Unmoralisches Verhalten im Job

Unmoralisches Verhalten im Job – wie viel Skrupellosigkeit verträgt ein Unternehmen?

Es ist alles eine Frage des Preises, wird gerne argumentiert, wenn man über moralisches Verhalten auf Märkten und in Unternehmen spricht. Leider ist da etwas dran. Dennoch lassen sich aus der Verhaltensökonomie differenziertere Einblicke gewinnen im Hinblick auf die Frage, wovon moralisches Verhalten im Job abhängt und wie es unterstützt werden kann, sagt Prof. Dr. Matthias Sutter.

Business-Theater und fragwürdige Geschäftspraktiken

Ein Unternehmensberater erzählte mir einmal die folgende Anekdote aus seinem Berufsleben: Er war für ein mittelständisches Unternehmen tätig, das in Übernahmeverhandlungen durch einen größeren Konzern stand. Die Führung des Unternehmens hatte größtes Interesse daran, diese Übernahme erfolgreich und zügig über die Bühne zu bringen. Allerdings stockten die Verhandlungen aus diversen Gründen immer wieder und die Konzernspitze ließ mit einer Entscheidung auf sich warten. So zog sich der ganze Prozess unerwartet in die Länge.

Das Unternehmen entschloss sich deshalb zu einem fragwürdigen Schritt, um das Ruder in den Verhandlungen mit letzter Kraft herumzureißen. Es engagierte chinesisch-stämmige Schauspieler, die mit einer eigens für diesen Zweck angemieteten Luxuskarosse zu einem vorher festgelegten, günstigen Zeitpunkt bei dem Unternehmen als vermeintliche Kaufinteressenten auftauchten, sodass das Verhandlungsteam des Konzerns davon Wind bekam, was beabsichtigt war.

Dieser Bluff führte dazu, dass dann doch relativ rasch eine für das mittelständische Unternehmen vorteilhafte Übernahme zustande kam.

Ökonomischer Erfolg und moralisches Verhalten – ein Widerspruch?

Diese Anekdote passt gut zur Meinung vieler Menschen, dass es einen Widerspruch zwischen ökonomischem Erfolg und moralischem Verhalten gebe. Und tatsächlich belegen viele Studien, dass Menschen eher zu lügen gewillt sind, wenn mehr auf dem Spiel steht und man durch Lügen die eigene Position verbessern kann.

Uri Gneezy von der University of San Diego in Kalifornien hat das vor einigen Jahren in einer experimentellen Studie bestätigt. Wenn eine Lüge für den Lügner anstatt einem Dollar, die Summe von zehn Dollar zusätzlich bescheren kann, dann werden andere Probanden in einem Experiment häufiger angelogen.

Auch die Auswirkungen auf andere wirken handlungsleitend

Das deckt sich mit einfachen ökonomischen Modellen, wonach eine bestimmte Handlung häufiger gewählt wird, wenn sie profitabler wird. Jedoch hat Uri Gneezy auch gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit zu lügen abnimmt, wenn dabei ein größerer Schaden für eine andere Person entsteht. Wenn jemand anderer zehn Dollar durch eine Lüge verliert, dann wird weniger gelogen, als wenn die andere Person nur einen Dollar verliert.

Dieses vielfach replizierte Muster passt nicht mehr zu den einfachen ökonomischen Modellen, weil letztere in der Regel die sozialen Auswirkungen des eigenen Handelns unzureichend berücksichtigen. Tatsächlich aber spielt es für menschliches Verhalten eine Rolle, welche Auswirkungen das eigene Handeln auf andere Menschen hat.

Die Berücksichtigung dieser Auswirkungen führt zu moralischerem Verhalten. Dieser Punkt ist auch für Aspekte des Human Resources Management bedeutsam.

Auswirkungen Fairnessmangel auf die Produktivität der Belegschaft

Das lässt sich illustrieren an einer Studie, die ich mit meinen Kollegen Matthias Heinz, Sabrina Jeworrek, Vanessa Mertins und Heiner Schumacher durchgeführt und in der Fachzeitschrift „Economic Journal“ veröffentlicht habe. Darin haben wir untersucht, wie die Produktivität von Mitarbeitern beeinflusst wird, wenn andere Personen unfair und schlecht behandelt werden.

Es wäre eine triviale Frage, ob die Produktivität eines Mitarbeiters darunter leidet, wenn dieser Mitarbeiter selbst schlecht behandelt wird. Die Antwort ist ein einfaches Ja.

Unsere Frage zielt auf einen anderen Aspekt: wenn in einem Unternehmen die Unternehmensleitung oder Führungskräfte andere Menschen schlecht und unfair behandeln, wie wirkt sich das auf die Arbeitsproduktivität von Mitarbeitern aus, die von diesem unfairen Verhalten gar nicht betroffen werden können.

