Allein in den USA finden in Unternehmen jeden Tag ca. 55 Mio. Meetings statt – auch in Europa zeichnet sich, insbesondere seit der COVID-Pandemie, ein ähnliches Bild in Konferenzräumen Firmen jeglicher Größe ab. Zeit für eine kritische Betrachtung. Gastautor Dr. Noah Bani-Harouni gibt Einblicke in Verbesserungspotenziale.
Die unsichtbaren Kosten von Meetings
Während Angestellte ohne Führungsfunktion wöchentlich rund sechs Stunden in Meetings verbringen, ist es bei Manager:innen mit 23 Stunden pro Woche ein noch viel substanziellerer Teil der Arbeitszeit. Manche Manager:innen verbringen bisweilen 80% ihres Tages in Meetings. Diese Zahlen zeigen, dass immer noch zu viele Unternehmen mit ihrer wichtigsten Ressource, der Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter:innen, außerordentlich umgehen und keinerlei Steuerungssysteme in Nutzung haben.
Während man sich auf Geschäftsreisen, überspitzt formuliert, für jeden Schokoriegel aus der Minibar die Genehmigung der Vorgesetzten einholen muss, ist es kein Problem, wenn zwischen 7 und 15% der Mitarbeiterlöhne nur für Meetings aufgewendet werden. Hinzukommt noch, dass rund die Hälfte aller Meetings als schlecht oder überflüssig wahrgenommen werden.
Jedes Unternehmen verschwendet also Jahr für Jahr Unsummen für schlechtes Meetingmanagement, was auch direkte Implikationen für die Kapitalrendite der Organisation hat.
Folglich gibt es wohl kein Organisationsthema, wo so viele verschiedene Personen und Funktionen, vom Angestellten über den CFO bis zum CHRO, an einem Strang ziehen müssen. In diesem Artikel zeige ich auf, warum eine dysfunktionale Meeting-Kultur insbesondere für Zufriedenheit und Empowerment der Beschäftigten ein hochbrisantes Thema ist, was als Teil der Unternehmenskultur mitgedacht werden sollte.
Warum gute Meetings mehr als nur Ergebnisse liefern
Die Forschung zeigt, dass eine sorgfältige Vorbereitung und Gestaltung von Meetings entscheidend für deren Effektivität ist. Wichtige Faktoren vor dem Meeting sind die Auswahl der richtigen Teilnehmer:innen und das Kompetenzniveau der leitenden Personen. Während des Meetings beeinflussen das Verhalten und die Interaktionen von Leitung und Teilnehmenden maßgeblich den Erfolg.
Zu den grundlegenden Prozessfaktoren gehören eine ordentliche Dokumentation und das Einhalten der Zeit. Schwieriger zu handhaben sind Gruppendynamiken, wie negative Spiralen und Beschwerden, die schnell außer Kontrolle geraten können.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, sind zusätzliche Maßnahmen, wie spezielle Meeting-Schulungen für Mitarbeitende, erforderlich. Zudem konnten Studien zeigen, dass nicht nur die unmittelbaren Meeting-Ergebnisse (z.B. Budgetabstimmung, Einstellungsentscheidung) wichtig sind, sondern auch, wie sich die Ereignisse vor, während und nach dem Meeting auf die Einstellungen und Erfahrungen der Mitarbeiter:innen auswirken.
Gute Meetings fördern Vertrauen, stärken die Beziehungen zwischen Führungskräften und der Belegschaft und unterstützen effektive Teamdynamiken. Schlechte Meetings hingegen können negative Stimmungen erzeugen, Teams in Abwärtsspiralen stürzen und die Teamprozesse entgleisen lassen, was zu unzufriedenstellenden Ergebnissen hinsichtlich Kreativität, Meetingzufriedenheit und Leistung führt. Meetings haben somit vielschichtige Effekte auf Teams – Forscher konnten sogar bereits einen direkten Zusammenhang zwischen Teamdynamiken in Meetings und dem Unternehmenswert feststellen.
Die Rolle effektiver Meetingführung in der Unternehmenskultur
Angesichts der positiven Auswirkungen von Meetings auf Team- und Organisationsergebnisse sollten Führungskräfte Meetings als strategische Chance und nicht als notwendiges Übel betrachten. Meetings sind eine wesentliche Führungsaufgabe und ein zentraler Bestandteil der Verantwortlichkeiten einer Führungskraft.
Gute Meetingführung erfordert sorgfältige Vorbereitung, aktive Moderation sowie den Abschluss mit konkreten nächsten Schritten für die Meetingteilnehmenden. Wenn dies gut umgesetzt, entstehen zahlreiche Vorteile für die Organisation, die über den direkten unmittelbaren Nutzen weit hinausgehen. Wenn Meetings gut geleitet werden, fördern sie das Engagement der Mitarbeiter:innen. Es gibt drei entscheidende Faktoren, die in der Hand der organisierenden Person liegen und Meetings zu einem effektiveren Instrument zur Förderung des Mitarbeiterengagements machen:
- Es sollte sichergestellt werden, dass das Meeting für alle Teilnehmenden relevant ist,
- es genügend Gelegenheiten für aktive Diskussionsteilnahme gibt und
- die angesetzte Meetingzeit eingehalten wird.
Um die Relevanz von Meetings zu gewährleisten, sollten Führungskräfte nur diejenigen zur Teilnahme einladen, die ein echtes Interesse an den Entscheidungen oder Maßnahmen haben. „Zuschauer“ sollten in jedem Fall vermieden werden, da diese oft sinnvollere Aufgaben haben.
