Erfolgreiches Recruiting ist ein wesentlicher Anspruch, der nicht nur von den Verantwortlichen selbst, sondern auch von allen Beteiligten an das Recruiting gestellt wird. Daher ist es essenziell, die Reife und Exzellenz des eigenen Recruitings nicht nur punktuell, sondern in seiner gesamten Komplexität zu erfassen und zu bewerten. Nur so kann die Recruiting Dienstleistung in der notwendigen Qualität erbracht werden. Einen umfassenden und fundierten Blick auf das Recruiting ermöglich das Recruiting Reifegradmodell. Studien-Mitautor Michael Witt gibt Einblicke.
Das Recruiting-Reifegradmodell
Das Recruiting-Reifegradmodell ist ein fundiert entwickeltes und umfassendes Framework, das den Entwicklungsstand von Recruiting-Organisationen – ihren Reifegrad – präzise misst. Es basiert auf einem fünfstufigen System, das von Stufe 1 (ad hoc) bis Stufe 5 (exzellent) reicht und somit den Zustand einer Recruiting Organisation genau aufzeigt. Das Modell umfasst insgesamt 32 spezifischen fünfstufigen Kriterien, die wiederum in fünf Hauptkategorien zugeteilt sind.
Die Recruiting-Reifegrad-Studie 2024
Mit der Recruiting-Reifegrad-Studie 2024 haben wir erstmals den Status Quo von Recruiting Organisationen umfassend analysiert und daraus potenzielle Handlungsempfehlungen abgeleitet. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die meisten Organisationen über alle Kategorien hinweg auf einem durchschnittlichen Reifegrad (3,01) befinden – mit einigen Überraschungen und erwartbaren Ausreißern. Im Folgenden werde ich drei ausgewählte Bereiche genauer beleuchten, da sie meines Erachtens entscheidend für die Ausrichtung eines zukunftsfähigen Recruitings sind:
- Strategische Nutzung von Daten: Recruiting-Kennzahlen sind auf dem Weg zur Recruiting Exzellenz ein zentraler Baustein. Sie sind sich jedoch immer noch ein Engpass wenn wir auf die Ergebnisse der Reifegrad Studie schauen: Während der Umgang mit Kennzahlen bei den meisten Unternehmen auf mittlerem Niveau etabliert ist, zeigt sich, dass die strageische Arbeit mit ihnen nahezu aus bleibt.
- Strategische Anpassungsfähigkeit: Die Daten zeigen ebenso auf, dass strategische Ansätze im Recruiting in Unternehmen aller Größen und Strukturen gut etabliert sind. Auffällig ist jedoch, dass kaum eine strukturierte Überprüfung oder Re-Justierung der Strategien erfolgt. Es scheint, dass einmal festgelegte Strategien oft ohne Anpassung weitergeführt werden.
- Recruiting-Skills als Zukunftssicherung: Skill-based Hiring ist ein Konzept, das zunehmend an Bedeutung gewinnt. Gleichzeitig muss jedoch auch die Qualifizierung der Recruiter:innen gefördert werden, indem Karrierewege geschaffen und regelmäßige Weiterbildungen stattfinden. In diesen Punkten ist der Reifegrad bei den befragten Recruiting-Organisationen derzeit unterdurchschnittlich ausgeprägt.
Die reife Recruiting Organisation – was wäre, wenn … ?
Es ist denke ich kein offenes Geheimnis, dass alle Recruiting-Schaffenden nach der bestmöglichen Recruiting Excellence für ihre Recruiting Organisation streben. Davon gehe ich grundsätzlich aus. Aus Sicht des Reifegradmodells sprechen wir dann von einer Recruiting Organisation, die den Reifegrad 5 erreicht hat und quasi in allen möglichen Bereichen nicht nur exzellent arbeitet, sondern auch Maßstäbe setzt.
Ein schöner Gedanke und für viele ein Ziel oder eher vielleicht auch ein Wunsch. Mit einem Blick in die Glaskugel können wir einmal schauen, wie es denn wäre, wenn eine Organisation Reifegrad 5 erreicht und was sie dafür tun müsste:
Strategische Nutzung von Daten
Wir haben gesehen, dass das Sammeln und Bewerten von Daten mittlerweile recht gut funktioniert. Werden Daten in einen strategischen Kontext gesetzt, dann nimmt die Reife innerhalb der Recruiting Organisationen merklich zu und selbstredend dann auch der Nutzwert der Kennzahlen selbst.
