Inclusive Leadership

Inklusive Führung stärkt die Loyalität

Welche Vorteile kulturell diverse Teams bieten, ist in den Unternehmen meist bekannt. Obwohl viele Führungskräfte auf ein tolerantes Miteinander Wert legen, sind sie sich ihrer blinden Flecken oft nicht bewusst. Eine inklusive Führung erfordert ein echtes Interesse für andere Perspektiven, ein gutes kommunikatives Gespür und den Mut, neues Verhalten auszuprobieren. Wie sie gelingt, verrät Heike Geiling in ihrem Gastartikel.

Studie von McKinsey

Diverse Teams sind innovativer, treffen bessere Entscheidungen und verstehen die Bedürfnisse und Erwartungen einer vielfältigen Kundschaft besser, wie Studien, zum Beispiel „Diversity matters even more“ von McKinsey (2023), immer wieder belegen. International orientierte Unternehmen wissen diese Vorteile zu schätzen. Trotzdem ist die interkulturelle Kompetenz vieler Führungskräfte unzureichend.

Oft hinterfragen sie zu wenig die eigenen Denk- und Verhaltensweisen und stehen denen ihrer diversen Mitarbeitenden nicht offen gegenüber. Das führt zu Missverständnissen und Unsicherheiten.

Worauf kommt es bei der inklusiven Führung an?

1. Psychologische Sicherheit geben

Psychologisch sicher fühlt sich ein diverses Team dann, wenn es einen respektvollen Umgang miteinander gibt, die Meinung anderer gehört und es eine Fehlerkultur gibt. In Zeiten des Fachkräftemangels sind Mitarbeitende aus anderen Kulturkreisen für Unternehmen unersetzbar. Fühlen sie sich zugehörig, steigt auch die Loyalität. Für psychologische Sicherheit im Team zu sorgen, ist eine Kernaufgabe der Führungskräfte.

2. Eine fremdkulturelle Perspektive einnehmen

Viele Führungskräfte beurteilen berufliche Situationen aus ihrer eigenen Perspektive, stellen Regeln auf und richten Arbeitsprozesse ein, die nach ihren Vorstellungen „normal“ und „effizient“ sind. Viele sind stolz auf ihre „open door policy“. Dass alle immer kommen und offen über Probleme sprechen wollen, ist aber eine sehr westliche Sicht. In Kulturkreisen mit starken Hierarchien und Verhaltenskodexen wie Japan oder Korea, würden Mitarbeitende nicht zur Chefin ins Büro kommen, um einen Missstand anzusprechen.

Das wird dort anders, indirekter und meist außerhalb des Arbeitsplatzes gelöst. Wer mit Menschen aus anderen Kulturen arbeitet, muss neugierig sein und sich schlau machen, was sie denken und für “normal” halten.

Dass Mitarbeitende zum Beispiel alle Englisch sprechen und die Unternehmenskultur kennen, hilft sicherlich. Es ist aber kein Garant dafür, dass gut miteinander gearbeitet wird. Die Unternehmenskultur überschreibt niemals die persönliche Kultur. Unsere Werte sind tief verankert und spiegeln sich oft in Dichotomien wider: was ist richtig oder falsch, fair oder unfair beispielsweise? Da treffen oft Welten aufeinander.

Dann muss eine Führungskraft in der Lage sein, ein Gespräch auf der Metaebene zu führen, um herauszufinden, wo die Lücke ist. Man kann zum Beispiel sagen: „Ich merke, dass ich gerade bei Ihrer Antwort enttäuscht bin und frage mich, was ich stattdessen erwartet habe. Können Sie es mir noch einmal erklären, wie Sie zu dem Schluss gekommen sind?“

3. Stereotypes Wissen nur als erste Orientierung verstehen

In interkulturellen Trainings zur Vorbereitung auf einen Auslandseinsatz beispielsweise werden Führungskräften häufig die klassischen Dos und Don´ts über die betreffende Kultur vermittelt. Dieses stereotype Wissen kann im ersten Schritt teilweise helfen, grobe Fehler zu vermeiden.

Wer allerdings in den Stereotypen verharrt, verhindert, sich auf die andere Kultur einzulassen und wirklich etwas zu lernen. Wenn das diverse Team mit Offenheit auf andere Perspektiven reagieren und respektvolles Verhalten an den Tag legen soll, muss man als Führungskraft mit gutem Beispiel vorangehen.

Wichtig dabei ist, Feedback einzufordern. Gerade von Menschen, die die Welt anders sehen als wir.

  • Was könnten wir noch besser machen?
  • Wo stecken wir in unseren gewohnten Denkweisen fest?
  • Wann ist es besonders schwierig, sich im Team einzubringen?
  • Welche Situationen oder Prozesse werden als schwierig empfunden?

Führungskräfte sollten gezielt nach anderen Perspektiven fragen. Wer es dann noch schafft, Fehler offen zuzugeben und Rückmeldungen vom Team nicht nur zu hören, sondern auch umzusetzen, ist auf einem guten Weg.

4. Fragen stellen, um Entscheidungskompetenz zu fördern

Wenn ins Ausland entsandte Führungskräfte auf ein Team aus lokalen oder internationalen Arbeitskräften mit lokalen Prozessen und Denk- und Herangehensweisen treffen, können sie sich nicht mehr auf ihren Schatz an Erfahrungen verlassen. Führen sie ein diverses Team, liegt die Herausforderung darin, zu akzeptieren, dass man niemals alles über den anderen weiß.

