Titelbild Companize

Endlich wissen, was die Kollegen verdienen!? – Companize im Feldtest

Aufgrund meines Blogs zum Thema Arbeitgeberrankings auf kununu kontaktierte mich der Geschäftsführer der Companize GmbH Jens Sander und wies mich auf die jüngst veröffentlichte Pressemitteilung seines Unternehmens hin. Darin folgende markige Aussage: „Companize ermöglicht Arbeitnehmern den geschützten Austausch untereinander, einen ungeschminkten Blick in andere Unternehmen und zeigt, welches Gehalt die eigenen Kollegen oder Mitarbeiter anderer Firmen bekommen.“

Vorabtest des Portals Companize

Mein Praktikant Alex hatte mir bereits von seinem Vorab-Test des Portals berichtet, weil er natürlich daran interessiert war, ob ich bzw. die DATEV ihn als Praktikanten angemessen bezahle. Es ist ein offenes Geheimnis, dass DATEV an Bachelor 800 Euro und für Master 1.000 Euro pro Monat für ein studienbegleitendes Praktikum zahlt. Mit heller Aufregung kam Alex auf mich zu und meinte, dass er mit 800 Euro wohl am schlechtesten von allen Praktikanten auf der gesamten Plattform verdiene. Bitte was???? Er rieb mir dabei einen entsprechenden Screenshot unter die Nase. Selbstverständlich verlangte ich von ihm sofort einen Gegentest. Mit der Eingabe des utopischen maximal angebbaren Verdiensts von 15.000 Euro monatlich für ein Praktikum sah es schon besser aus. Allerdings scheinen noch immer 33 Prozent der Praktikanten auf Companize mehr zu verdienen. Seufz .. Praktikant in einem solchen Unternehmen müsste man nochmal sein.

Screenshot Companize
Screenshot Companize

Wenn diese Erlebnisse nicht nach einem eigenen Live-Test schreien. Da konnte mein HR-Bloggerherz einfach nicht widerstehen. Hier also der ungeschminkte Blick auf meine Erfahrungen mit dem Portal – ungeplant, unsystematisch und unvollständig. Vermutlich genau so, wie jeder andere neue Nutzer das Portal ebenfalls nutzen würde.

Der Feldversuch beginnt

Bereits auf der Startseite wird meine Aufmerksamkeit auf eine Auflistung der TOP10 Unternehmen gelenkt. Ha! – Hier kenne ich mich aus.

Auffällig ist, dass es dabei zwei Rubriken gibt: „Von außen“ und „durch Mitarbeiter“. Dass die üblichen Verdächtigen der Automobilbranche auf der „Uns hält man allgemein für die Top-Arbeitgeber“-Liste stehen, wundert mich nicht. Auch ich finde den R8 auf Recruiting-Broschüren top und stelle mir vor, dass ich als Personaler dort selbstverständlich einen solchen Dienstwagen erhalte.

Screenshot Companize
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Oha, aber wenn ich auf den Reiter „durch Mitarbeiter“ klicke, sind sie schwupps alle verschwunden, die „Ewig-Ersten“. – Und wenn ich mir die Noten der neuen Top10-Liste ansehe, ahne ich, dass es eine Diskrepanz zwischen dem Image von Firmen gibt und dem, was Mitarbeiter sagen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

Screenshot Companize
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Aber was verdienen denn nun meine Kollegen?

Es hilft nichts, ich muss mich anmelden, was technisch vorbildlich nach Eingabe meiner Daten, dem üblichen Captcha und einem Klick auf den Link in der Bestätigungs-E-Mail funktioniert. Ich bin drin. Das war ja einfach. Dann mache ich mich mal dran, meinen Arbeitgeber zu bewerten.

Die acht Rubriken Hauptkategorien brauchen etwas Zeit beim Ausfüllen. Aber dafür kann ich sehr ausführlich bewerten, nämlich bezogen auf Arbeitsstelle & Tätigkeit, Jobbedingungen & Perspektive, Arbeitszeit & Urlaub, Gehalt & Sozialleistungen, Kollegen, Vorgesetzte & Höhere Ebenen, Arbeitsklima sowie Kommunikation & Informationsfluss. Mit teilweise mehreren Unterkategorien entsteht für mich eine realistische Bewertung meiner subjektiven Eindrücke. Flugs ist ebenfalls ein Gehalt eingegeben, das am Jahresende auf dem Gehaltszettel zu finden ist und das ich auf die zugrundeliegende Anzahl von Monatsgehältern aufteile. Und schon entdecke ich eine Nachricht in meinem Posteingang, dass aufgrund des Vorliegens von 3 (in Worten: drei!) Bewertungen nunmehr der Gehaltsvergleich möglich sei. Ahja. – Und was weiß ich jetzt? Dass Melony89 (so habe ich mich testweise genannt) mehr verdient als 94% vergleichbarer Arbeitnehmer.

Screenshot Companize
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Oder zumindest mehr als die ebenfalls angeblich bei DATEV arbeitenden „toolsche“ und „Coderix“. Aber wie kommt Companzie dann auf die 94%? Natürlich nutze ich gleich die von Companize angebotene Möglichkeit, mit einem der beiden anderen DATEVianer (wie wir uns liebevoll untereinander nennen) „in die Diskussion zu kommen“. – Ein einsamer Schrei in einer Wüste.

Screenshot Companize
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Das mag daran liegen, dass die beiden tapferen Mitbewerter unserer immerhin ca. 6.400 Mitarbeiter zählenden Firma beide null Aktivitätspunkte haben. Faule Säcke bzw. Säckinnen!! Dabei erhält man doch angeblich schon für die Anmeldung am Portal 100 Punkte im internen System. Und viele weiteren Punkte bei zusätzlichen Aktivitäten.

