Deutschland wird älter, die Fachkräfte weniger und der Wissensverlust mit ausscheidenden Mitarbeiter:innen ist immens. Hinzu kommt die hohe Wechselbereitschaft und die vielfältigen Jobmöglichkeiten für Fachkräfte. Es geht hier um einen Vergleich, was Employer Branding von der Werbewelt und den etablierten Marketingstrategien, Analysen und Konzepten lernen kann. Denn Employer Branding ist wie das Lieblingsspielzeug der Deutschen: das Auto, sagt Annette Raschke, index, in ihrem Gastbeitrag.
Ein Auto braucht man
Man braucht das Auto einfach. Vor allem, wenn man auf dem Land oder in einer Kleinstadt wohnt. Einmal gekauft, muss es gepflegt, gewartet und hin und wieder aufpoliert werden. Nur so bleibt es sicher, fahrtüchtig – und ein echter Hingucker. Je nach Budget kann es ein solider Kadett, ein alltagstauglicher Volkswagen, ein sportlicher Porsche oder sogar ein Ferrari sein.
In diesem Sinne: Machen Sie sich bereit für fünf praxisnahe Tipps, mit denen Sie Ihr Employer Branding ordentlich ankurbeln. Nehmen Sie eine bequeme Sitzposition ein – es geht los.
Das Auto muss den Fahrer:innen, nicht den Händler:innen gefallen
Was nützt es, wenn Autoverkäufer:innen von einem Fahrzeug total begeistert sind, es aber den Geschmack der Kunden nicht trifft? Ähnlich verhält es sich oft beim Employer Branding. Viele HR-Verantwortliche entwickeln ihre Arbeitgebermarke so, dass sie vor allem der Geschäftsleitung gefällt – aber an der eigentlichen Zielgruppe vorbeifährt. Das ist oft der erste große Konstruktionsfehler.
Starten Sie daher mit einem Zielgruppen-Check und finden Sie heraus, was Ihre Wunschkandidat:innen erwarten und von Ihnen als Arbeitgeber wünschen. Definieren Sie, wen Sie wirklich erreichen wollen und was relevante Botschaften sind. Jede Employer-Branding-Strategie muss auf die Bedürfnisse, Vorlieben und Gewohnheiten ihrer Zielgruppen zugeschnitten sein.
Denn es macht einen himmelweiten Unterschied, ob Sie Auszubildende, Pflegekräfte oder IT-Profis ansprechen möchten. Ihre Mediennutzung, Erwartungen an den Bewerbungsprozess und gewünschten Benefits sind so unterschiedlich wie die Ausstattung eines Kleinwagens und von Luxus-SUVs.
Expertentipp 1:
Maßgeschneidertes Employer Branding ist wie ein perfekt eingestellter Autositz – er passt sich der Zielgruppe an und bringt sie bequem ans Ziel!
Erst der Funktionscheck und dann die Tour
Kein Autohersteller bringt ein neues Modell auf den Markt, ohne vorher eine gründliche Marktanalyse durchgeführt, den USP bestimmt oder ein Prototyping erstellt zu haben. Im Employer Branding läuft das leider noch oft anders.
Viele Unternehmen düsen los, ohne die eigenen Mitarbeitenden einsteigen zu lassen, die Wegstrecke vorab zu definieren oder die anderen Verkehrsteilnehmer:innen im Blick zu haben. Doch wer blind losfährt, bleibt oft auf halber Strecke liegen. Sobald Ihre Zielgruppen klar definiert sind, ist es Zeit für einen gründlichen Blick in den Rückspiegel, für ein solides Fundament und ein klares Bild, wer man ist und wo man hinmöchte.
Die zentrale Frage, bezogen auf Ihre Wunschkandidaten:innen, lautet:
Wer buhlt in meiner Region um dieselben Fachkräfte?
Das können Arbeitgeber aus Ihrer Branche, aber auch Unternehmen aus ganz anderen Bereichen sein. So konkurriert ein Mittelständler aus dem produzierenden Gewerbe, der Verwaltungsangestellte sucht, nicht nur mit KMUs, sondern auch mit Großkonzernen und dem öffentlichen Dienst.
Finden Sie daher heraus, wie Sie Ihre eigene Arbeitgebermarke so aufstellen, dass sie durch Authentizität, Beständigkeit und Originalität die der Konkurrenz in den Schatten stellt.
Expertentipp 2:
Bevor Sie den Zündschlüssel für Ihre Employer-Branding-Kampagne umdrehen, legen Sie einen gründlichen Boxenstopp für die Wettbewerbsanalyse und eine breit angelegte Mitarbeiterbefragung ein. Nur so können Sie sicher sein, dass Ihre Arbeitgebermarke ehrlich, belastbar und wirklich konkurrenzfähig ist.