Aber man kann Methoden entwickeln, um Unterschiede zu erfassen, die richtigen Fragen zu stellen und seine Mitarbeitenden aktiv in Entscheidungsprozesse einzubinden. Wer Fragen stellt, sollte sich darauf konzentrieren, was man nicht weiß. Ansonsten würden die Antworten das bestätigen, was eine Führungskraft sowieso schon angenommen hat, und das bringt einen meist nicht weiter.

Ratsam ist, sich “Was-Fragen” anzutrainieren, die offen sind und zum Erforschen einladen. “Warum-Fragen” lösen dagegen häufig eine Rechtfertigung aus. Es hat eine andere Qualität, wenn ich frage: „Was fehlt Ihnen noch, um eine Entscheidung treffen zu können?“ als „Warum haben Sie noch keine Entscheidung getroffen?“

5. Herangehensweisen erfragen und diverse Perspektiven berücksichtigen

Häufig kommt es in der interkulturellen Kommunikation zu Missverständnissen. Um dem vorzubeugen, kann sich eine nach China entsandte Führungskraft beispielsweise von ihrem lokalen Mitarbeiter erläutern lassen, was er von dem verstanden hat, was sie gesagt hat.

So können Lücken in der Kommunikation oder Informationsvermittlung aufgedeckt werden. Auch kann die Führungskraft ihre Mitarbeitenden fragen, wie sie eine bestimmte Aufgabe angehen würden und warum auf diese Art. Wenn sie solche Themen diskutiert, versteht auch das diverse Team mit der Zeit immer besser, inwieweit sich die Perspektive des Chefs oder der Chefin von ihren eigenen unterscheiden, und sie können das in Zukunft in ihre Überlegungen einbeziehen.

6. Eigene blinde Flecken mit Sparringspartnern aufdecken

Auch Führungskräfte sollten akzeptieren, dass es zur Natur des Menschen gehört, Vorurteile zu haben. Darauf aufbauend können die eigenen unbewussten Vorurteile aktiv aufgedeckt und hinterfragt werden, um sich dann ganz bewusst gegenteilig zu verhalten.

Eine gute Methode hierfür ist „flip it to test it“: Man wendet einen Gedanken zum Beispiel auf eine Kollegin aus einer anderen Kultur an. Zum Beispiel: Wenn die Reaktion einer Französin auf mich arrogant wirkt, würde ich diesen Eindruck auch von einer deutschen Kollegin haben? Machen Sie diesen Selbsttest und fragen sich dann: Klingt es immer noch richtig?

Je besser man die eigenen Unconscious Bias kennt, desto effektiver lässt sich ihnen entgegenwirken. Auch Coaches können bei der Selbstreflexion unterstützen. Coaching ist eine gute Methode, die eigenen Stärken zu entwickeln und das Führungsverhalten an die Diversität des Teams anzupassen.

Wer sich seine eigenen Vorurteile bewusst gemacht hat, wird im Umgang mit Menschen anderer Kulturen sicherer. Hilfreich dabei: sich so vielen „Fremdheitserfahrungen“ wie möglich auszusetzen und mit Freude und Neugier auf andere zuzugehen.

7. Kollegialer Austausch mit Gleichgesinnten stärkt die Handlungskompetenz

Interkulturelle Trainings vermitteln kulturelles Wissen. Um eine bessere Handlungskompetenz und Gelassenheit im Umgang mit Menschen aus anderen Kulturkreisen zu entwickeln, ist ein regelmäßiger Austausch unter Gleichgesinnten hilfreich. Oft ist es viel einfacher, eine Führungskraft, die mir vollkommen fremd ist, um Rat zu fragen, als Kollegen oder Kolleginnen aus der gleichen Firma.

Wird der Austausch durch einen Coach strukturiert angeleitet, lernen die Teilnehmenden, sich aktiv zuzuhören, ihre Erfahrungen zu teilen und wirkungsvolle Fragen zu stellen, die zur Selbstreflexion anregen. Auf diese Weise können sie sich im geschützten Rahmen vertrauensvoll unterstützen.

Fokus auf Gemeinsamkeiten statt Unterschiede

Führungskräfte sollten ihr diverses Team dabei unterstützen, ihren Blick auf Gemeinsamkeiten, statt die Unterschiede zu richten. So können sich die Mitarbeitende vor allem menschlich, unabhängig von kulturellen Prägungen begegnen. Die Unternehmen können es sich immer weniger leisten, dass Führungskräfte Mitarbeitenden aus anderen Kulturkreisen mit unbewussten Vorurteilen begegnen und sie aufgrund eigener Unsicherheiten zu wenig fördern.

In der immer komplexeren und diverseren Gesellschaft haben Führungskräfte die wichtige Aufgabe, eine inklusive und wertschätzende Unternehmenskultur zu fördern, die sich positiv auf die Mitarbeitendenbindung auswirkt.

Heike Geiling

Heike Geiling

 

Heike Geiling ist Expertin für Inclusive Leadership und arbeitet mit Führungskräften weltweit, die internationale und diverse Teams führen. Sie unterstützt sie dabei, eine klare, aber sensible Kommunikation zu beherrschen und so Missverständnisse, Frustration und Fluktuation zu verringern und Produktivität, Zugehörigkeit und Loyalität zu erhöhen.

Mit der von ihr gegründeten Inclusive Leadership Alliance entsteht ein weltweites Netzwerk von Führungskräften mit ähnlichen Herausforderungen.

>> LinkedIn-Profil von Heike Geiling

>> Website der Inclusive Leadership Alliance

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