Frontline Worker sind für unser (reibungsloses) Alltagsleben unentbehrlich. Ob bei der Hilfe mit verstopften Abflüssen, an den Kassen unserer Lieblingsmärkte oder den Baustellen um die Ecke. Als Gesicht des Unternehmens zum Kunden tragen sie maßgeblich zum Erfolg bei, weshalb es von größter Bedeutung ist, dass Führungskräfte eine starke Beziehung zu Ihnen aufbauen. Doch wie können Management und Frontline Worker noch enger zusammenwachsen und eine Einheit bilden, die Berge versetzen kann?
Das fragt sich Richard Beulke von Cloudfreunde.
Perspektiven wechseln
Ein erster Schritt ist es, die eigene Empfindung nicht automatisch auf die der Frontline Worker zu übertragen. In der Studie „Deskless, not voiceless“ von Meta, an der 2.000 leitende Entscheidungsträger und 2.000 Frontline Worker teilnahmen, traten erstaunliche Unterschiede in der Wahrnehmung beider Gruppen füreinander auf:
So hatten 54% der Frontline Worker das Gefühl, dass sie im Unternehmen kaum Gehör haben und nur 3% fühlten sich mit der Führungsebene verbunden. Im Gegensatz dazu gaben aber 83% aller Führungskräfte an, dass sie allen Mitarbeitern eine Stimme geben.
Diese Diskrepanz in der Wahrnehmung von Frontline Worker und leitenden Entscheidungsträgern zeigt deutlich, dass es eine Lücke in der Kommunikation und der Förderung einer gemeinsamen Identität gibt.
Verstehen, was für Frontline Workers wichtig ist
Dabei lohnt sich die Frage zu stellen: Was ist meinen Mitarbeitenden in erster Linie eigentlich wichtig? In einer umfangreichen Studie ist McKinsey der Frage auf den Grund gegangen.
Die meisten Mitarbeitenden an vorderster Linie sehen beruflichen Aufstieg in ihrer Position als wichtigsten Karrierepfad, weil dieser Weg zu mehr Einkommen und finanzieller Sicherheit führt. Nachvollziehbar, kann doch eine Lohnerhöhung die Lebensqualität und die Möglichkeit, die Familie zu versorgen, enorm verbessern. Und natürlich haben die Covid-19-Pandemie und die steigende Inflation materielle Fragen weiter in den Vordergrund rücken lassen.
Frontline Workers haben noch ein paar andere priorisierte Bedürfnisse und Wünsche, wenn es um ihre Karriereentwicklung geht. Diese Bedürfnisse und Wünsche können in drei wichtige Bereiche zusammengefasst werden:
Möglichkeit der Weiterbildung
Frontline Workers haben ein starkes Bedürfnis, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten ständig weiterzuentwickeln. Gelegenheiten, um ihr Wissen und ihre Fähigkeiten zu verbessern, ist für sie von großer Bedeutung. Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit bieten, sich fortzubilden, können das Engagement und die Loyalität dieser Mitarbeitergruppe steigern. Viele Unternehmen haben diese Karrierepfade bereits entwickelt, nur sind sie häufig den Mitarbeitern in der ersten Linie unbekannt. Nehmen sie deshalb die regelmäßige Kommunikation der Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen in ihren gesamten Mitarbeiterlebenszyklus, an der Stellenanzeige beginnend, auf.
Zur Tätigkeit passendes Qualifikationsprofil
Ein weiteres wichtiges Bedürfnis der Frontline Workers ist es, ein zur Tätigkeit passendes Qualifikationsprofil zu haben. Dies hilft ihnen, ihre Tätigkeit sicherer und effektiver auszuführen. Diese Art von Profil ist auch wichtig, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter in der Lage sind, Aufgaben effektiv zu erledigen und Herausforderungen zu meistern. Das stiftet Vertrauen und schützt vor Unzufriedenheit, Überforderung und daraus resultierenden Jobwechseln.
Unterstützende Vorgesetzte
Vorgesetzte, die verstehen, was die Bedürfnisse und Wünsche ihrer Mitarbeitenden sind, tragen dazu bei, dass diese motiviert und engagiert bleiben. Unter den Mitarbeitenden an vorderster Front gaben 73% an, dass ein Vorgesetzter, der ihre berufliche Entwicklung unterstützt, der Schlüssel zum beruflichen Fortkommen ist.
Vor Ort gewinnt man neue Einblicke und Vertrauen
An dieser Stelle möchte ich kurz die Geschichte von Hubert Joly, dem früheren CEO von Best Buy, erzählen. Als er 2012 die Unternehmensführung übernahm, befand sich Best Buy im freien Fall. Der vorherige Chef war frisch verurteilt, die Umsätze und Aktienkurse brachen ein und jeder Analyst wettete schon auf die baldige Pleite des Unternehmens. Hubert Joly machte aus der Not eine Tugend und ergriff ungewöhnliche Maßnahmen.