Den Familienwagen nicht als Luxusschlitten verkaufen
Seriöse Autoverkäufer:innen versprechen daher nur das, was das Fahrzeug tatsächlich bietet. Schließlich bringt es nichts, den Familienvan als Sportwagen anzupreisen – die Enttäuschung wäre vorprogrammiert. Genauso fühlen sich Bewerber:innen, wenn Unternehmen im Employer Branding zu dick auftragen.
Leider polieren viele Firmen ihre Arbeitgebermarke so stark auf, dass sie im Scheinwerferlicht blendet. In Stellenanzeigen, im Social-Media-Bereich oder im Bewerbungsgespräch werden Positionen und das Unternehmen oft in den schillerndsten Farben dargestellt. Doch am ersten Arbeitstag folgt die Ernüchterung: Statt des versprochenen Sportwagens steht ein Moped in der Garage.
Die Folge? Viele Neulinge treten nach kurzer Zeit wieder auf die Bremse und verlassen das Unternehmen – schneller, als man „Onboarding“ sagen kann. Für die HR-Abteilung heißt es dann: Zurück auf Anfang, die Personalsuche beginnt von vorne. Das ist, als würde man immer wieder auftanken und Geld verbrennen, aber nie wirklich ankommen.
Expertentipp 3:
Stellen Sie die Vorzüge Ihres Arbeitgebers selbstbewusst dar, aber beschönigen Sie nichts. Denn authentisches Employer Branding ist wie ein gut gewarteter Motor – er läuft rund und bringt Sie zuverlässig ans Ziel.
Alle Autokunden im Blick behalten
Die deutschen Automobilhersteller stehen international unter Druck: Die Konkurrenz bringt immer innovativere Modelle auf den Markt, oft mit einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis. Eine ähnliche Dynamik gilt für das Employer Branding. Unternehmen müssen nicht nur die besten Talente für sich gewinnen, sondern auch die besten Mitarbeiter:innen langfristig halten.
Ihre aktuellen Mitarbeiter:innen sind wie langjährige Autobesitzer:innen, die Ihrer Automarke oft ein Leben lang treu bleiben und auch in schwierigen Zeiten einiges in Kauf nehmen. Wenn Sie diese Insider:innen ignorieren und nach außen Werte kommunizieren, die intern nicht gelebt werden, ist das so, als würden Sie einen Sportwagen anpreisen, der in Wirklichkeit ein aufgemotzter Kleinwagen ist. Negativpublicity und ein Imageschaden sind vorprogrammiert.
Ein starkes internes Employer Branding ist wie Motoröl. Es hält alles zusammen und am Laufen. Denken Sie hier an wertschätzende Kommunikation, Möglichkeiten zur Weiterentwicklung, flexible Arbeitszeiten, individualisierbare Benefits, echte Gehaltsanreize usw. Im Idealfall werden Ihre Mitarbeitenden zu begeisterten Markenbotschafter:innen – vergleichbar mit Autobesitzer:innen, die ihr Lieblingsmodell in den höchsten Tönen loben.
Expertentipp 4:
Stellen Sie sich Ihr Employer Branding wie einen fein abgestimmten Motor vor – er muss sowohl für potenzielle Bewerber:innen als auch für Ihre aktuellen Mitarbeitenden rund laufen. Nur so bleiben Sie im Wettbewerb um die besten Talente auf der Überholspur!
Neue und innovative Automodelle entwickeln
Der gesamte Bewerbungsprozess muss auf der Höhe der Zeit sein – technisch modern und zielgruppengerecht. Nutzen Sie KI-Tools, um maßgeschneiderte Stellenanzeigen zu erstellen – so individuell wie ein Konfigurator für Luxusautos. Bieten Sie ein mobil-freundliches Bewerbungsformular an – so reibungslos wie ein Automatikgetriebe. Und gestalten Sie Ihre Karriere-Website barrierefrei und mit Chatbot – so zugänglich wie ein Auto mit Sprachsteuerung.
Employee Journey optimieren
Auch die Employee Journey muss kontinuierlich optimiert werden. Denn qualifizierte Fachkräfte kennen ihren Marktwert. Sie erwarten zu Recht ein Top-Arbeitsumfeld. Das bedeutet: Neueste technische Ausstattung – vergleichbar mit einem Auto mit State-of-the-Art-Infotainment. Ergonomische Arbeitsplätze – wie perfekt einstellbare Rennsitze. Innovative Arbeitsmodelle wie Workations und Sabbaticals – flexibel wie ein Cabrio mit Allradantrieb. Flexibles Benefitsystem – individuell wie eine Sonderausstattung nach Wahl.
Expertentipp 5:
Tunen Sie Ihre Recruiting- und Retention-Strategien kontinuierlich. Nutzen Sie dabei die ganze Bandbreite der technischen Möglichkeiten. Genau wie ein moderner Automobilhersteller, der die neuesten Innovationen einsetzt.