Corporate Political Responsibility

Corporate Political Responsibility (CPR): Mehr als nur Marketing

Corporate Political Responsibility – wenn die Demokratie ins Wanken gerät, tragen Unternehmen eine hohe Verantwortung, antidemokratischen Strebungen aktiv entgegenzuwirken. Welche Rolle nimmt dabei HR ein – und wie kann HR sprachfähig nach außen und vor allem in die Organisation hinein werden? Einblicke von Ulrike Dittrich und Rebecca Jennerjahn, HRPepper.

Das Konzept Corporate Political Responsibility

Unternehmen sind nicht nur wirtschaftliche Entitäten, sie sind ein wichtiger Teil unseres sozialen Systems. Ein Großteil des gesellschaftlichen Lebens findet in den Unternehmen statt – während der Arbeit, aber auch außerhalb, nach Feierabend oder in außerbrieblichen Initiativen. Durch Ausbildung und mehrjährigen Verbleib im Unternehmen finden in Organisationen wesentliche Sozialisierungsprozesse bei einer Vielzahl von Personen statt. Als bedeutende Akteur:innen in unserer demokratischen Gesellschaft tragen Unternehmen viele Rechte, aber auch Pflichten – einschließlich der Verantwortung für die Auswirkungen ihres Handelns auf die Gesellschaft.

Vor dem Hintergrund des wachsenden Einflusses von antidemokratischen und nationalistischen Strömungen gewinnt das Konzept Corporate Political Responsibility (CPR) deshalb zunehmend an Bedeutung. Es geht hierbei nicht nur um das Streben nach Profit, sondern auch um die Verantwortung von Unternehmen, die demokratisch verfasste Gesellschaft, die ihr Wirken ermöglicht, zu erhalten und zu stärken.

Das Konzept Corporate Political Responsibility wurde maßgeblich von Johannes Bohnen geprägt und bezieht sich dabei über die klassischen Bereiche der Corporate Social Responsibility (CSR) hinaus auf das politische Engagement von Unternehmen. Dabei geht es nicht um politische Einflussnahme, um zum Beispiel über Lobbyarbeit und die Unterstützung von bestimmten Parteien ökonomische Interessen durchzusetzen. Es geht auch nicht darum, sich zwangsläufig für eine politische Partei zu entscheiden oder zu engagieren.

Vielmehr dreht sich das Konzept um die Verantwortungsübernahme von Unternehmen und die klare Positionierung zu ihren verpflichtenden Werten und Grundhaltungen. „Responsible“ [verantwortlich] sind Unternehmen dann, wenn sie ihr so ausgelegtes politisches Engagement für das Gemeinwohl einsetzen – und nicht nur für den eigenen finanziellen Zugewinn.

Rechtsextremismus: Eine klare Position beziehen

Schon seit längerem verstärken sich rechtsextreme Tendenzen weltweit. Leider gelingt es den politischen Parteien des demokratischen Spektrums nicht, für einen wachsenden Teil der Bevölkerung einen überzeugenden Gegenentwurf zu zeichnen, rechtsradikale Argumente zu entkräften und Vertrauen aufzubauen.

Unternehmen stehen als integrale Bestandteile der Gesellschaft in starker Wechselwirkung mit dem politischen Umfeld. Sie sind, wie eingangs erläutert, nicht isoliert vom sozialen und gesellschaftspolitischen Leben. Als zentrale Akteur:innen im Wirtschaftskreislauf beeinflussen sie das tägliche Leben der Bürger:innen in erheblichem Maße.

Da sich Unternehmen in einem fragilen Abhängigkeitsverhältnis zu anderen Akteur:innen wie dem Staat, den privaten Haushalten, dem Ausland und dem Finanzsektor befinden, haben ihre Entscheidungen und Aktivitäten erhebliche Auswirkungen auf die Gesellschaft – und vice versa: sie spüren die Auswirkungen von  staatlichen, privathaushaltlichen, finanzpolitischen und globalen Entscheidungen auf ihr unternehmerisches Handeln sofort.

