Durch die Corona-Pandemie haben sich weltweit Arbeitsorte flexibilisiert. Pendeln nimmt ab, Dienstreisen auch. Aber mit Blick auf die sich andeutende Energiekrise sowie Maßnahmen gegen die Klimakrise verändert sich Mobilität unter immer stärkerer Berücksichtigung des CO2-Fußabdrucks. Ach, und da ist dann noch der New Work Trend. Gastautorin Inge Pirner versucht sich an einer Aufarbeitung dieser komplexen Materie.
Von der Coronakrise in die Energiekrise
Corona noch nicht vorbei, schon erschüttern uns weitere Krisen und beschleunigen Veränderungsprozesse wie sie die Welt sicher noch nicht erlebt hat. Nach dem Prozess der Digitalisierungsbeschleunigung folgt nun die Bewältigung der Energiekrise.
Davon betroffen ist auch die Arbeitswelt der Zukunft. Jetzt mehr denn je, wenn es um Mobilität und Energieverbrauch geht. Schlagwörter, die es auch vor den Krisen schon gab, wie Bleisure-Reisen (Arbeit und mit Freizeit verlängern) werden jetzt ergänzt durch Workation (Verschmelzung von Arbeit und Urlaub) oder Work and Travel (Arbeit an anderen Orten).
Mobiles Arbeiten ist durch den hohen Digitalisierungsgrad ja seit 2 Jahren „normal“. Auch wenn die Technik manchmal ruckelt, einfriert, abschmiert oder komplett ausfällt. Das bedeutet nun ein anderes Arbeiten, das uns auch nach der Pandemie – wann immer diese endet – erhalten bleibt.
New Work und Klimaschutz durch CO2-Reduktion
„New Work“ heißt eben Arbeiten von überall und nirgendwo. Damit verändern sich Abläufe. Der Stau am Morgen entsteht jetzt maximal an der Badtür im Homeoffice. Aber eben nicht mehr auf der Straße mit dem Auto. Energieverbrauch geht gegen Null! Mein Anteil an klimaschädlichen Emissionen sinkt damit auf jeden Fall. Auch wenn Strom für Technik nicht überall schon aus Windkraft oder Solarzellen kommt. Warum ist das jetzt denn neben dem Schutz des Klimas allgemein noch so wichtig? Der Weg zur Arbeit ist doch eigentlich meine Sache, oder?
Ökobilanzen als Zeichen einer nachhaltigen Geschäftspolitik
Noch, aber voraussichtlich nicht mehr lange. Im Sinne der Maßnahmen in den nächsten Jahrzehnten klimaneutral im Sinne einer nachhaltigen Geschäftspolitik zu werden, erstellen Unternehmen Ökobilanzen. Hier werden unter anderem die Treibhausgasemissionen nach dem Greenhouse Gas (GHG)-Protocol in verschiedene Scopes eingeteilt:
- Scope 1 deckt direkte Emissionen aus eigenen oder kontrollierten Quellen ab, zum Beispiel Kraftstoff für Dienstfahrzeuge.
- Scope 2 deckt indirekte Emissionen aus der Erzeugung von gekauftem Strom, Dampf, Wärme und Kühlung ab, die das betreffende Unternehmen verbraucht. Hier könnten aber nun auch die Kosten der Digitalisierung im Homeoffice aufschlagen.
- Scope 3 umfasst alle anderen indirekten Emissionen, die in der Wertschöpfungskette eines Unternehmens entstehen. Hierzu zählen unter anderem Geschäftsreisen und das Pendeln zum Arbeitsplatz.
Die EU sieht dazu ab 2023 in ihrem neuen Corporate Social Responsibility (CSR) Richtlinie erstmalig eine Berichtspflicht für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden vor. Dort fordert sie die Offenlegung von Angaben zu nichtfinanziellen Aspekten, unter anderem zu Umweltbelangen und Nachhaltigkeit. Zur Wirksamkeit muss sie jedoch noch in nationales Recht umgewandelt werden.
Und wie werden diese Emissionen nun gemessen? Über den CO2-Fußabdruck! Er ist ein Teil des ökologischen Fußabdrucks. Bei dem wird die Fläche berechnet, die ein Mensch für seinen Lebensstil bräuchte. Neben den eigenen CO2-Emissionen berücksichtigt der ökologische Fußabdruck auch die Produktion und die Entsorgung für alles was wir kaufen.
Fällt die Zuordnung zu Arbeitsstätten?
Zurück zur Ausgangsituation der neuen Arbeitswelten. Mobiles Arbeiten bedeutet: nicht mehr jeden Tag ins Büro fahren zu müssen. Sei es jetzt emissionsärmer mit dem ÖPNV oder emissionsfrei mit dem Fahrrad. Wenn und solange keine reine E-Mobilität im Spiel ist oder der Strom dafür wirklich vom Windrad kommt.
