Gehört haben Sie davon, oder? Die Mobilität ist im Wandel. Nachhaltigkeit, veränderte Werte und ein hoher Grad an Flexibilität fordern ein Umdenken. Aber was genau stellen Sie sich unter einem Mobilitätsbudget oder auch Mobilitätsbuffet vor? Inge Pirner, Vizepräsidentin VDR e.V., gibt Einblicke.
Was ist dieses Mobilitätsbudget, auch Mobilitätsbuffet genannt?
Ist Mobilitätsbudget ein Ersatz zum Dienstwagen? Ein Budget für Dienstreisen? Eine mögliche Alternative zum Jobticket? Ein zusätzlicher Benefit für Mitarbeiter? Eine Buchungsplattform für jegliche Mobilität privat wie beruflich?
Und was bedeutet in diesem Zusammenhang Mobility as a Service (MaaS) oder wie entwickelt sich New Mobility in Zeiten von New Work und Homeoffice? Ich versuche mal ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen. Aber Vorsicht: kein Anspruch auf Vollständigkeit!
Der Corona Lockdown lähmt unsere Mobilität
Alle, deren Autobatterie im Lockdown den Geist aufgegeben hat oder die sich fragen, warum die private Nutzung des Dienstwagens für den Aufenthalt in der Garage privat versteuert werden muss, beschäftigen sich in der Isolation des Homeoffice mit dem Thema Mobilitätsbudget. Genauso wie die Nichtnutzer des Jobtickets im Homeoffice oder derzeit Nichtdienstreisende.
Und da kommen sie, die kreativen Ideen etwas zu verändern. Aber: wie groß ist tatsächlich die Bereitschaft dazu? Sind wir auch bereit für Flexibilität und damit dem teilweisen oder gar kompletten Verzicht auf Eigentum an Mobilitätsermöglichern?
Der Dienstwagen – das Urgestein der beruflichen Mobilität
Ich nehme Sie jetzt mal mit auf die Reise in die Welt meiner persönlichen Gedanken zum Mobilitätsbudget. Der Dienstwagen, das individuelle, stets verfügbare und selbstverständliche Auto. Er wird einerseits als Arbeitsmittel oftmals aber auch als ein Statussymbol betrachtet. Ein Dienstwagen ist in jedem Fall Gehaltsbestandteil und wird entsprechend bewertet.
Groß und schnell muss das Auto sein. Nachhaltigkeitsgesichtspunkte in puncto Verbrauch und CO2-Ausstoß sind oft eine Nebensache. Blöd nur, dass so ein Dienstwagen im Moment nur rumsteht. Keine Kundenbesuche, kein Weg zur Arbeit, kein Urlaub, nicht mal ein „in die Schule bringen“ wegen Distanzunterricht. Das Auto ist dabei wie ein Sparschwein, das Geld nicht „hortet“, sondern „frisst“ – dafür ist der Corona-bedingte Stillstand in der Mobilität zumindest sehr CO2-neutral.
Mobilitätsbudget statt Dienstwagen: Modellversuche
Aber was wäre die Alternative? Mit einem erstmaligen Pilotkonzept in sehr großem Stil „Mobilitätsbudget statt Firmenwagen“ testet seit Monaten ein großes Softwarehaus den Einsatz eines festen virtuellen Budgets statt einem Dienstwagen in den Städten Berlin und Potsdam. Daneben wäre statt des Budgets auch die Nutzung der Bahncard100 möglich. Allerdings ist hier der Einsatz für die Beförderung auf die Schiene beschränkt beziehungsweise der inkludierte eingeschränkte ÖPNV nicht umfassend und optimal.
Im Budget sind neben der Bahnfahrt auch Mietwagen, ÖPNV, Carsharing mit den unterschiedlichsten Anbietern et cetera enthalten, was es wesentlich flexibler macht als ein Dienstwagen. Eine Ausnahme sind Flüge.