Wirtschaftliche Implikationen von Rechtsextremismus

Selbstverständlich können sich Unternehmen als Wirtschaftssubjekte nicht ausschließlich dem sozialen Engagement und gesellschaftlichen Gemeinwohl widmen. So verfolgt jedes Unternehmen zurecht den Zweck, das eigene wirtschaftliche Überleben und seinen Wohlstand zu sichern. Daher sollten die Auswirkungen der politischen Entwicklungen auch aus unternehmensstrategischer sowie ökonomischer Sicht beurteilt werden.

Unternehmen sind nicht immun gegen politische Entwicklungen. Corporate Political Responsibility fordert daher auch, dass Unternehmen aktiv an politischen Diskussionen teilnehmen, um ihre Interessen und die Interessen ihrer Stakeholder zu verteidigen.

Erstarken die rechtsextremen Weltanschauungen und Ideen, führt dies zu sozialen Spannungen, Unsicherheiten und Ängsten innerhalb der Bevölkerung sowie in der Belegschaft von Unternehmen. Dass solche Entwicklungen die Vertrauensbasis von Unternehmen schädigen, ist auf kurz oder lang unausweichlich – negative Szenarien wie der Verlust von Kund:innen oder das Abwandern von Arbeitnehmer:innen sind bereits jetzt Realität.

Die aktive Zurückdrängung und Positionierung gegen Rechtsextremismus kann nicht nur die negativen wirtschaftlichen Konsequenzen abfedern, sondern auch einen positiven Beitrag zur Wirtschaftlichkeit und Produktivität von Unternehmen leisten.

Folgende direkte Vorteile sind insbesondere für HR-Bereiche von hoher Relevanz und sollten in den Fokus des unternehmensstrategischen Diskurses gerückt werden:

Regionale Attraktivität und Sicherung von Investitionen:

Investor:innen bevorzugen Unternehmen, die in politisch stabilen Regionen ansässig sind. Klare Vorschriften und Gesetze sowie Rechtssicherheit und individuelle Freiheitsgrade gewährleisten ein langfristiges Wachstum und sorgen für ein innovatives Klima. Durch stetige und langfristige Investitionen können wiederum Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Innovationen generiert werdem, die einem Land wie Deutschland die Wettbewerbsfähigkeit auch langfristig sichern können.

Fachkräftegewinnung und Bindung von Mitarbeitenden:

Die demografische Entwicklung stellt eine große, wenn nicht sogar die größte Herausforderung für die deutsche Wirtschaft dar. Laut dem Fachkräftemonitoring für das Bundesministeriums für Arbeit & Soziales (BMAS; 2022) fehlen in Deutschland bis zum Jahr 2026 rund 240.000 Erwerbstätige (in diesem Szenario ist Zuwanderung schon eingerechnet!). Bereits jetzt sind rund 45% der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Deutschland ausländischer Herkunft oder weisen einen Migrationshintergrund auf.

Podcast zum Thema Integration von geflüchteten Menschen in den Arbeitsmarkt

Ohne weitere „Fachkräfteeinwanderung“ werden in Deutschland daher wichtige Arbeitskräfte fehlen, die das Wirtschaftswachstum ankurbeln, die Steuereinnahmen sichern und zum allgemeinen Wohlstandsniveau Deutschlands beitragen. Doch nicht nur Fachkräfte sind unverzichtbar für den Wohlstand und die Stabilität der sozialen Sicherungssysteme, auch ungelernte Arbeitnehmer:innen werden dringend gebraucht.

Um diesen „Arbeitskräftemangel“ zu kompensieren, kann sich ein überaltertes Land wie Deutschland keine rechtsnationalistischen Abschottungsstrategien leisten.

Darüber hinaus bergen diese Tendenzen die Gefahr eines so genannten „brain drain“ – gut ausgebildete Fachkräfte verlassen das Unternehmen, die Region oder sogar das Land, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre demokratischen Grund- & Freiheitsrechte nicht länger gewahrt sind.

