Heute ging das neue kununu online. Die Vorbereitungen für diesen großen Relaunch liefen seit Monaten. Bereits im Sommer 2013 konnte ich in Wien einen ersten Einblick in die Gedankenwelt der kununu-Gründer Martin und Mark Poreda erhalten. Jetzt ist die neue Version live. Und die Veränderungen sind gewaltig – nicht nur an der Oberfläche. Wie sich kununu nach dem Relaunch im Praxistest schlägt, was top gelungen ist, welche kleinen Nickligkeiten eingebaut wurden und was sich für Nutzer sowie Unternehmenskunden ändert. All das zusammengefasst in meinem Blog.
Startseite / Layout / Design
Unter dem Motto „Entdecke interessante Arbeitgeber und Ausbildungsbetriebe“ empfängt die Nutzer eine komplett neu gestaltete Oberfläche. Die Farbwelt wirkt entsättigt, das Design höchst modern und aufgeräumt. Wie heute üblich, ziert ein emotional stimulierender Banner den Titel. Großes Kino also.
Bei genauer Betrachtungsweise wird deutlich, dass es sich bei diesem Titelbild im Riesenformat nicht um ein kununu-eigenes Werbebanner handelt, sondern um eine gesponserte Werbung.
Das Branchenbranding durch einen Branchenpaten
Das Format nennt sich Branchenbranding. Ein sogenannter Branchenpate kann für seine jeweilige Branche quartalsweise die komplette optische Dominanz über die Seite übernehmen. Das erinnert mich tatsächlich etwas an den (Branchen?)Paten. In der Größenordnung von 24.000 Euro ist das aber alles andere als ein Schnäppchen und eher für die obere Liga der Branche geeignet.
Tricky: Bereits hier zeigt sich der Weg von XING und kununu, den Druck „dabei zu sein“ gewaltig zu erhöhen. Umso mehr, als diese Dominanz des Branchenpaten auch dann zur Geltung kommt, wenn ein anderes Unternehmen der gleichen Branche explizit gesucht wird. Gerade in imagetechnisch stark umkämpften Branchen, wie beispielsweise der Automobil- oder Beraterbranche, wird dieses Branchenpatenkonzept bei einer Reichweiten- und Google-Rank-starken Website wie kununu meiner Meinung nach gewaltig einschlagen. Das ist natürlich gut für den Branchenpaten und perfekt für den Geldbeutel von kununu – allerdings beißt es sich mit dem freundlich und offen anmutenden Claim der Startseite, der suggeriert, dass auch kleinere und unbekanntere Unternehmen auf kununu „entdeckt“ werden können.
Trotzdem ist das viel besser möglich als jemals zuvor.
Die neuen Filter
Top: Jobsuchende können nunmehr sehr intuitiv zu bedienende Filter setzen und Firmen nach Kategorien wie zum Beispiel „Region“, „Branche“ oder „Benefits“ finden. Um dominierende Einzelmeinungen auszufiltern, kann über einen Schieberegler die Anzahl der mindestens vorliegenden Bewertungen verändert und dadurch eine weitere Einschränkung der Suchergebnisse vorgenommen werden. Der untere Schieberegler ist der mächtigste, denn hier kann die Ergebnismenge schnell auf die Bestbewerteten eingegrenzt werden.
Dazu werden Branchenstatistiken eingeblendet, die bereits all jenen bekannt vorkommen sollten, die schon einmal Facebook-Ads gebucht haben.
In der Darstellung der Ergebnisübersicht zeigt sich dann auch eines der wesentlichen Merkmale der neuen kununu-Version.
Das Employer Branding Profil
Das Produkt Employer Branding Profil ist die Basis für den Erfolg auf dem neuen kununu. Die Unternehmen mit einem Employer Branding Profil, nennen wir sie der Einfachkeit halber mal kununu-Premium-Kunden, werden an zahlreichen Stellen gegenüber anderen Unternehmen bevorzugt. Das zeigt sich in der optischen Darstellung, die sich durch die Einbindung von Grafiken und Videos stark abhebt.
Tricky: Am auffälligsten wird diese Unterscheidung jedoch, wenn bei Unternehmen, die KEIN Employer Branding Profil besitzen, Werbung von Unternehmen MIT Employer Branding Profil innerhalb der gleichen Branche eingeblendet wird. Auch hier setzt kununu sehr offensiv die Nicht-Premium-Kunden unter Druck. Wer sich vor Fremdwerbung des Mitbewerbs schützen will, muss zahlen. Thats business in kununus Burda-Medien-Zeitalter.
Die Inhalte des Unternehmensprofils
Top: Das Profil selbst sieht richtig klasse aus und lädt zum Stöbern und Experimentieren ein. Über die mehrfach untereinander geschachtelte Tab-Technologie kann schnell zwischen den Zielgruppen Mitarbeiter, Bewerber und Azubis bzw. den verschiedenen Bereichen eines Unternehmensprofils gewechselt werden.
Auch hat sich für alle Platzierten im Focus-XING-kununu-Arbeitgeberranking ein weiteres Siegel mit auf die Profilseite geschlichen.