Die erste Woche im Unternehmen verbrachte er, der bis dahin keine Ahnung vom Ladengeschäft hatte, nicht in der Unternehmenszentrale, sondern in einem ihrer Läden in St. Clouds, Minnesota. Er agierte dort mit Kunden und Angestellten und trug ein Schildchen mit dem Titel: „CEO in Ausbildung“.
Der persönliche Kontakt zählt
Schon am ersten Tag, beim Abendessen in einer örtlichen Pizzeria mit einem Filialleiter, erfuhr Joly, dass die Suche im Onlineshop von Best Buy nicht richtig funktionierte. Wenn man das Wort „Cinderella“ eingab, bekam man eine Liste von Nikon Kameras angezeigt. Ein Problem, was er sofort in sein Programm „Renew blue“ einfließen ließ. Auch das die Ladenflächen nicht mehr den aktuellen Bedürfnissen der Kunden entsprechen, erfuhr er nur vor Ort.
Was ich lernte, als ich den Mitarbeitern in den Geschäften zuhörte und beobachtete, was in den Geschäften vor sich ging, hätte ich nie ergründen können, wenn ich mich mit Tabellenkalkulationen beschäftigt oder in Besprechungsräumen mit anderen Führungskräften in der Zentrale gesessen hätte.
Quelle: Heart of Business – Leadership Principles for the Next Era of Capitalism
Hubert Joly konnte mit Zuhören und Anpacken in der ersten Linie Einblicke gewinnen, die seine Entscheidungen in der Zentrale besser und praxisnaher machten. Vor allem aber konnte er sich das Vertrauen seiner Mitarbeitenden erarbeiten und gemeinsam das Ruder herumreißen.
Eine Sprache sprechen
Eine klare Kommunikation ist immer von großer Bedeutung. Dies gilt besonders für Frontline-Workers, die oft einen anderen Hintergrund und eine andere Sprache als ihre Kollegen in Büros haben. Um eine effektive Kommunikation zu gewährleisten, ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Sprache der Kommunikation auch für diese Mitarbeitenden verständlich ist.
Eine leicht verständliche Sprache ist hierbei unerlässlich. Es geht nicht darum, die akademische Sprache zu vermeiden, sondern vielmehr, klare und einfache Informationen zu vermitteln, die für alle verständlich sind. Dies erfordert vielleicht ein wenig mehr Aufwand bei der Formulierung, aber der Perspektivenwechsel lohnt sich auch hier. Nicht alle Begriffe, die man für selbsterklärend hält, sind es auch für andere.
Lassen Sie deshalb ihre interne Kommunikation für Frontline Workers vorab von ein paar Mitgliedern dieser Mitarbeitergruppe querlesen. Es wird sicher den ein oder anderen „Aha-Effekt“ geben.
Eine digitale Identität schafft Wertschätzung
In vielen Betrieben mit einem hohen Anteil an gewerblichen Mitarbeitenden gibt es bis zu einer gewissen Hierarchieebene eigene Firmen E-Mail-Adressen, i.d.R. auch Laptops und Diensthandys. Im Baugewerbe trifft dies z.B. häufig bis zur Ebene des Poliers (vergleichbar mit einem Teamleitenden) zu. Was für Mitarbeitende, die sich unterhalb dieser Ebene befinden, bedeutet, dass sie in diesen Betrieben ihre privaten E-Mail-Adressen nutzen müssen.
Man kann sicher nicht verlangen, jeden Mitarbeitenden mit einem eigenen Diensttelefon auszustatten. In Zeiten von Bring-Your-Own-Device (BYOD) ist dies auch nicht mehr nötig. Aber eine eigene E-Mail-Adresse, mit der Teilhabe an der firmeneigenen Kommunikation möglich ist, sollte Standard werden. Es wäre ein erster Schritt zur digitalen Gleichberechtigung von Frontline Workers, von denen laut einem Microsoft Whitepaper selbst 46% sagen, dass digitale Tools ihre Arbeit vereinfachen würde.
Führungskräfte und HR-Abteilungen sollten in der Beschaffung neuer Software (Zeiterfassung, Abwesenheitsmanagement etc.) dieser Ganzheitlichkeit vermehrt Aufmerksamkeit schenken.
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Einerseits, um weiter auf das Ziel einer gemeinsamen Mitarbeiteridentität von Zentrale und Mitarbeitenden in der ersten Linie einzuzahlen, anderseits aber auch, um einen möglichst großen Skalierungseffekt im Unternehmen zu erreichen, an dem am Ende eine Entlastung aller von administrativen Aufwänden steht.
Fazit
Verstehen Führungskräfte, was für Mitarbeitende in der ersten Linie essenziell ist, wächst Verbundenheit und Vertrauen. Und das Großartige ist, Maßnahmen wie regelmäßige vor Ort Besuche oder eine verständliche Kommunikation kosten nichts, außer persönlichen Einsatz und die Bereitschaft, eine andere Perspektive einzunehmen. Das Potential, was Organisationen damit heben können, ist zu groß, um es liegen zu lassen.
Packen wir es an!