Markenreputation und Kund:innenloyalität

Unternehmen, die sich deutlich gegen Diskriminierung und Extremismus positionieren, haben die Möglichkeit, eine starke und positive Markenreputation aufzubauen, was im heutigen wettbewerbsintensiven Geschäftsumfeld unerlässlich ist. Eine klare ethische Ausrichtung und die Verfolgung von Werten, die mit sozialer Verantwortung und Diversität in Einklang stehen, können dazu beitragen, das Vertrauen der Kund:innen zu gewinnen.

In einer Ära, in der Verbraucher:innen zunehmend bewusster einkaufen, interessieren sie sich nicht nur für die Produkte oder Dienstleistungen selbst, sondern auch für die Werte, die ein Unternehmen vertritt. Kund:innen neigen dazu, Marken zu bevorzugen, die sich für soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Vielfalt engagieren. Eine positive Markenreputation, die auf solchen Werten basiert, kann zu einer erhöhten Kund:innenloyalität führen. Loyale Kund:innen werden dem Unternehmen nicht nur treu bleiben, sondern auch eher dazu neigen, positive Mundpropaganda zu betreiben und die Marke in ihrem sozialen Umfeld zu empfehlen. Dies trägt dazu bei, die Reichweite der Marke zu vergrößern und potenzielle neue Kund:innen anzuziehen. Darüber hinaus kann eine positive Markenreputation die Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens gegenüber Krisen stärken.

Innovation und Kreativität

Laut dem Edelman Trust Barometer (2024) steht der Widerstand gegen Innovationen in westlichen Demokratien in Zusammenhang zur politischen Einstellung der Menschen. Schon jetzt zeigt sich, dass politisch rechts gerichtete Bürger:innen Innovationen eher ablehnen: In Deutschland tun dies 47% der Befragten, die dem politisch eher rechten/konservativen Spektrum angehören.

Dabei lässt sich die langfristige Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen nur sichern, wenn sie mit neuen (Produkt-)Ideen oder innovativen Lösungsansätzen Kunden von sich überzeugen. Vielfältige und inklusive Unternehmen, die sich für eine Perspektivenvielfalt und Diversität in ihrer Belegschaft einsetzen, tun genau dies – sie bleiben innovationsfähig. In einem sich ständig wandelnden wirtschaftlichen Umfeld, das von zunehmender Komplexität geprägt ist, können nur die Unternehmen bestehen, die mit Offenheit, Neugierde und Anpassungswillen agieren.

Kollaboration

Die uneingeschränkte Zusammenarbeit innerhalb von Organisationen ist von entscheidender Bedeutung, insbesondere angesichts der Herausforderungen, die durch politische Konflikte entstehen können. Solche Konflikte haben oft negative Auswirkungen auf die psychologische Sicherheit der Mitarbeitenden. Psychologische Sicherheit bezieht sich darauf, dass Mitglieder einer Organisation sich frei fühlen, ihre Gedanken, Ideen und Meinungen ohne Furcht vor negativen Konsequenzen zu äußern. In einem Umfeld, das von politischen Konflikten geprägt ist, kann diese Sicherheit beeinträchtigt werden, was wiederum die Kollaboration, Experimentierfreudigkeit und Produktivität negativ beeinflusst.

Um in einer sich ständig verändernden Geschäftswelt erfolgreich zu sein, sind Unternehmen auf eine offene und kollaborative Kultur angewiesen. Die Vielzahl an Transformationen und Veränderungen erfordert nicht nur Flexibilität, sondern auch die Bereitschaft, gemeinsam neue Wege zu erkunden. Hier kommt die Bedeutung der psychologischen Sicherheit ins Spiel. Mitarbeiter:innen, die sich sicher fühlen, Ideen auszutauschen und innovative Ansätze zu verfolgen, sind eher bereit, sich aktiv an Veränderungsprozessen zu beteiligen.

