Auch wenn der Titel auf den ersten Blick sehr reißerisch klingen mag, so veranlasste mich ein aktueller Beitrag im Internet dazu, erneut zum Thema Diversity unter dem Stichwort Diversity-Fluch zu bloggen.
Auslöser für einen Guten-Morgen-es-ist-Montag-Beitrag des Bloggerkollegen Jo Diercks war die nachfolgende Stellenanzeige der Kreissparkasse Birkenfeld.
Unter dem vom Autor gewählten Titel „Gender-Fail-Fundstück“ (= hippe Bezeichnung für einen Beitrag, der eine Geschlechterdiskriminierung darstellt oder eine solche vermuten lässt) erfreuen wir Leser uns auf den ersten Blick eines stümperhaften Versuchs, Personalmarketing für eine Ausbildung beim großen roten „S mit Punkt“ zu betreiben. Natürlich ist der Aufreger schnell identifiziert: Zwei Männer oben auf der Leiter, fünf Frauen unten an der Leiter. Autsch! – So auch meine erste Reaktion.
Aber beim weiteren Drübernachdenken (ja, liebe Leser, mit so etwas beschäftige ich mich tatsächlich) habe ich zum „Gender-Fail-Fundstück“ eine etwas differenziertere Einstellung entwickelt.
Der zweite Blick
Wenn ich einfach mal davon ausgehe, dass die dargestellte Situation der Realität in dieser Sparkasse entspricht, nämlich dass es an der Unternehmensspitze ausschließlich Männer gibt und das Geschlechterverhältnis im Gesamtunternehmen 5:2 zugunsten der Frauen beträgt, dann kann man doch von einer höchst authentischen und damit gelungenen Kommunikation sprechen, oder? Insbesondere wenn man(n) weiß, dass nicht jede Frau danach strebt, Vorstandsvorsitzende zu werden. Also alles gut?
Nein, sagt der Autor. Er dreht das noch etwas größere Diversity-Rad: Es könne der Sparkasse mit dieser Anzeige möglicherweise passieren, dass eine abgelehnte „dunkelhäutige Kandidatin“ die Sparkasse nach dem AGG verklagt. Nach Aussage des Autors spreche das verwendete Bild dafür, dass sich die Sparkasse offensichtlich (!) nicht an Kandidaten mit „migrantischem Hintergrund“ richte. Da drängt sich umgekehrt bei mir der Eindruck auf, dass der Autor (offensichtlich!) die abgebildeten Personen kennt. Woher sollte er sonst wissen, dass auf dem Foto nicht sogar alle abgebildeten Personen einen Migrationshintergrund haben?
Migrationshintergrund erkennbar?
Oder kann man einen Migrationshintergrund mittlerweile an der Hautfarbe der Abgebildeten erkennen? Über so eine These würden einige meiner asiatischen Schulfreunde, die in der 3. Generation in Deutschland als Deutsche leben, aber nicht begeistert sein. Erstaunlicherweise besitzen die Mitglieder dieser Familie sogar wesentlich mehr Liebe zu unserem schönen Land, als manch einer, der (offensichtlich?) eine deutsche Staatsbürgerschaft hat, sich jemals mit unserem historischen Hintergrund zutrauen würde.
Oder veranstaltet der Autor ein kleines Suchspiel nach dem Motto „Finde den weiteren Fail in diesem Beitrag!“? – Mitnichten! Es geht ihm tatsächlich um die Bildsprache. Mit seiner amerikanisch geprägten Ausbildung an der University of California in Berkeley als Hintergrund, ist der Hinweis des Autors auf eine Klage durchaus nachvollziehbar. In den USA ist dieses Thema brandheiß – und gefährlich!
Was heißt das für Personalmarketing in Deutschland?
