WhatsApp nutzt und mit Geschäftspartnern (die sich häufig nicht wirklich von Freunden oder Bekannten unterscheiden lassen) darüber kommuniziert. Realität vs. Recht – ein Klassiker.
Trotzdem wäre die juristisch korrekte Empfehlung:
Keine Nutzung, aber weitere Beobachtung und Suche nach sicheren Alternativen (Threema for Work?).
Eine Frage von Nutzen und Risiko
Wie so oft ist es auch hier aus meiner Sicht eine generelle Frage von Nutzen und Risiko. Anders ausgedrückt: Ist es besser, wenn Bewerberdaten auf verschiedenen Geräten und unterschiedlichen Medien verteilt liegen und mangels Überblick keine Chance besteht, die gesetzlichen Vorgaben zu Löschfristen einzuhalten? Oder ist es besser einen Messenger zu nutzen, dessen Datenschutz-Einhaltung zu diskutieren ist, aber alle Daten sind zentral verfügbar? Ich mag diese Frage nicht beantworten. Das müssen letztlich Sie tun!
Wichtig ist dabei allerdings, dass Sie lernen, was Kommunikation via Messenger mit sich bringt. Dazu habe ich bereits ausführlich in meinen Beiträgen zu Lernbedarfen sowie zu Social Media Profilen der Recruiter berichtet.
Fazit
Die neuen Möglichkeiten von WhatsApp for Business locken Unternehmen zur Nutzung des neuen Messengers. Allerdings scheint es in der aktuellen Version noch nicht möglich sein, dass mehrere Personen auf den Account der Business-Nummer zugreifen können. Insofern dürfte das erst einmal für kleine inhabergeführte Unternehmen und Selbstständige Sinn machen. Aber ich bin mir sicher, dass WhatsApp hier bald nachlegen wird. Das Geschäftsmodell ist schließlich zu verlockend.
In jedem Fall sollte es sich lohnen, das Thema mobile Personalmarketing-Kommunikation via WhatsApp oder anderer Messenger für das eigene Unternehmen näher zu betrachten und zu bewerten. Auch Ihre Zielgruppe wird Ihnen entscheidende Hinweise darauf geben, ob sie die neue App am Ende tatsächlich einsetzen oder nicht. Denn letztlich betreiben Sie die Kommunikation ja vor allen um Ihre Stellen bestmöglich zu besetzen.
Binden Sie deshalb frühzeitig Ihre zu erreichenden Zielgruppen in die Entscheidung mit ein!