Wissenstransfer im Unternehmen ist eine große Herausforderung. Nicht nur bei strategischen Nachbesetzungen oder bei Neueinstellungen – die Übertragung von Informationen und Wissen ist essentiell für reibungslose Prozesse und Übergaben. Das HR-Startup great2know will Organisationen mit einem KI-gestützten Ansatz dabei maßgeblich unterstützen, wie mir Co-Founderin Dr. Bettina Volkens im Startup-Interview erzählt.
Was bietet great2know?
Hallo Bettina, magst Du Dich und great2know bitte kurz vorstellen?
Hallo Stefan, gern. Nach einer langen Zeit bei der Deutschen Bahn und der Deutschen Lufthansa AG bin ich jetzt als Start-up Gründerin unterwegs. Total spannend und nicht minder anspruchsvoll!
Mit great2know wollen wir, das Wissensmanagement ganzheitlich gelebt wird. Mindestens 80% des Wissens ist nicht dokumentiert und befindet sich nur in unseren Köpfen. Diesen Wissensschatz wollen wir heben. So schaffen wir Kontext zu dem bereits dokumentierten Wissen. Denn es fehlt in der Regel an dem Hintergrundwissen. Wie hat mein Kollege das gemacht? Warum ist diese Entscheidung so und nicht anders getroffen worden? Was war mit dieser vertraglichen Formulierung gemeint? In welche Fettnäpfchen sollte ich nicht treten? Und vieles mehr.
Welche Herausforderungen löst Ihr mit Eurem Angebot?
Unternehmen leben von dem Wissen und den Erfahrungen ihrer Mitarbeiter. Das ist in Gefahr! In den nächsten Jahren gehen 30% in Rente. Ungeachtet davon geht mit jedem Wechsel – sei es intern oder extern – Wissen verloren. Wir wollen den Wissensverlust stoppen, indem wir das Wissen digital erfassen, aufbereiten, validieren und bereitstellen. Nach dem Motto: WWW Wissen wird weiteleben – wir sind das Unternehmensgedächtnis.
Wissensmanagement essentiell
Wissen ist in Unternehmen häufig nur implizit verteilt und schlecht bzw. gar nicht für eine Weitergabe aufbereitet. Warum setzen nicht alle Unternehmen schon längst vergleichbare IT-Lösungen ein?
Viele Unternehmen haben sich im Wissensmanagement versucht und sind daran gescheitert, dass die Wissenserfassung bisher zu mühsam war. Wenn Du mir ein weißes Blatt Papier hinlegst und mich bittest, aufzuschreiben, was wichtig ist: Wo soll ich dann anfangen und wo soll ich aufhören? Wesentlich leichter fällt es, wenn ich einen oder mehrere Gesprächspartner habe, die mir Fragen stellen. Genau diesen Ablauf digitalisieren wir. Wir machen die Wissenserfassung einfach und sichern relevantes Wissen, das die Kollegen leicht finden können.
Einsatzbereiche für Wissenstransfers
Für welche Einsatzbereiche seht Ihr saubere Wissenstransfers als besonders hilfreich an? Womit sollten Unternehmen starten?
Die Einsatzbereiche sind vielfältig. Wir empfehlen, beim Off- und Onboarding zu starten, damit möglichst viele Mitarbeiter die Plattform kennenlernen und den Vorteil des Wissensdigitalisierung erleben. 30% schneller produktiv zu sein, macht nicht nur den neuen Mitarbeiter zufriedener, sondern freut auch das Unternehmen. Ein weiterer wichtiger Anwendungsfall ist die Sicherung des Expertenwissens. Beispiel: Eine Anlage oder ein IT-System werden Jahrzehnte alt. Und die Mitarbeiter, die dies bedienen können, gehen in Rente. Es muss jetzt damit gestartet werden, Wissen digital zu sichern, damit Kollegen später schnell Zugriff auf dieses haben.
Verschiedene Arten von Wissen
Es gibt unterschiedliche Arten von Wissen, die übergeben werden müssen. Da fallen mir zum Beispiel Fachwissen, Prozesswissen oder Wissen aus Projekten ein? Was gilt es noch zu sichern?
