Generation schwerhörig

Generation Schwerhörig: Wie Unternehmen den Arbeitsalltag verbessern können

Die Generation Schwerhörig hat deutlich höhere Hürden beim Jobeinstieg und verdient oft nur 85% des Gehalts von hörenden Kolleginnen und Kollegen. Was ein Betroffener aus diesem Thema gemacht und welche Tipps er für Arbeitgeber hat, berichtet Niklas Spichalsky, MySecondEar.

Generation Schwerhörig – Zahlen, Daten, Fakten

Unflexible Arbeitgebende, veraltete Methoden und steife Denkmuster: Millennials und Generation Z müssen sich vielen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt stellen. Der Wunsch nach Work-Life-Balance, offener Kommunikation und mehr Inklusion nimmt zu. Wie letzteres gelingen kann, zeigt das Beispiel Hörschwäche.

Eine aktuelle Analyse des British Medical Journal zeigt: Schwerhörigkeit wird zu einer Hürde im Job. Denn über 1 Milliarde junge Menschen im Alter zwischen 12 und 34 Jahren werden künftig von Hörschäden betroffen sein. Das hat Konsequenzen für den Arbeitsmarkt. Bereits in der Vergangenheit konnte festgestellt werden, dass Menschen mit Hörverlust nur 85% des Gehalts ihrer hörenden Kolleg:innen erhielten. Eine starke finanzielle Einbuße für Beschäftigte. Der wirtschaftliche Schaden von Hörschwäche für Unternehmen beläuft sich auf rund 155 Millionen Euro. Dabei sind die Kosten für Folgeerkrankungen wie Demenz oder Depressionen laut einer KBV-Studie noch nicht eingerechnet. Es liegt daher auch im Interesse von Arbeitgebenden, dass möglichst früh Lösungen für schwerhörige Angestellte gefunden werden.

Schwerhörigkeit sagt nichts über die Intelligenz aus

In meinem Joballtag musste ich früh lernen, welche Schwierigkeiten es für Schwerhörige gibt. Durch meinen familiär vererbten Hörschaden hatte ich bereits als Kind Probleme mit meinem Gehör. Inzwischen bin ich 30 Jahre alt und trage seit über 20 Jahren Hörgeräte. In meiner Karriere musste ich mich vielen Hürden stellen, trotz technischer Hilfsmittel. Das wohl offensichtlichste Problem war, dass ich andere nicht oder nur undeutlich verstanden habe.

Ob es um Absprachen bei Arbeitsaufgaben oder die sozialen Interaktionen mit Mitarbeitenden ging, Gesagtes zu verstehen war im Job oft schwierig für mich. Ein offener Umgang mit meinem Hörschaden im Team oder mit meinen Vorgesetzten war immer wieder ein Problem, denn das Thema wurde stigmatisiert. Wenn ich mein Hörgerät mal nicht im Ohr hatte, wurde mir auf der Arbeit schnell mangelnde Intelligenz unterstellt.

Dieser Stempel ist nicht karrierefördernd und führt eher dazu, dass Betroffene sich weiter zurückziehen.

Dabei ist der Rückzug generell ein Problem. Nicht an sozialen Gesprächen teilnehmen zu können, weil Witze zu spät verstanden werden oder regelmäßig nachgefragt werden muss, führt dazu, dass Betroffene sich abkapseln. Sich selbst nicht als Teil der Arbeitsgemeinschaft zu sehen und im Zuge dessen auch von Team-Mitgliedern nicht mehr mit einbezogen zu werden, schafft Isolation. Ein weiterer versteckter Aspekt ist die Konzentration. Den ganzen Tag Kapazitäten darauf zu verwenden, den Lückentext in Gesprächen zu entschlüsseln, ist zehrend und anstrengend. Gepaart mit der Isolation kann dies schnell zu Depressionen oder Burn-Out führen.

4 Tipps für Unternehmen

Bereits wenige Veränderungen können dazu führen, dass Schwerhörige sich besser im Arbeitsalltag eingebunden fühlen. Meine Tipps für Arbeitgeber:

Technische Unterstützung

Wissen Betroffene bereits von ihrer Hörschwäche und tragen Hörgeräte, können technische Geräte zur Unterstützung genutzt werden. Darunter unter anderem Geräte, die in Konferenzräumen aufgestellt werden, die via Bluetooth mit den Hörgeräten verbunden sind. So können Betroffene das Gesagte besser verstehen, ohne dass Gesprächspartner lauter sprechen müssen oder Lautsprecher zu laut eingestellt werden müssen. Bei größeren Veranstaltungen gibt es auch die Möglichkeit, Vortragende mit kleinen Mikrofonen auszustatten, die Gesagtes neben Lautsprechern auch aus Hörgeräten wiedergeben.

Eine Pause für die Ohren

Wie zuvor bereits angesprochen, kann der Arbeitsalltag anstrengend sein. Daher sind Pausen wichtig. Für Schwerhörige sollte dabei der Fokus darauf liegen, dass es auch Pausen für die Ohren gibt. Ein Ruheraum, der als Rückzug für solche Pausen genutzt werden kann, wäre eine gute Lösung.

