Returnships, ein systematisches Programm im Unternehmen zur Wiedereingliederung, beispielsweise nach einer Elternzeit, findet man bisher in Deutschland eher selten. Dabei wäre genau das ein wichtiger Hebel im Kampf gegen den Fachkräftemangel – auch und besonders im Bereich Führungskräfte. Ein Statement von Lia Roth.
Diversity Commitment nicht ausreichend
Wenn man auf den Unternehmensseiten großer Unternehmen in Deutschland das Stichwort „Diversity“ eingibt, kommt man oft auf einen eigens für dieses Thema kreierten Bereich, der das Commitment als Arbeitgeber in Sachen Vielfalt postuliert. Das zeigt, dass schon Vieles im Vergleich zum letzten Jahrzehnt passiert ist.
Trotz Diversity Commitments gestaltet sich die externe Suche nach einer qualifizierten Führungskraft aufgrund des veränderten Anspruchs an diese Rolle zu einer langwierigen und ressourcenbindenden Herkules-Aufgabe für Unternehmen. Auf der einen Seite soll eine Führungskraft fachlich alle Bereiche, die sie verantworten soll, abdecken, auf der anderen Seite soll sie auf der menschlichen Ebene den höchsten Grad an emotionaler Intelligenz, Empathie und Teamgeist mitbringen. Sowohl fachlich als auch disziplinarisch sollen mehrere Jahre Berufserfahrung zugrunde liegen.
Deshalb werden auch Stellenanzeigen formuliert, bei denen offensichtlich nach der „eierlegenden Wollmilchsau“ gesucht wird.
War for talents im Recruiting
Auf diese Stellenanzeigen bewerben sich dann entweder Bewerber, die nicht alle Qualifikationen und wenn doch, dann nicht mit der angemessenen Anzahl an Berufsjahren abdecken. Oder schlimmer noch, es kommen sehr wenige Bewerbungen rein.
Diejenigen Menschen, die alle Qualifikationen abdecken, sind hingegen oft nicht aktiv auf Jobsuche und könnten höchstens mithilfe von gut bezahlten Personalberatern von der Konkurrenz abgeworben und für teures Geld eingestellt werden. Der berühmte „War for talents“. Schnell wird das dann auf den Fachkräftemangel geschoben und eine gewisse Hilflosigkeit macht sich breit.
Zu viele Menschen bleiben unter dem Radar für Unternehmen
Aber was, wenn der Fachkräftemangel gar nicht so groß ist wie angenommen? Was wenn, es unzählige Menschen mit genau den gesuchten Qualifikationen gibt, die jedoch auf dem Radar der Managerwelt nicht mehr sichtbar sind? Die ihre Qualifikationen „eingefroren“ haben. Eingefroren in einer Zeit, in der sie alles verkörperten, was heute gesucht wird: fachliche und emotionale Kompetenz. Die ihre Prioritäten im Leben für eine gewisse Zeit umsortiert haben und sich aus der Managerwelt verabschiedet haben.
Von wem die Rede ist?
Beispielsweise von Ex-Managerinnen, die bewusst die Karriere für ihre Familie unterbrochen haben. Die sich exklusiv ihrer neuen Rolle als Mutter gewidmet haben und eventuell Zeit in ehrenamtliches Engagement und Persönlichkeitsentwicklung investiert haben. Die neben Organisationstalent, vor allem Empathie trainiert haben in zahlreichen Konflikten, die einfühlsam gelöst werden konnten. Die das Unternehmen „Familie“ gemanagt haben, für die Väter ein Sparringspartner und für ihre Kinder Leader geworden sind.
Wiedereinstieg von hochqualifizierten Frauen nach längerer Berufspause
Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, in dem sie sich bereit fühlen, wieder durchzustarten in der Managerwelt, ist die Motivation, die Lernbereitschaft und der Wunsch sich in einem Team einzubringen groß. Von staatlicher Seite werden sie mit kostenlosen Wiedereinstiegsprogrammen und finanzierter Weiterbildung unterstützt.
Auf Arbeitgeberseite hält sich die Begeisterung für diese Frauen jedoch gefühlt in Grenzen. Vor allem, wenn sie eventuell nur noch 15 Jahre Einsatz bringen können, also der Generation Ü50 angehören. Hier herrscht noch der von Irène Kilubi (Gründerin von Joint Generations) vielzitierte „Jugendwahn“.