Da hast Du schon viel genannt! Nicht zu unterschätzen ist auch das organisationale Wissen. Gerade bei Transformationen oder auch Unternehmenszukäufen ist es elementar zu verstehen, welche Werte, Glaubensätze, unausgesprochenen Rituale und Verhaltensmuster den Aktivitäten/Handlungen zugrunde liegen.
Vorgehensweise von great2know
Wie geht Ihr bei der Wissenssicherung und Übertragung konkret vor?
Der Wissensgeber wird auf die great2know Plattform eingeladen und gebeten, konkret auf seine Position zugeschnittene Fragen zu beantworten. Damit von Anfang an eine Dialogatmosphäre geschaffen wird, lädt der Wissensgeber auch die Kollegen ein, mit denen er zusammengearbeitet hat. Er kann diese bitten, ihn bei der Beantwortung der Fragen zu unterstützen und gleichzeitig können die Kollegen an ihn Fragen richten.
Denn oftmals haben Kollegen Situationen vor Augen, an die sich der Wissensgeber gar nicht mehr erinnert nach dem Motto: „Weißt Du noch, als wir im Jahr 2012 einen außergewöhnlichen Vorfall hatten…? Wie hast Du das Problem damals gelöst? Was hat Dir besonders dabei geholfen?“. Je tiefer das Wissen eines Experten ist, desto mehr empfehlen wir gegenwärtig noch den hybriden Ansatz, also den zusätzlichen Einsatz eines Moderators, der Rückfragen stellt.
Wissen organisieren
Die Sicherung von Wissen ist nur die eine Seite der Medaille. Wie wird dieses Wissen denn zielgerichtet gefunden?
So wie Du es bei Chat GBT kennst: per Prompt. Natürlich ist hierfür Voraussetzung, dass zunächst Wissen erfasst und ausreichend Daten gesammelt werden. Ohne Daten kein Einsatz von KI. Deshalb ist es so wichtig, jetzt mit der Wissenserfassung systematisch zu beginnen und nicht abzuwarten, bis die Rentenwelle uns überrollt.
Wie sich great2know weiterentwickelt
Welche Planungen habt Ihr für great2know in 2024 sowie in den nächsten Jahren?
Wie jedes Startup freuen wir uns über weitere Kunden. Aber das ist nicht alles: Gemeinsam mit meinen Mitgründern Christine Lutz und Martin Steinke sind wir ebenso wie unser gesamtes great2know Team überzeugt, dass wertvolles Erfahrungswissen der Beschäftigten maßgeblich zum Unternehmenserfolg beiträgt. An der Erkenntnis mangelt es nicht, wohl aber an der Umsetzung. Das wollen wir mit unserer Lösung ändern.
Hierbei hilft uns die rasante technologische Entwicklung. Früher war es das Blatt Papier und der Stift, die als Tools dienten, um Wissen festzuhalten. Heute können wir mit der Unterstützung von KI als Werkzeug Wissen einfacher erfassen und zur Verfügung stellen. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es am Ende immer der Mensch ist, der das Werkzeug bedient. Auf die Menschen, auf die Mitarbeiter kommt es an.
Vielen Dank für Deine Antworten, Bettina. Für great2know weiterhin viel Erfolg!
Über die Interviewte
Dr. Bettina Volkens begann 1994 als Wissenschaftliche Assistentin im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Ab 1995 arbeitete sie als Rechtsanwältin, bevor sie 1997 zur Deutschen Bahn AG wechselte. 2012 startete sie bei der Lufthansa AG, wo sie bis Ende 2019 als Arbeitsdirektorin und als Vorstandsmitglied zuständig war für die Bereiche Personal und Recht. Neben verschiedenen Aufsichtsratspositionen und ihrer Tätigkeit als stellvertretende Vorsitzende der DGFP, ist ihr großes Ziel, Wissensmanagement ganzheitlich in den Unternehmen zu verankern.