Geräusche absorbieren

Gerade in Großraumbüros kann der Lärmpegel schnell steigen. Moderne Architektur und leere Böden sowie Wände führen dazu, dass sich die Raumakustik verschlechtert. Abhilfe können hier Teppichböden, Wandpaneele zur Dämmung und alle Geräusch absorbierenden Dekorationen wie zum Beispiel Kissen, Vorhänge oder Decken bieten.

Vorsorge als Benefit

Schließlich können Unternehmen vorsorgen, indem sie für Mitarbeiter als Corporate Benefit einen jährlichen Hörtest anbieten. Durch die regelmäßige Untersuchung, auch bei jungen Mitarbeitern, kann ein Hörschaden schneller entdeckt werden. So kann früher reagiert werden, damit der Schaden nicht zu weit fortschreitet und Folgeerkrankungen im Zweifel vorgebeugt werden.

Auch Betroffene können etwas tun – mit der richtigen Kommunikation

Auch Betroffene können ihren Arbeitsalltag anpassen. Wie bereits zu Beginn angesprochen, ist gerade bei Millennials und Generation Z offene Kommunikation eine Priorität bei der Wahl des Arbeitsplatzes. Unternehmen sollten es daher ermöglichen, offen über die Schwerhörigkeit zu sprechen. Dazu gehört, dass Vorschläge von Betroffenen zur Verbesserung ihres Arbeitsflusses ernst genommen und nicht als zusätzliche Last verstanden werden.

Die Offenheit von Vorgesetzten, über physische Einschränkungen wertfrei zu sprechen, ist dabei natürlich Voraussetzung. Schwerhörige brauchen so keine Sorge zu haben, dass sich ihr Umstand nachteilig auf ihre Karriere auswirkt. Regelmäßige Check-ins mit Vorgesetzten helfen dabei herauszufinden, ob die gemeinsam erarbeiteten Lösungen sinnvoll sind.

Ein konkretes Beispiel, um die Kommunikation langfristig zu verbessern, wäre die schriftliche Absprache verschiedener Aufgaben. Im Mündlichen kann viel verloren gehen oder ganze Aufgaben sogar untergehen. Stattdessen bietet sich Mailverkehr an. Auch nach einer mündlichen Absprache kann so noch einmal festgehalten werden, welche Aufgaben erledigt werden müssen und was diese Aufgaben umfasst.

Natürlich liegt auch die Vorsorge bei den Angestellten. Häufig fehlt das Bewusstsein für eine mögliche Schwerhörigkeit. Dem persönlichen Umfeld fällt das viel eher auf. Die Anzeichen für einen Hörverlust kommen schleichend. Ein Irrglaube ist, dass alles “leiser” erscheint. Vielmehr erfahren Betroffene die Welt wie einen Lückentext: Bestimmte Laute, Geräusche und Silben fehlen einfach. Deshalb konzentrieren sie sich häufig auf Lippenbewegungen. Gerade bei diesen Anzeichen ist der Weg zum HNO-Arzt ratsam.

Je früher der Hörschaden festgestellt wird, desto eher kann er behandelt werden.

Inklusive Arbeitgeber sind die Zukunft

Als Fazit lässt sich sagen, dass Schwerhörigkeit im Arbeitsalltag kein Hindernis darstellen muss. Unternehmen haben die Möglichkeit, ihre Prozesse und Räumlichkeiten anzupassen. Dabei ist kein großer Umbau vonnöten. Kostengünstige Veränderungen, wie Dämmpaneele an den Wänden, oder die Anschaffung von hochwertigem technischen Equipment helfen dabei, Mitarbeiter zu inkludieren. Vorgesetzte können gemeinsam mit Betroffenen Lösungen im Arbeitsablauf finden, die für beide Seiten funktionieren. Vorgesetzten muss bewusst sein, dass diese Lösungsfindung keine Mehrarbeit darstellt, sondern eine Entlastung. So bietet man Beschäftigten den Raum, ihre Hörschwäche offen zu kommunizieren.

Das Versprechen, eine bessere Work-Life-Balance zu schaffen, reicht nicht mehr aus, um neue Generationen von dem eigenen Unternehmen zu überzeugen. Stattdessen priorisieren Millennials und Generation Z einen Arbeitsplatz, der jeden Mitarbeitenden hört und auf die Bedürfnisse des Teams eingeht. Dazu gehören die passenden Inklusionsangebote.

Und mit den aktuellen Zahlen vor Augen sollten Unternehmen jetzt handeln, um künftigen Beschäftigten-Generationen gerecht zu werden.

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Niklas Spichalsky

Niklas Spichalsky, MySecondEar

 

Niklas Spichalsky ist Gründer des Online-Hörakustiker MySecondEar. Er trägt selbst seit Kindesalter Hörgeräte und weiß, auf was für Hürden Hörgeschädigte im Alltag stoßen. Schon während des Studiums an der Universität Passau und der Copenhagen Business School lag ihm die Thematik am Herzen.

Ungehalten von dem intransparenten Markt der Hörakustiker machte Niklas es zu seiner Lebensaufgabe, den Hörgerätemarkt nachhaltig zu verändern und das Stigma durch mehr Aufmerksamkeit und bessere Aufklärung zu lösen.

>> Zum LinkedIn-Profil von Niklas Spichalsky

>> zur Website von MySecondEar

 

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