Die genannten Vorteile und positiven Beispiele verdeutlichen einmal mehr, wie wichtig die politische Stabilität für die deutsche Wirtschaft ist und welche Bedrohung von extremistischen Tendenzen in Politik und Gesellschaft ausgeht. Alle – nicht nur Personaler:innen – tragen daher in Unternehmen die Verantwortung, sich für Diversität und Inklusion einzusetzen!

Fazit zu Corporate Political Responsibility

„Unternehmen sollten in die gesellschaftlichen und politischen Voraussetzungen ihres wirtschaftlichen Erfolges investieren. Wer die Demokratie stärkt, stärkt letztlich sich selbst.“, so Johannes Bohnen, Begründer des Konzepts Corporate Political Responsibility. Eine offene, diskriminierungsfreie und tolerante Gesellschaft schafft ein Umfeld, in dem Unternehmen florieren können. Vielfalt in der Belegschaft ist ein wichtiger Treiber für Innovation und Kreativität, während Kund:innen vermehrt Unternehmen bevorzugen, die sich aktiv für soziale Gerechtigkeit sowie demokratische Grundrechte und Freiheitsgrade einsetzen.

Corporate Political Responsibility ist weit mehr als nur eine PR-Maßnahme. Es ist ein notwendiger Schritt für Unternehmen, die nicht nur wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch eine positive gesellschaftliche Wirkung anstreben. Insbesondere in Deutschland sollte die Wirtschaft ihre ethisch-moralische Verantwortung ernst nehmen und eine klare Position gegen rechtsextremistisches Gedankengut beziehen. Es ist mehr denn je an der Zeit, dass Unternehmen nicht nur Produkte und Dienstleistungen, sondern auch Verantwortung übernehmen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Notwendigkeit für Unternehmen, ihre gesellschaftliche Rolle aktiv zu gestalten, politische Entwicklungen zu berücksichtigen und sich für demokratische Werte einzusetzen, unumstritten ist. Nur durch diese aktive Beteiligung kann eine nachhaltige und integrierte Entwicklung der demokratischen Gesellschaft gefördert werden, die den Wohlstand und Innovationsvorsprung Deutschlands auch in Zukunft sichert.

Freuen Sie sich auf Teil 2 mit konkreten Handlungsempfehlungen zu Corporate Political Responsibility  für HR im Unternehmen!

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Rebecca Jennerjahn und Ulrike Dittrich

Rebecca Jennerjahn, HRPepper

Rebecca Jennerjahn ist Expertin für Changemanagement, Kommunikation und Organisationsentwicklung. Ihr breites Wissen aus Betriebswirtschaft, Geisteswissenschaft und Psychologie ermöglicht ihr, ihre Kund:innen sicher durch komplexe Sachverhalte zu navigieren. Rebeccas Leidenschaft liegt in der Gestaltung von Veränderungsprozessen und kollaborativen Arbeitsweisen. Ihr Gespür für Gruppendynamiken und das Wissen um die Macht der psychologischen Sicherheit in Teams befähigt Rebecca, die Zusammenarbeit von Menschen zu verbessern.

Mit praxisorientierten Ansätzen und partizipativen Methoden gestaltet sie ganzheitliche Transformationen und agiert als Impulsgeberin für Veränderungsprojekte.

>> LinkedIn-Profil von Rebecca Jennerjahn

 

 

Ulrike Dittrich, HRPepper

Ulrike Dittrich ist Spezialistin in der Gestaltung von nachhaltigen Learning Journeys. Teilnehmende ihrer Journeys überprüfen ihren Status Quo und machen sich auf den Weg der eigenen Veränderung, Stärkung und Entwicklung.

Hinterfragendes Sparring ist der rote Faden, der sich durch ihre Arbeit zieht. Egal ob organisationale Strukturen und Prozesse, Kulturen oder individuelle Reflexion und Transformation – sie sieht hin und fragt: Wie ist es? Muss es so sein? Was soll bleiben, wie es ist? Wie groß ist der Gestaltungsspielraum? Wo soll es hingehen? Was tun wir und was nicht?

>> LinkedIn-Profil von Ulrike Dittrich

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