Ist das Zeigen einer jungen Frau auf der Stellenanzeige für eine Hebamme schon diskriminierend für Männer? Müssen bei Azubi-Anzeigen zusätzlich zwei ältere bzw. zwei noch ältere Menschen mit auf´s Bild, damit es keinen Ärger gibt? – Säumen den Vordergrund der Anzeigen zukünftig unterschiedlich geschlechtliche Menschen in Rollstühlen und mit Prothesen? Schieben wir in den Hintergrund die Völker dieser Welt mit (Achtung, ich ziehe jetzt alle Klischees, die ich überhaupt nicht gutheiße!) Vollbart und Turban, mit spitzen Reishüten, oder bierbäuchigen Glatzköpfen? Und ärgern uns dann, dass die blonde Schwedin mit den langen Zöpfen sich diskriminiert fühlt, oder der IT-Fachmann aus Angola? –
Oder müssen wir uns etwa ganz verabschieden von Menschen-Bildern in Personalanzeigen? Mein Vorschlag: Drei unterschiedlich schattierte Katzen unterschiedlichen Alters. Denen sieht man je nach Aufnahmewinkel das Geschlecht nicht sofort an – und Katzen kommen bekanntlich super gut an im Social Media Umfeld…
Das Thema Diversity hat es ganz schön in sich
Ich persönlich möchte mir jedenfalls keine Welt vorstellen, in der mir anhand eines meiner für eine Personalmarketinganzeige verwendeten Bilder unterstellt wird, in meinem Unternehmen würde diskriminiert oder schlimmer noch, bestünden rassistische Tendenzen. Oder eine Welt, in der ich zur Umgehung eines „Whatever-Diversity-Fails“ über eine Modelagentur die Internationalität meiner Belegschaft so offensichtlich darstellen muss, dass kein anderweitiger Verdacht aufkommt. Dafür aber auch keiner mehr meine Firma mit ihrer spezifischen Arbeitgebermarke erkennt. Eine Welt, in der nur noch internationale Konzerne authentisch ihre Mitarbeiter zeigen können und der Elektriker um die Ecke Angst vor einer Klage hat, weil gerade nur 4 Ur-Franken auf der Gehaltsliste stehen.
Der Blick auf uns selbst hilft
Vielleicht können wir ja alle zuerst an uns selbst arbeiten und in uns hineinhören, warum wir einem Unternehmen, das ein lebloses Multikulti-Bild einer Stockfoto-Agentur postet, heutzutage mehr vertrauen als der Sparkasse um die Ecke. Deren Kernkompetenzen eher im Bereich Finanzen liegen als im Personalmarketing. Und über die wir vielleicht sogar unser eigenes Haus finanziert haben.
Diversity liegt mir besonders am Herzen. Ich kann das zurecht behaupten, da ich zur Schul- und Studentenzeit bei meinem damaligen Arbeitgeber McDonalds zahlreiche Kollegen und Freunde hatte, die aus ihren Ländern geflohen waren, weil sie in ihrer Not Waffen, Drogen oder sonstiges menschliches Gut geschmuggelt hatten. Was damals zählte, war der Respekt vor dem jeweiligen Menschen und seinem persönlichen Schicksal. Und das war alles andere als OFFENSICHTLICH. – Insofern tut es mir immer weh, wenn ein solch wichtiges Thema durch die Politik, Interessensgruppen, oder wen auch immer formalisiert, juristifiziert und damit vom Menschen weggeführt wird. Aber genau um diesen Menschen gegenüber geht es doch beim Thema Diversity!
Das Wort zum Montag? – Nein, aber ich habe nun manchmal so meine belehrenden Tendenzen (ein augenzwinkernder Kuss an meine geliebte Frau!) und ab und an ein Mitteilungsbedürfnis. Aber das sind doch gar keine schlechten Ausgangsvoraussetzungen für einen Blogger, oder?
Und überhaupt: Hat das nicht irgendwie auch etwas mit „Diversity“ zu tun und der gelebten Toleranz vor Andersdenkenden…? ;o)