Psychische Gesundheit hat für HR in Unternehmen noch lange nicht den Stellenwert, den den Thema verdient. Startups wie mentalport wollen hier mit spezialisierten Dienstleistungen und neuer Technik betriebliches Gesundheitsmanagement auf ein neues Level heben. Meine Fragen an Tim Kleber, mentalport.
Was bietet mentalport?
Hallo Tim, magst Du Dich und mentalport bitte kurz vorstellen?
Sehr gerne. Ich bin Gründer und CEO von mentalport. Wir ermöglichen Unternehmen, das Management der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz auf Autopilot zu setzen. Zum Mental Health Management gehört nicht nur unsere App für Mitarbeitenden-Coaching, sondern auch die automatisierte Umsetzung aller rechtlichen Anforderungen – allen voran die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (GBU Psyche) sowie Betriebliches Eingliederungsmanagement.
Unser aktives Management der mentalen Gesundheit verfolgt das Ziel, eine Kultur des Wohlbefindens im Unternehmen umzusetzen und Führungskräften sowie Mitarbeitenden dabei zu helfen, frühzeitig auf mentale Herausforderungen zu reagieren – ohne dabei zusätzliche Belastungen bei Führungskräften zu verursachen. Damit nehmen wir dem Unternehmen alle Aufgaben ab und bieten u.a. automatisierte Arbeitsschutzmaßnahmen.
Mentale Gesundheit in aller Munde
Über mentale Gesundheit wird gerade viel geschrieben und gesprochen. Aber was genau fällt eigentlich alles unter diesen Begriff?
Mental gesund zu sein geht weit über das Fehlen von Krankheit hinaus. Wir können es als einen Zustand des emotionalen, psychischen und sozialen Wohlbefindens beschreiben, indem wir als Mensch ausreichend Ressourcen besitzen, die Belastungen aus dem Alltag und der Arbeit positiv zu bewältigen. Haben wir also genug eigene Mittel, um die Belastungen selbst bewältigen zu können, so können wir uns als mental gesund bezeichnen.
Umgekehrt kann eine dauerhafte Überlastung zu Störungen führen, die unsere Arbeitsfähigkeit und unser persönliches Wohl beeinträchtigen. Zur mentalen Gesundheit gehört es daher u. a., wie wir mit Stress umgehen, Beziehungen gestalten und auch Entscheidungen treffen.
Im Unternehmenskontext schließt mentale Gesundheit auch die Prävention psychischer Erkrankungen ein. Kurzgefasst umfasst es alles, was die psychische Belastbarkeit fördert und Mitarbeitende mental stärkt. Die Balance aus Belastungen und Ressourcen zu erreichen und aufrechtzuerhalten – das ist der Schlüssel zur langfristigen mentalen Gesundheit.
Mental health in Unternehmen
Körperliche Erkrankungen stehen schon lange im Fokus von HR-Abteilungen, Stichwort Fehlzeiten. Seit wann kam das Thema mentale Gesundheit dazu und warum?
Das Bewusstsein für psychische Gesundheit hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Dass mentale Belastungen erst seit etwa einem Jahrzehnt in den Fokus rücken, ist kein Zufall und kein kurzfristiger Trend: Psychische Erkrankungen sind oft kausale Folgen aus den Rahmenbedingungen unter denen wir leben und arbeiten – und mittlerweile eine der Hauptursachen für krankheitsbedingte Fehlzeiten.
Diese Entwicklung hat enorme Auswirkungen auf die Produktivität und Unternehmenskultur. Burnout und Depression führen zu langen Ausfällen – im Schnitt dauern Krankmeldungen aufgrund psychischer Leiden 39 Tage, also doppelt so lange wie bei physischen Erkrankungen.
Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Unternehmen erkennen unter anderem zunehmend, welche Kosten die Nichtbeachtung von mentaler Gesundheit am Arbeitsplatz bedeuten. Aktuelle Studien rechnen hier einen ökonomischen Verlust von mehreren tausend Euro pro Mitarbeiter jährlich vor. Auch Unfallkassen prüfen vermehrt den psychischen Arbeitsschutz, sodass auch die rechtliche Komponente dazu ebenso beiträgt. Seit einigen Jahren schnellen ja auch die Zahlen für Langzeitausfälle durch mentale Gesundheitsprobleme in die Höhe.
Andererseits gibt es seitens der Mitarbeitenden eine verstärkte Erwartung, dass Unternehmen ihre psychische Gesundheit genauso ernst nehmen wie ihre körperliche Sicherheit.
mentalport Lösungen
Gesundheits-Coaching App
Ihr bietet ein Mitarbeitenden-Coaching in Punkto mentaler Gesundheit an mittels App. Wie kann ich mir das genau vorstellen?
Ziel unserer mobilen App, ist es ein Angebot für die Belegschaft zu schaffen, was individualisiert, maximal anonym und auch alltagstauglich ist. Das heißt, es ist ein Angebot, was auch langfristig angewendet werden kann – im Gegensatz zum klassischen Kursansatz, der meist ohne langfristigen Effekt bleibt.
Unsere App funktioniert wie ein digitaler, systemischer Coach, der Mitarbeitende im Alltag begleitet. Sie nutzt KI und Biofeedback, um den individuellen Stresslevel zu erkennen und gezielt Unterstützung anzubieten. Nutzer erhalten personalisierte Übungen, Tipps und Soforthilfe-Tools – genau dann, wenn sie gebraucht werden. Das Beste daran: In den Coaching-Ansatz ist auch die nahtlose Betreuung von zertifizierten, menschlichen Coaches integriert. Die App ist anonym und jederzeit zugänglich, sodass Mitarbeitende in ihrem Tempo an ihrer mentalen Gesundheit arbeiten können, ohne den Druck eines starren Programms.
Bringt eine App nicht noch zusätzlichen Druck, wenn diese ständig Aufmerksamkeit oder Verhaltensanpassungen fordert?
Ganz im Gegenteil – unsere App ist darauf ausgelegt, Entlastung und passgenaue Inhalte und Interventionen zu bieten. Die Inhalte sind alltagstauglich und lassen sich flexibel sowie individuell in den Alltag integrieren. Mitarbeitende können die App nach Bedarf nutzen und werden nicht durch ständige Benachrichtigungen gestört.
Zu viel fordern können wir auch gar nicht: Denn die App agiert als systemischer Coach und insofern betrachten wir unsere Nutzer:innen als Expert:in für sich selbst. Wir können es gar nicht besser wissen und machen keine Vorgaben. Daher ist die App so gestaltet, dass sie keinen Druck erzeugt und die Nutzenden in ihrem Tempo begleitet. Uns ist es wichtig, dass sie die Nutzer:innen motiviert, ohne sie zu überfordern.
Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
Neben der App bietet mentalport auch die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (GBU Psyche) an. Wie sieht dieser Prozess aus, und welche Rolle spielt er im Rahmen eines ganzheitlichen Mental Health Managements?
Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ist gesetzlich im Arbeitsschutzgesetz vorgeschrieben und ermöglicht eine Bestandsaufnahme der psychischen Belastungen im Unternehmen. Wir analysieren und bewerten die Arbeitsbedingungen und identifizieren, wo es potenziell belastende Faktoren gibt. Das ist ein wichtiger Bestandteil unseres Mental Health Managements, da die Ergebnisse der GBU gezielte Präventionsmaßnahmen ermöglichen.
Besonders ist hierbei, dass wir die Unternehmen nicht mit Maßnahmenvorschlägen nach der Analysephase alleine lassen: Wir bieten direkt personalisierte, verhaltenspräventive Arbeitsschutzmaßnahmen für Mitarbeitende in unserer mobilen App. Die Maßnahmen leiten wir automatisiert ab, was neben Zeit- und Kostenvorteilen vorwiegend eine maximierte Effektivität der Maßnahmen mit sich bringt. Zudem begleiten wir die Organisation und Führungskräfte bei der einfachen Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen auf der Seite der Organisation.