Screenshot Companize
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Ein Blick auf das wöchentliche Gesamtranking treibt mir allerdings gleich die Tränen in die Augen:

Screenshot Companize
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Ranking soll zum Mitmachen anregen

Da stehe ich ganz am Ende der „Mitglieder der Woche“ mit noch immer null Punkten. Und fühle mich gleich betrogen. – Und das wo sogar „kaesebrot“ 815 Punkte aufweisen kann. Pah! Aber schon kommt mir die rettende Idee: Ich erhalte jeweils 5 Punkte, wenn ich irgendwelche Unternehmensnachrichten, die irgendwer in das Portal kopiert hat like oder dislike. (Zumindest verstehe ich das in meiner neu gewonnenen Euphorie fälschlicherweise so)

Erstaunlicherweise gibt es hier tatsächlich DATEV-Unternehmensnachrichten aus so unfassbar prominenten Quellen wie dem Donaukurier in einer Ausgabe von 2009. Dass ich dafür wieder keine Punkte auf meinem Konto erhalte, trage ich diesmal mit Fassung, weil ich weiß, dass durch meine Klicks zumindest das punktemäßig bewertete Image meines Arbeitgebers steigen sollte. Warum? Keine Ahnung, aber vielleicht sollte ich das Herrn Sander tatsächlich mal fragen.

Gehaltsverhandlungen meistern dank Companize?

Vorher will ich aber noch einen weiteren Test machen. Immerhin verspricht mir Companize: „Companize soll Arbeitnehmern helfen, bei Gehaltsfragen auf Augenhöhe mit den Unternehmen verhandeln zu können“. Na dann… Ich stelle mir also mal vor, dass ich beim großen SIEMENS-Konzern anheuern wollte – bei 360.000 Mitarbeitern sollte ich ja Einblick in mehr als nur drei Gehälter erhalten. – Als mir dann auf dem Unternehmensprofil der SIEMENS AG eine Durchschnittsbewertung von Note 0.7, eine Anzahl Bewertungen von sage und schreibe 9 (!) und die erste Unternehmensnachricht mit der Überschrift „Arbeitsklima bei Siemens: Betriebsrat attestiert Angstkultur“ entgegenstrahlt, breche ich meinen Test der Plattform ab.

Screenshot Companize
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Nur Startschwierigkeiten der Plattform?

Mit dem Gedanken, Companize könnte einfach nur Startschwierigkeiten haben, versuche ich das Image der Plattform noch zu retten. Ein Blick auf den Companize Blog zeigt aber, dass die Seite schon mindestens 3,5 Jahre im Netz zu sein scheint. Und spätestens jetzt frage ich mich, mit welchem Geschäftsmodell eine solche Plattform überleben kann? – Mit Content und Nutzwert zumindest nicht.

Die Ankündigungen auf der Companize-Startseite „echter Gehaltsvergleich“ ist mehr als hoch gegriffen. Wenn ich toolsche und Coderix kennengelernt haben sollte, dann kann ich ja mal einen Einblick in deren Gehaltszettel bei den beiden anfragen. – Aber ob diese dann immer noch an einem „echten“ Gehaltsvergleich interessiert sind, weiß ich allerdings nicht.

Enttäuschung macht sich breit

Obwohl die Companize-Pressemeldung auch hier vollmundig verspricht: „Der offene Umgang mit Gehältern und die dabei entstehende Transparenz fördere nicht nur Gerechtigkeit, sondern diene potenziellen neuen Mitarbeitern auch als Leistungsanreiz und Motivation.“

Motivation? – Ganz ehrlich? – Mir schießt die Meinung eines befreundeten HR-Bloggers in den Sinn, der meinte: „Companize – ein echter Sch…“.

Aber ganz so fies möchte ich nicht sein! Mein Blog ist zwar sehr kritisch, soll aber fair bleiben. Immerhin haben sich hier Menschen Gedanken gemacht, wie sie einen Mehrwert für uns stiften können. Und den wollte ich einfach mal an diesem Abend testen.

Aussagekräftige Gehaltsstatistiken anzubieten ist allerdings wohl gar nicht so einfach. Immerhin sind heute zahlreiche Gehaltsbestandteile variabel, ergebnisorientiert oder über zusätzliche Sozialleistungen nicht direkt in Geld messbar. Die Gehälter vieler höhergestellter Positionen sind zudem frei verhandelt und enthalten Zulagen für sehr individuelle Fähigkeiten. Die Aussagekraft selbst bei einer Vielzahl von individuellen Gehaltsangaben ist eine sehr komplexe Angelegenheit.

Mein Fazit

Um herauszufinden, ob nicht doch ein anderer Arbeitgeber besser zu mir passt, muss ich wohl eine andere Plattform zu Rate ziehen. Companize weckt zwar kurzzeitig den Punktespieltrieb, enttäuscht dann aber sofort mit kompletter Belanglosigkeit. Da geh ich jetzt lieber schlafen. Gute Nacht Welt!

 

Stefan Scheller

Autor und Speaker Persoblogger Stefan SchellerMein Name ist Stefan Scheller. In meiner Rolle als Persoblogger und Top HR-Influencer (Personalmagazin 05/22) betreibe ich diese Website und das gleichnamige HR Praxisportal. Vielen Dank für das Lesen meiner Beiträge und Hören meines Podcasts Klartext HR!

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