Allerdings gibt es noch eine Reihe von Fragen zu beantworten: Beispielsweise wie beim Mietwagen der Treibstoff abgerechnet wird – über das Budget oder extra? Auch finde ich es schwierig, wie „Vielreisende“ mit einem genormten Budget zurechtkommen sollen, das für jeden gleich ist. Die steuerliche Handhabung des privaten Anteils ist für mich ebenfalls eine zu klärende Fragestellung.
Das Mobilitätsbudget – die Flexibilität von morgen?
So weit so gut. Nun mal ein Blick in die Realität der mit einem solchen Budget erzielbaren Flexibilität und deren Auswirkungen. Montagmorgen – ein Kunde ruft an und hat ein dringendes Problem. Ich muss sofort los und … – rein ins Auto ist dann ja mal nicht. Bahnhof oder Bushaltestelle sind nicht vor der Haustür. Das würde auch nur Sinn machen, wenn ich dann keine Werkzeugkisten mitnehmen müsste, um dem Kunden weiter zu helfen.
Also nach Auto im Carsharing-Pool suchen. Oder Mietwagen organisieren. Aber wenn die nächste Abholstation zahlreiche km entfernt ist … wie komm ich jetzt da hin? Oder ich nehme gleich ein Taxi. Aber das steht auch nicht sofort vor der Haustür.
Organisatorischer und nicht unbedingt wertschöpfender Aufwand könnte das sein. Krasses Beispiel – aber wäre möglich. Große Vielfalt, aber für spontan benötigte Mobilität eher schwierig.
Eine Mehrheit will noch nicht auf das eigene Auto verzichten
Anders bewertbar erscheint das Thema, wenn es ein eigenes Auto neben dem Dienstwagen oder dem Mobilitätsbudget gibt. Und Untersuchungen zeigen, dass die überwiegende Mehrheit derzeit nicht auf das eigene Auto verzichten will. Neben den bereits geschilderten Gründen braucht es persönliche Mobilität, um zum Beispiel die Kinder in die Kita zu bringen, weil die öffentliche Anbindung unzureichend ist oder kein Sharing-Angebot oder Stationen vor Ort helfen können.
Das aktuelle Personenbeförderungsgesetz trägt auch nicht dazu bei kreative Mobilitätslösungen zu schaffen. Andere Variante: aus dem Budget unter der Woche den Kleinwagen buchen. Und fürs Wochenende mit der Familie den SUV im Abo für Mobilität per Auto (Mobility as a Service). Damit wäre dann in Berlin eventuell der Bestand des BER zumindest als Parkplatz gesichert. Unter der Woche stünden dann dort die SUV rum, am Wochenende die Kleinwagen.
Ohne organisatorischen Aufwand ist das jedoch auch nicht möglich. Ein eher unproduktives Hin- und Herfahren belastet daneben den persönlichen CO2-Fußabdruck.
Mobilitätsbudgets müssen ganzheitlich gedacht werden
Meine Beispiele zeigen auf, dass Mobilität mal wieder ganzheitlich betrachtet werden muss. Und dass ein flexibles Mobilitätsbudget nicht das Allheilmittel schlechthin darstellt.
Wenn Sie mich jetzt fragen würden, wie denn für mich das optimale Mobilitätspaket in diesen Fällen aussieht. Hier meine Antwort: Ich spreche hier nur vom Dienstwagen und dessen Mobilität:
Ein kleines eigenes Dienst-E-Auto
- nachhaltig produziert, langlebig
- einschließlich umweltfreundlicher Batterieentsorgung (Rohstofftrennung zur Wiederverwertung)
- mit guter Reichweite für schnelle und kurzfristige Mobilität, auch zum Bahnhof oder dem ÖPNV
- Ladepunkt zu Hause mit Öko-Strom (Kleine Anmerkung: haben wir eigentlich so viel Ökostrom wenn alle auf E-Mobilität umsteigen?)
Daneben ein Mobilitätsbudget
- zur Nutzung aller Verkehrsmittel
- einschließlich Hotelleistungen und Parken unter anderem dann auch für planbare Mobilität
- auf einer App verfüg- und bezahlbar
- inklusive des Stroms für das E-Auto.