Damit stellt sich die Frage für Unternehmen: Liegt denn überhaupt noch eine erste Arbeitsstätte vor? Beziehungsweise muss eine Zuordnung erfolgen, wenn der absolut überwiegende Teil der Arbeit von anderen Orten erbracht wird?
Beispielhaft können Mitarbeitende in Bielefeld ihren Wohnsitz haben und nur zu bestimmten Anlässen an den Firmenstandort in Nürnberg kommen. Haben sie eine erste Arbeitsstätte zugeordnet bekommen, dann ist die Reise eine private Angelegenheit und Kosten werden nicht erstattet. Mitarbeitende können reisen wie sie wollen, was sich damit aber auch negativ auf die Emissionen auswirken kann.
Gibt es keine Zuordnung ist die Reise geschäftlich veranlasst, also eine Dienstreise, die Kosten werden ersetzt und der Arbeitgeber hat Einfluss darauf mit welchen Reisemitteln hinsichtlich der Emissionsreduzierung gereist werden darf.
Überlegungen aus Sicht des Travelmanagements
Natürlich müssen hier aus Sicht des Travelmanagements mehrere Faktoren berücksichtigt werden. Eine Reise wie im Beispiel gelingt sicher nicht mit dem Fahrrad über die Autobahn. Außer man riskiert eine Verkehrsmeldung und ein Gespräch mit den Ordnungshütern.
Im Sinne des Fußabdruckes müssen die Reisemittel bewertet werden. Ist wirklich kein CO2-Ausstoß zu verzeichnen? Und wenn doch, wird kompensiert. Wenn ja, wie erfolgt die CO2-Kompensation?
Daneben sind Arbeitszeitregelungen und Bedürfnisse der Reisenden zu berücksichtigen. Eine Reise wie in unserem Beispiel ist mit dem Auto in gut vier Stunden (ohne Stau) zu schaffen. Mit dem Zug braucht man über fünf Stunden (ohne Verspätung) mit dem Flugzeug (Bielefeld hat tatsächlich einen Flughafen!) keine zwei Stunden.
Da die Reisezeit im Auto wie Arbeitszeit gilt, da man aktiv fährt, geht eine Hin- und Rückfahrt am gleichen Tag nicht. Im Zug wäre es entspannter, aber im Sinne der Reisenden so nicht zumutbar. Lediglich im Flieger wäre ein Tagesaufenthalt möglich.
Berechnung der CO2-Emissionen
Um nun die Emissionen zu berechnen, muss bei Auto und Bahn noch ein Hotelaufenthalt einschließlich der Wegstrecken mit den entsprechenden CO2-Werten ergänzt werden. Wie genau diese Werte sein müssen ist fraglich. Im Auto ist es etwas einfacher über den Kraftstoffverbrauch zu ermitteln. Im Zug wird ein Großteil im Fernverkehr bereits mit erneuerbaren Energien gefahren. Aber genaue Aussagen hinsichtlich des einzelnen Fußabdrucks bekommt man nicht.
Im Hotelbereich ist es noch komplexer, da es von Gebäudestrukturen, energetischen Verbräuchen, Materialeinsatz und vielem mehr abhängt. Im Flugbereich wird derzeit viel über alternative Kraftstoffe (SAF) diskutiert und mit Hochdruck daran entwickelt, um emissionsärmer zu fliegen. Für eine Kompensation sind die so schwer ermittelbaren Zahlen nun genauso wichtig, wie für die Bilanz. Allerdings ist Vermeidung immer noch besser als Kompensation.
Was im Moment für die neuen Arbeitswelten noch schwierig ist: mobiles Arbeiten im Ausland! Die Vorgaben, auch in der EU, mit den notwendigen A1-Bescheinigungen zum Sozialversicherungsnachweis zum Beispiel, lassen Unternehmen noch keinen Gestaltungsspielraum, um hier freier zu agieren. Mobiles Arbeiten auf Mallorca statt in Bielefeld hätte sicherlich für einen CO2-Fußabdruck, der dann evtl. notwendigen Dienstreise in den Standort, ein besseres Ergebnis mit dem Flugzeug als andere Verkehrsmittel.
Fazit zum Klimaschutz und Mobilität
Vieles verändert sich. Der Klimaschutz und die Mobilität bekommen anhand der sich abzeichnenden Probleme in der Energieversorgung einen noch höheren Stellenwert. Dazu können die neuen Arbeitsmodelle positiv beitragen, um diese Herausforderung zu meistern.
Und auch die Personalbereiche haben einen größeren Spielraum im Employer Branding und Recruiting. Sie punkten dann auch beim Thema Arbeitgeberattraktivität.