Immer wieder beschäftigt die Gerichte die Frage, ob der als Geschäftsführer tätige Gesellschafter einer GmbH der Sozialversicherung unterliegt oder nicht. Nunmehr gibt es eine verschärfte Rechtsprechung, verrät Rechtsanwältin Sophia Schmid.
Sozialversicherungspflicht eines Gesellschafter-Geschäftsführers
Das Gesetz trifft zu der Frage der Sozialversicherungspflicht eines Gesellschafter-Geschäftsführers in § 7 Abs. 1 SGB IV. lediglich eine allgemeine Aussage:
„Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.“
Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit eine Vielzahl von Kriterien definiert, die die Beschäftigung des Gesellschafter-Geschäftsführers sozialversicherungsrechtlich eingeordnet haben. Genaue diese Kriterien haben sich in der letzten Zeit verschoben.
Frage der fremdbestimmten Arbeitsorganisation
Ganz allgemein kann man statuieren, dass Beschäftigter ist, wer seine vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation erbringt und in diese eingegliedert ist sowie einem umfassenden Weisungsrecht seines Vertragspartners unterliegt, das Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen kann.
Selbstständig Tätiger ist dagegen, wer über seine Arbeitskraft frei verfügen und seine Tätigkeit und Arbeitszeit im Wesentlichen frei gestalten kann. Er trägt dabei ein unternehmerisches Risiko, welchem entsprechende unternehmerische Chancen und Möglichkeiten gegenüberstehen müssen.
Ob nun jemand abhängig beschäftigt ist oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.
Entscheidend ist die Kapitalbeteiligung
Bei der Beschäftigung des Gesellschafter-Geschäftsführers stellt die Sozialversicherungsbehörde in der Zwischenzeit nahezu ausschließlich auf die Kapitalbeteiligung ab. Dies ist mit Abstand das wichtigste Kriterium. Handelt es sich bei dem Geschäftsführer um einen Mehrheitsgesellschafter (= Inhaber von mehr als 50% der Geschäftsanteile), kann er sich faktisch selbst Weisungen geben und ist damit regelmäßig nicht sozialversicherungspflichtig.
Nach der bisherigen Rechtsprechung reichte auch eine sogenannte „echte oder umfassende Sperrminorität“ aus, um eine Sozialversicherungspflicht zu vermeiden. Diese geringere Kapitalbeteiligung reichte dann aus, wenn der Geschäftsführende Gesellschafter über eine im Gesellschaftsvertrag festgeschriebene Sperrminorität verfügt, die sich darauf erstreckt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit zu verhindern.
Verschärfung der Anforderungen durch die Sozialgerichte
In den letzten 15 Jahren war zu beobachten, dass die Sozialgerichte die Anforderungen an die sozialversicherungsrechtliche Selbstständigkeit von Gesellschafter-Geschäftsführern verschärfen.
Bundessozialgericht
Das Bundesozialgericht hatte seine Rechtsprechung zuletzt dahingehend ausdifferenziert, dass Gesellschafter-Geschäftsführer jedenfalls dann sozialversicherungsfrei sind, wenn sie unliebsame Weisungen verhindern können.
Wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer also über eine sogenannte Verhinderungsmacht verfügt. In den letzten beiden Jahren deutete sich aber eine Veränderung an. So wurde von manchen Gerichten bereits gefordert, dass der als Geschäftsführer tätige Gesellschafter nicht nur über eine Verhinderungsmacht, sondern auch über eine sogenannte Gestaltungsmacht verfügt.
Sozialgericht Neubrandenburg
Dieses Erfordernis stellt nun das Sozialgericht Neubrandenburg in seiner Entscheidung vom 10.09.2024 – Az. S 7 BA 7/23 auf.
Das Sozialgericht Neubrandenburg stellt fest, dass nach seiner Ansicht ein Gesellschafter-Geschäftsführer nur dann als selbstständig angesehen werden kann, wenn in dem Falle einer Stimmengleichheit in einem Gesellschaftsvertrag verankertes Stichentscheidungsrecht zusteht. Da dies im vorliegenden Fall nicht gegeben war, wurde der Kläger obwohl er eine Beteiligung von 50% hatte, als abhängig Beschäftigt eingestuft.
So sah der Gesellschaftsvertrag im streitigen Fall vor, dass die Beschlüsse der Gesellschafter mit einer Mehrheit von mehr als 50% gefasst werden mussten. Im streitigen Fall handelte es sich um eine 2-Personen-GmbH, wobei sowohl der Kläger als auch der andere Gesellschafter jeweils 50% der Geschäftsanteile innehatten. Sie konnten sich also gegenseitig blockieren, was jedoch nicht ausreicht um eine umfassende Mitbestimmung und Gestaltungsmacht zu gewährleisten. Hier hatte der Kläger nach Auffassung des Sozialgerichtes nicht die erforderliche Rechtsmacht, um die Geschicke der Gesellschaft umfassend zu bestimmen.
Das Gerichtsurteil des Sozialgericht Neubrandenburg macht deutlich, dass das Risiko für GmbH-Geschäftsführer steigt, mit hohen Beitragsnachforderungen der Deutschen Rentenversicherung Bund konfrontiert zu werden.
50%-Gesellschafter hat keine Gestaltungsmacht
Bisher war der 50%-Gesellschafter auf der „sicheren Seite“, der Gesellschafter-Geschäftsführer, der mit einer Beteiligung von 50% jeden Beschluss verhindern kann, wird nach dem Urteil des Sozialgerichtes nun als abhängig Beschäftigt angesehen, weil er nur eine Verhinderungsmacht aber keine Gestaltungsmacht hat.
Das Urteil beweist ein weiteres Mal, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen schnell ändern können.
Daher sollten Gesellschafter-Geschäftsführer regelmäßig auch ihre sozialversicherungsrechtliche Einstufung überprüfen lassen, insbesondere bei Änderungen im Gesellschaftsvertrag oder in der Unternehmensstruktur. Ferner sollten alle relevanten Regelungen klar und transparent im Gesellschaftsvertrag festgehalten werden, um die Vorhersehbarkeit sozialversicherungsrechtlicher Tatbestände zu gewährleisten.