Vielleicht noch ein Hinweis zum oberen Screenshot: Ich habe auf die neue Farbwahl von kununu mit grün und türkis keinerlei Einfluss genommen, freue mich aber tierisch, dass unsere Unternehmensfarben so wunderbar mit dem Gesamtsetting harmonieren…
Tricky: Bisher waren die Stellungnahmen des Unternehmens lediglich an den jeweiligen Bewertungen zu sehen und spielten insgesamt keine auffällige Rolle. Nunmehr wird als eine Kennziffer das Verhältnis von Erfahrungsberichten zu Reaktionen (=Stellungnahmen) prominent dargestellt. Dies könnte Unternehmen veranlassen, aktiver Stellungnahmen abzugeben und die eigene kununu-Nutzung zu intensivieren – insbesondere wenn dort als Reaktion eine dicke „0“ prangt. Allerdings muss ich hier auch anmerken, dass es gar nicht sinnvoll ist, alle Bewertungen zu kommentieren. Stichwort: Expressbewertungen via XING, oder auch die stark kritisierten Import-Bewertungen „powered by Focus“.
Weitere Features
Wer sich noch kein Employer Branding Profil zugelegt hat, wird über einen auffälligen Button auf seinem Unternehmensprofil zum Kauf bzw. Upgrade aufgefordert.
Das Stöbern und Entdecken von Unternehmen fördert eine Funktion, die bereits auf Amazon für ein längeres Verweilen und intensiveres Einkaufserlebnis sorgt. Die Einblendung von Unternehmen, für die sich Besucher des jeweiligen Unternehmensprofils sonst noch interessiert haben. Aus meiner Sicht wird diese Funktion auch bei kununu dazu führen, dass die Verweildauer –insbesondere von Job-Suchenden- deutlich nach oben gehen wird.
Der Stellenmarkt
Auch der Stellenmarkt zeigt sich aufgeräumter. Aufgrund der hohen Reichweite und Google-Stärke von kununu wird die Seite meiner Meinung nach in Zukunft noch stärker als Jobbörse wahrgenommen werden und den Markt weiter durchdringen.
Tricky: Jobs auf kununu sind nur zubuchbar, wenn das Unternehmen bereits ein Employer Branding Profil besitzt. Hat ein Unternehmen ein solches, dann wird sich dies auch (ab dem bevorstehenden Relaunch von XING) ebenfalls auf das XING-Unternehmensprofil auswirken. Werden bei XING Jobs gebucht, erscheinen diese bei Premium-Kunden gleichermaßen gespiegelt auch auf kununu. Umgekehrt ist das allerdings (noch?) nicht möglich. Das erscheint mir nur unter einem einzigen Aspekt logisch: Kunden sollen weiter die exklusiveren XING-Jobs buchen. Da scheint das Verschmelzen der beiden Plattformen dann doch sein Ende zu finden.
Der Gesamteindruck
Als größte Arbeitgeberbewertungsplattform im deutschsprachigen Raum ist kununu nicht unumstritten. Spätestens seit dem Zusammenschluss mit XING und den die Plattformen zusammenführenden Aktivitäten sowie der Eingliederung in die große Burda-Medien-Gruppe, tauchen immer mehr Kritiker auf. Von jeher stand zudem das grundlegende Konzept „Arbeitnehmer bewerten Unternehmen anonym“ bei vielen Unternehmen im Ruf, eine reine „Bashing-Plattform“ zu bieten.
Mit dem Update auf das neue kununu dürfte sich die Meinung der HR-Verantwortlichen weiter polarisieren: Die Fans von kununu bekommen durch die neue Plattform weitere attraktive Möglichkeiten der Unternehmensdarstellung und dürfen sich über die Google-optimierten Inhalte sehr freuen. Personalentscheider, die kununu gegenüber eine ablehnende Haltung einnehmen, werden ab sofort massiv auf der Plattform „unterrepräsentiert“ sein. Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich dies auf deren Verhalten auswirkt.
Wirklich vorbei an kununu kommt meiner Meinung nach kein größeres Unternehmen mehr, seit auch bei den XING-Unternehmensprofilen automatisch die kununu-Bewertungssterne angezeigt werden.
Jobsuchenden dürfte kununu zunehmend mehr Spaß machen, auch wenn die Navigation meist zwar clever durchdacht, manchmal jedoch erst gewöhnungsbedürftig ist. Beim neuen kununu können Nutzer sich nunmehr mit ihrem XING-Profil anmelden und (ab hier anonym) Unternehmen bewerten. Der erste Schritt zu einem echten Single-Sign-On. Auch können jetzt Erfahrungsberichte abgespeichert und somit offline weiterverwendet werden.
Meine persönliche Meinung
Alles in allem ist kununu ein großer Wurf gelungen. kununu wird erwachsen. Nutzerfreundlicher. Aber auch gefühlt wesentlich kommerzieller. Der Charme des Wiener Startups weicht zunehmend dem eines kühlen Konzern-eingegliederten Tochterunternehmens. Es wird sich zeigen, ob kununu seine inspirative Kraft weiter zur Geltung bringen kann.
Ein ganz persönlicher Tipp dazu an die Poreda Brüder: Lasst Euch nicht zu sehr von der starken Mutter oder den älteren Brüdern einverleiben und vermeidet weitere „powered by Focus“-Kommunikationsdebakel. Ansonsten: Meinen herzlichen Glückwunsch zum neuen kununu!