Skalieren wir die strategische Nutzung von Daten in einen Reifegrad 5, zu können unterschiedliche operative Szenarien angedacht werden. Hier drei Möglichkeiten:
- Präzise Personalbedarfsprognosen: Basierend auf historischen und aktuellen Daten zu Fluktuation, Unternehmenswachstum und saisonalen Spitzen wird mit Predictive Analytics der Personalbedarf errechnet und ins Recruiting weitergegeben. Hier kann dann die Recruiting Strategie entsprechend angepasst werden.
- Matching und Vorhersagen: Natürlich kann mit dem Einsatz von KI-gestützte Algorithmen analysieret werden wer am besten passt und es kann auch eine Langfrist-Prognose erstellt werden.
- Echtzeit-Dashboards: Zentral ist die Nutzung von Dashboards und für eine schnelle Reaktion. Die Integration von Echtzeit-Dashboard in die tägliche Arbeit und die Etablierung von konkreten Handlungsoptionen machen Daten verwertbar und die Recruiting Organisation insgesamt handlungsschneller (und präziser).
Strategische Anpassungsfähigkeit
Die Notwendigkeit, Recruiting mit stragegische Ansätzen und Herangehensweisen auszustatten wurde in den allermeisten Organisationen erkannt. Wir können also davon ausgehen, dass Recruiting auch immer einen Teil „Strategie“ beinhaltet. Jedoch zeigt sich auch recht deutlich, dass die sogenannte strategische Adaption, also die Fähigkeit eine Strategie anzupassen nicht ausgeprägt ist. Mit Blick auf eine exzellente Recruiting Organisation könnten dann beispielsweise folgende Szenarien denkbar sein:
- Technologiegestützte Marktanalyse: Mit Hilfe von Predictive Analytics und Marktanalyse-Tools können verändernde Berufsbilder oder auch Engpässe erkannt und die Strategie entsprechend angepasst werden.
- Automatisierte Anpassung der Anforderungsprofile: Denken wir den Ansatz von oben weitern, können die Daten dazu führen, dass Anforderungsprofile automatisch angepasst werden und so auch wieder direkten Einfluss auf kurz- und mittelfrist Strategie haben.
- On-demand-Recruiting-Kapazitäten: Um schnell auf spontane oder befristete Bedarfe reagieren zu können, arbeitet das Recruiting mit einem Netzwerk von beispielsweise freiberuflichen Recruiting-Spezialist:innen oder RPO.
Recruiting Skills als Zukunftssicherung
Recruiting ist im Grunde seit jeher eine HR-Disziplin, die viel Wissen benötigt, um eine exzellente Dienstleistung erbringen zu können. Daher liegt es auf der Hand, dass die Qualität und der Erfolg einer Recruiting Organisation nur im Einklang mit der Entwicklung von Recruiting Skills stattfinden kann. Eine reife Organisation fokussiert dabei einerseits die Entwicklung jeder einzelnen Recruiter:in aber auch der gesamten Organisation:
- Personalisierte Lernplattformen: Die nahe Zukunft wird es ermöglichen, dass jede Person ihre eigenen auf sie zugeschnittenen Schulungsinhalte bekommt. So können Data Analytics, Social-Media-Recruiting oder Bewerbermanagement je nach Skill-Level erlernt und weitergeführt werden.
- Data Bootcamps und Analytics Labs: Der Zuschnitt von „klassischen“ Formaten mit neuen Inhalten ist eigentlich jetzt schon möglich und ist in einer reifen Recruiting Organisation Standard.
- Immersive Diversity- und Kultur-Workshops: Mit dem Einsatz von VR können in virtuellen Umgebungen interkulturelle Situationen oder Herausfordernden simuliert und der Umgang und das eigene Verhalten erprobt werden.
Wie komme ich zur reifen Organisation?
Am Anfang einer solchen Reise stehen letztlich zwei zentrale Fragen: Wo stehe ich aktuell, und bin ich bereit, mich weiterzuentwickeln? Die erste Frage lässt sich relativ einfach durch eine umfassende Reifegrad-Analyse beantworten, die den Status quo feststellt.
Die zweite Frage ist jedoch entscheidend, denn wenn ich an Reife gewinnen und meine Recruiting-Exzellenz steigern möchte, muss ich Veränderungen anstreben. Dies bedeutet einerseits die Bereitschaft, tatsächlich etwas zu verändern, und andererseits die vorhandenen Möglichkeiten dazu.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, können Pläne oder Strategien entwickelt werden, um systematisch und über einen längeren Zeitraum hinweg die Reife und damit die Exzellenz im Recruiting zu erhöhen. Dass dies funktioniert, durfte ich bereits mehrfach miterleben und begleiten.
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