Zwischen privat und geschäftlich entscheide ich bei Buchung beziehungsweise Nutzung per Klick und umgehe damit jegliche Versteuerung für den privaten Anteil, weil ich ihn gleich selbst bezahle.
Den Anteil des Budgets für Dienstreisen bekomme ich aber sehr flexibel. Über den automatisierten Mechanismus dahinter kann man sich firmenspezifisch Gedanken machen und ihn mit Onlinebuchungstools verbinden. Die verfügbare Leasingrate für das E-Auto wird vom Arbeitgeber vorgegeben und eine dafür eventuelle private Versteuerung erfolgt automatisch.
Der CO2 Fußabdruck – wie kommen wir zu Green Enterprises?
Apropos: Meinen Urlaub plane ich nach wie vor nachhaltig mit dem Flugzeug, denn ich liebe das Meer! Ich sammle Altöl und Biomasse zum CO2 neutralen Fliegen und bring dann zum CheckIn meinen Kanister Treibstoff mit – so mal bildlich vorstellbar.
Aber mal im Ernst: Diese alternativen Kraftstoffe werden derzeit tatsächlich bereits – allerdings noch in geringem Umfang mangels Masse – eingesetzt und Pilotversuche laufen an. Und sollte es nicht komplett CO2 neutral funktionieren, dann verzichte ich im Urlaub gerne auch mal auf ein Stück Fleisch.
Vielleicht ist es noch zu theoretisch, aber so mal als Zielbild – für mich.
Die andere Variante des Mobilitätsbudgets
Jetzt komme ich aber nochmal zur anderen Variante des Mobilitätsbudgets: der Alternative zum Jobticket oder als Benefit für den Mitarbeiter im Sinne der Sachzuwendung. Mehrere Dienstleister springen derzeit auf den Zug auf, hier flexiblere Modelle für den Arbeitsweg buchbar zu machen.
Statt eines unflexiblen Jobtickets für einen Verkehrsverbund können arbeitgeberbezuschusst andere Mobilitätsformen wie etwa Leasebike, Call a bike oder ähnlich neben dem ÖPNV genutzt werden. Dabei gibt es verschiedene Formen, wie das Mobilitätsbudget zur Verfügung gestellt wird. Beispielsweise durch eine Prepaidkarte, die nur für bestimmte Anbieter oder Leistungen eingesetzt werden kann. Das Mobilitätsbudget ist natürlich auch ein wertvoller Benefit für Mitarbeitende und attraktiv im Rahmen des Employer Brandings.
Innerhalb der Grenzen des Sachbezugs ist das dann sogar steuerfrei. Zudem können Nachhaltigkeitsgesichtspunkte einbezogen werden. So wären Sonderprämien für die Nutzung umweltfreundlicher bzw. CO2-freier Mobilität möglich.
Eine breite Anbieterlandschaft wird entstehen
Wichtig sind dabei einfache Techniken zur Buchung (per App) und Bezahlung. Die Attraktivität für Arbeitgeber steigt, je mehr auf die tatsächlichen Bedürfnisse für Mobilität in einer „neuen“ hybriden Arbeitswelt mit hoher Flexibilität und Bewusstsein für Klima und Nachhaltigkeit eingegangen wird. Dazu sind individuell passende Konzepte innerhalb der Unternehmen notwendig.
Weitere Dienstleister am Markt werden sich dazu etablieren und der Gesetzgeber muss in der steuerlichen Handhabe nachziehen, um die Nutzung auch wertmäßig profitabel zu machen und letztlich zur Erreichung von Klimazielen beizutragen.
Was aber auch noch sehr wichtig sein wird: Plattformen zur Buchung müssen eine Bündelung von Mobilitätsanbietern gewährleisten, um ein breitgefächertes Angebot ohne Einschränkungen zu erhalten. Heute ist es schon im öffentlichen Nahverkehr der Verkehrsverbünde schwierig das zu gewährleisten.
Und von einheitlichen und übersichtlichen Tarifstrukturen ist sicher so schnell auch nicht auszugehen. Themen wie eine Art „Deutschland Mobicard“ wären wünschenswert.
Hey, frau wird doch noch träumen dürfen!?