Die Frage ist hier, spielt Fairness gegenüber anderen eine Rolle für das Arbeitsverhalten? Das ist aber eigentlich die Frage, ob moralisches Verhalten – andere Mitarbeiter fair zu behandeln – eine Bedeutung für die Produktivität im Unternehmen hat.

Die Antwort ist ebenfalls ein eindeutiges Ja.

Produktivitätseinbußen nachweisbar

Wir haben für unsere Studie ca. 200 Personen für ein Call-Center angeworben, die Umfragen durchführen mussten. Bei ungefähr einem Drittel der Mitarbeitenden haben wir vor dem letzten Arbeitstag 20% der anderen Mitarbeitenden entlassen und das mit einer zufälligen Auswahl der zu entlassenden Personen begründet. Ein solches Vorgehen wird als äußerst unfair betrachtet.

Da die im Call-Center verbleibenden Mitarbeitenden aber ihren letzten Tag bei der Arbeit und wir ihnen den Lohn dafür schon gegeben hatten, konnten die verbleibenden Personen vom unfairen Verhalten gar nicht mehr negativ betroffen werden.

Trotzdem ging deren Produktivität (an getätigten Anrufen und durchgeführten Interviews) um knapp über 10% zurück im Vergleich zu zwei anderen Gruppen, wo es entweder keine Entlassungen gab oder wo wir Entlassungen mit Kostengründen transparent erklärten.

Fairness als wesentlicher Bestandteil moralischen Handelns ist also wichtig für die Arbeitsleistung in Unternehmen.

Verletzung von Compliance-Regeln: Führungskräfte Vorbild

Ein anderer Aspekt von moralischem Verhalten in Unternehmen betrifft die Verletzung von Compliance-Regeln. Die schönsten Regelwerke werden nichts bewirken, wenn Führungskräfte deren Einhaltung nicht vorleben und auch einfordern.

Das liegt vor allem an einer Eigenschaft des Menschen, die Verhaltensökonomen gerne als „konditionale Kooperation“ bezeichnen. Das bedeutet, dass die meisten Menschen bereit sind, in einer Gruppe zu kooperieren und sich an die Regeln der Zusammenarbeit zu halten, wenn sie beobachten, dass das andere Gruppenmitglieder – insbesondere jene in exponierten Führungsrollen – auch tun.

Interessanterweise genügt für konditionale Kooperation sogar schon die Erwartung, dass andere Gruppenmitglieder auch kooperieren. Das Vorleben und Einfordern unterstützen solche Erwartungen und damit das Einhalten von moralischen Standards.

Im Gegensatz dazu unterminiert eine Verletzung von solchen Standards und Regeln die Erwartung, dass dies auch die anderen Personen in einem Unternehmen tun.

Massive Auswirkungen auf Bereitschaft Regeln einzuhalten

Dazu passend gibt es zahlreiche Belege dafür, dass etwa Korruption auf hoher und höchster politischer Ebene das Vertrauen zwischen den Bürgerinnen und Bürgern eines Landes unterminiert. Gleichzeitig reduziert es die Bereitschaft, sich an die Regeln des betreffenden Landes zu halten.

Selbiges gilt für Unternehmen: wenn andere moralische Standards verletzen, dann unterminiert das auch die moralische Resilienz der übrigen Mitarbeitenden im Unternehmen.

Darum muss es heißen: Wehret den Anfängen!

Dabei können die Erkenntnisse von Uri Gneezy hilfreich sein. Es muss klargemacht werden, wie groß die möglichen negativen Effekte unmoralischen Handelns auf andere sein können, um die Wahrscheinlichkeit eines solchen Handelns zu reduzieren. Und aus der Kooperationsforschung folgt die klare Handlungsempfehlung, dass Führungskräfte die moralischen Standards vorleben müssen, um glaubwürdig und auch motivierend für andere zu sein.

Podcast-Folge zum Thema moralisches Moral im Job

Hören Sie passend dazu die Klartext HR Podcast-Folge #66 mit Prof. Dr. Matthias Sutter und weiteren spannenden Einblicken zum Thema „Unmoralisches Verhalten im Job – wie viel Skrupellosigkeit verträgt ein Unternehmen?“ 

Matthias Sutter

Prof. Dr. Matthias Sutter

Prof. Dr. Matthias Sutter ist Direktor am Max Planck Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn und Professor für experimentelle Wirtschaftsforschung an den Universitäten Köln und Innsbruck.

Er zählt laut Handelsblatt und FAZ zu den forschungsstärksten und einflussreichsten Volkswirten im deutschsprachigen Raum. In seiner Forschung beschäftigt er sich v.a. mit Kooperation, Teamentscheidungen, der Bedeutung von Geduld (erster Beststeller „Die Entdeckung der Geduld“) und verhaltensökonomischen Aspekten des Berufslebens (aktueller Bestseller „Der menschliche Faktor oder worauf es im Berufsleben ankommt“).

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