In Bezug auf Mitsprache sollten Führungskräfte Regeln festlegen, die offene Kommunikation fördern, sodass Teilnehmer ihre Gedanken und Meinungen frei äußern können. Schließlich sollten Meetings pünktlich beginnen, effizient ablaufen und rechtzeitig enden. Wenn Führungskräfte diese drei strategischen Aspekte erfolgreich managen, fördern sie nicht nur unmittelbare positive Ergebnisse, sondern auch das langfristige Engagement der Mitarbeiter.
Optimierung der Meeting-Kultur durch Feedback
Meeting-Organisator:innen sollten großes Interesse daran haben, die Effektivität ihrer Meetings zu bewerten und zu verbessern. Studien konnten zeigen, dass die Wahrnehmung der Meeting-Leitung darüber, wie ein Meeting verlief, oft erheblich von der der Teilnehmer:innen abweicht. Daher sollte die Einschätzung der Meeting-Effektivität und der Verbesserungsbedarf stärker auf dem Feedback der Teilnehmer:innen basieren und nicht nur auf der Bewertung von Meeting-Organisator:innen.
Evaluationen von Teilnehmer:innen sollte idealerweise anonym und unmittelbar nach dem Meeting eingeholt werden, um ehrliche Antworten zu gewährleisten. Dabei sollten nicht nur allgemeine Fragen zu den Meetings gestellt werden, sondern auch zu den Wahrnehmungen der Teilnehmer:innen bezüglich der Vorbereitung, der Möglichkeit zur Mitsprache, des Ablaufs und der Ergebnisse des Meetings sowie der Klarheit über die Umsetzung der besprochenen Maßnahmen.
Anhand solcher Evaluationsmaßnahmen sollten Führungskräfte regelmäßig mit ihrer Belegschaft über Meetingmanagement sprechen. Ein solches Gesprächsformat gibt Teams die Möglichkeit über den aktuellen Stand zu reflektieren, Probleme zu identifizieren und die Wahrnehmung der Meeting-Kultur zu besprechen.
Durch das Feedback und die daraus gewonnenen Erkenntnisse können die Fähigkeiten in der Meetingführung direkt verbessert werden.
Meetingführung als zentrales Element in Führungstrainings
Angesichts der Auswirkungen von Meetings auf die allgemeine Arbeitseinstellung der Mitarbeitenden sollte es eine organisatorische Best Practice werden, regelmäßig Feedback zu den Meeting-Erfahrungen und zur wahrgenommenen Effektivität der Meetings einzuholen.
HR-Abteilungen könnten Fragen zu Meeting-Prozessen und -Effektivität in regelmäßige Mitarbeiterbefragungen integrieren.
Meetingführung sollte idealerweise ein zentraler Bestandteil von Führungstrainings werden, wobei Trainingsdesigns realistische Simulationen und Rollenspiele umfassen sollten, die zukünftige Führungskräfte auf ihre Rolle als Meeting-Leiteund vorbereiten. Zudem sollten Meeting-Verfahren und -Praktiken in das Onboarding neuer Mitarbeiter:innen und in Trainingsinitiativen integriert werden, um frühzeitig die Bedeutung und Techniken effektiver Meetings zu vermitteln.
Die Beziehung zwischen Meeting-Zufriedenheit und Job-Zufriedenheit
Aktuelle Forschung hat gezeigt, dass die Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen mit Meetings ein wichtiger Treiber für ihre allgemeine Jobzufriedenheit ist. Viele Beschäftigte äußern öffentlich starke negative Gefühle gegenüber Meetings und beschweren sich häufig darüber, dass diese Zeitverschwendung seien und sie von ihrer eigentlichen Arbeit abhalten. Diese Beschwerden sind weit verbreitet, weshalb die Evaluation der Wahrnehmung der Mitarbeiter:innen gegenüber Meetings ein bedeutendes Ziel für Unternehmen sein sollte.
Da Mitarbeitende oft an Meetings teilnehmen müssen, ist es in der Verantwortung der Unternehmensleitung, ihre Einstellungen besser zu verstehen und zu verbessern. Gutes Meetingmanagement wird sich für die Gesamtperformance des Unternehmens auszahlen, da insbesondere Meetings, in denen Mitarbeiter:innen offen an der Entscheidungsfindung teilnehmen, positive Ergebnisse für alle Teilnehmenden fördern.
Denn wissenschaftliche Studien konnten zeigen, dass die aktive Teilnahme an der Entscheidungsfindung in Meetings bewirkt für die Beschäftigten ein höheres Engagement mit ihrem Arbeitgeber.
Fazit
Da Meetings täglich einen erheblichen Teil der Arbeitszeit in Unternehmen einnehmen und oft ohne nennenswerte Ergebnisse abgehalten werden, müssen Unternehmen die Themen Meeting-Kultur und Meetingmanagement aktiv angehen. Eine schlechte Meeting-Kultur kann nicht nur die Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeitenden erheblich beeinträchtigen, sondern auch die finanzielle Performance des Unternehmens schädigen.
Unproduktive Meetings verschwenden die wertvollste Ressource eines jeden Unternehmens und können zu negativen Teamdynamiken führen, was letztlich die gesamte Unternehmensperformance gefährdet. Führungskräfte sollten daher erkennen, dass Meetings eine strategische Rolle spielen und aktiv daran arbeiten, eine effektive Meeting-Kultur zu etablieren.
Nur durch eine gezielte Verbesserung der Meeting-Qualität können Unternehmen das volle Potenzial ihrer Mitarbeiter:innen ausschöpfen und nachhaltigen Erfolg sicherstellen.