Invest in Reskilling und Upskilling hält sich in Grenzen
Bei jüngeren Kandidat:innen wird noch in Re- und Upskilling investiert. Bei älteren, denen Junior-Stellen aufgrund der finanziellen Unattraktivität nicht wirklich angeboten werden können, scheint der „Geduldsfaden“ oder „Investitionswille“ leider nicht vorhanden zu sein. Die Seniorität und damit verbundene Praxis- und Lebenserfahrung werden nicht wertgeschätzt. Das bestätigen in vielen LinkedIn-Beiträgen Personalberater unterschiedlichster Branchen.
Zusammengefasst: Als 50jährige Mutter kann und will frau nicht bei null anfangen, bekommt aber wenig Unterstützung, in höher qualifizierte Stellen einzusteigen und reinzuwachsen.
Was könnte die Lösung sein, von der sowohl die Mütter als auch die Arbeitgeber profitieren?
Returnships – eine humane Wiedereingliederung in die Manager-Welt
Der Blick wandert nach Großbritannien: Dort gibt es sog. Returnships. Hierbei helfen Arbeitgeber, hochqualifizierte Talente nach einer Berufspause in Senior Rollen wiedereinzusteigen. Sie verpflichten sich, die Wiedereinsteiger:innen an die aktuellen Prozesse, Strukturen und Kommunikationstools ihres Unternehmens heranzuführen und ihre Fähigkeiten auf den neuesten Stand zu bringen. Eine Mischung aus Weiterbildung und Job Shadowing für eine definierte Zeit (zwischen 10 Wochen und 6 Monaten).
Wie gut würde sich eine gut ausgebildete, berufserfahrene Mutter fühlen, die sich wünscht, bei ihren Kindern zu bleiben, wenn sie wüsste, dass sie durch ein Returnship wiedereinsteigen könnte, ohne einen Rückschritt hinnehmen zu müssen? Würde sie dann nicht viel entspannter eine Karrierepause einlegen und sich nicht krampfhaft an Teilzeitstellen halten, um nicht den Anschluss zu verlieren?
Würde sie die maßgeblichste Veränderung in ihrem Leben, nämlich Mutter zu werden, nicht mit viel mehr Zuversicht starten im Wissen, dass ihre Ausbildung und Berufserfahrung nicht schon nach kürzester Zeit entwertet sind auf dem Arbeitsmarkt?
Und wäre es nicht eine angemessene Wertschätzung für eine hochqualifizierte Frau, die sich während ihrer Mutterschaft von einer Managerin zu einer Leaderin entwickelt hat, wenn Unternehmen sie zu ihrem Wiedereinstieg willkommen heißen?
Returnships schon seit einiger Zeit bekannt
Returnships gibt es in UK seit 2014. Warum aber gibt es sie noch nicht in Deutschland? Kann es sein, dass die „Reaktivierung“ von Ex-Managerinnen zu teuer und langwierig erscheint?
Ich möchte Sie kurz einladen, mir auf einem Gedankenweg zu folgen:
Geld wird in Weiterbildungen für Talente investiert, die aufgrund ihrer Seniorität weniger qualifiziert sind und günstig „eingekauft“ wurden. Oder viel Geld wird im „War for talents“ ausgegeben, um die passende Führungskraft teuer abzuwerben.
Was, wenn Zeit (und Geld) in eine Führungskraft mit „eingefrorenen“ Talenten investiert werden würde? In eine Führungskraft, die hochmotiviert den beruflichen Wiedereinstieg wagt. Die kurzzeitig bereit ist, auf einen Teil des Gehalts, das sie vor ihrer Karrierepause verdient hat, zu verzichten, um dafür Zeit und Unterstützung für eine „Wiedereingliederung“ in die Manager-Welt zu erhalten.
Eine Wiedereingliederungszeit, in der ihre Leistung nicht an dem gemessen wird, was ihre Peer-Group erreicht, sondern in der sie sich auf die Geschwindigkeit der Leistungserbringung hin entwickeln kann.
Wiederkehr statt Neustart!
Das schafft eine Win-win-Situation für beide Seiten – berufliche Wiedereinsteigerinnen und Unternehmen. Lassen Sie mich gern an Ihren Gedanken teilhaben!
Als Botschafterin für Returnships suche ich Gleichgesinnte, die dem gefühlten Fachkräftemangel endlich aktiv entgegenwirken wollen!