Die GBU Psyche legt also die Basis für langfristig wirksame Maßnahmen und die Implementation einer unternehmensweiten Mental Health Strategie – die App und unser Coaching-Angebot bauen darauf auf, sodass wir eine ganzheitliche Unterstützung für die mentale Gesundheit bieten können.
Erfolge von Mental Health Management im Unternehmen
Wie wird die Nutzung der mentalport App, der GBU Psyche und des allgemeinen Mental Health Managements von den Mitarbeitenden aufgenommen? Gibt es bereits Erfolge oder Feedback, die Sie teilen können?
Wir erhalten durchweg positives Feedback von unseren Kunden. Unternehmen berichten, dass ihre Mitarbeitenden sich durch die App stärker unterstützt und motiviert fühlen, aktiv an ihrer mentalen Gesundheit zu arbeiten. Allein die Verfügbarkeit der mentalen Gesundheitsförderung über unsere App steigert die Mitarbeitenden-Zufriedenheit um bis zu 70% innerhalb von 6 Monaten. Bei der GBU Psyche haben wir im Schnitt eine Rückläuferquote von mehr als 90 %. Wir messen auch eine langfristige Nutzung der mobilen App in der Belegschaft, die auch nach 3 Monaten noch gleichbleibend hoch ist und messen signifikante Verbesserungen im persönlichen Wohlbefinden durch unseren Ansatz.
Bzgl. der GBU Psyche möchte ich gerne einen Kunden zitieren, da ich es nicht besser beschreiben könnte: „mentalport ist mit keiner Lösung zur GBU Psyche vergleichbar. Der Prozess war wunderbar angeleitet, leicht und extrem mühelos. Dabei haben wir gute Erkenntnisse bekommen und das mit höchster Flexibilität, Wissenschaftlichkeit und Anonymität. Wir sind dankbar für die Arbeitsschutzmaßnahmen in der mentalport-App, denn betriebliche Maßnahmen wären für uns unmöglich gewesen.“
Auswertung von Biofeedback
Um einschätzen zu können, wie es der Person geht, greift die App auch auf Biofeedback zurück. Wie macht sie das genau? Smartphones können das ohne zusätzliche Devices ja in der Regel nicht.
Unsere App nutzt Biofeedback-Analysen bei Freigabe über Wearable-Integrationen. Zudem haben wir ein integriertes Biofeedback-Tracking, womit wir Daten wie Herzfrequenzvariabilität valide und zuverlässig analysieren können. Dafür wird die Smartphone-Kamera verwendet und wir scannen für mehrere Sekunden unser Gesicht. Das ist selbstverständlich anonym und so erhalten wir wertvolle Einblicke, die uns Hinweise über den Gesundheitszustand geben. Wir können Fortschritte messen und personalisierte Interventionen bereitstellen – ohne zusätzliche Geräte.
Weiterentwicklung von mentalport
Was habt Ihr an Weiterentwicklungen für mentalport noch in 2024 beziehungsweise den kommenden Jahren geplant?
Für 2024 planen wir, die Biofeedback-Funktion der App weiter auszubauen, um noch präzisere Einblicke in das mentale Wohlbefinden zu bieten. Zusätzlich arbeiten wir an einer erweiterten KI-gestützten Analyse, die individuelle Verhaltensmuster erkennt und automatisch passende Unterstützung vorschlägt. Langfristig möchten wir eine nahtlose Integration mit gängigen HR-Systemen ermöglichen und Führungskräfte noch mehr in Echtzeit mit Handlungsempfehlungen und direkt klickbaren Interventionen bzw. Maßnahmen unterstützen.
Vielen Dank für Deine Antworten, Tim. Für Euer Startup mentalport wünsche ich weiterhin viel Erfolg!
Über den Interviewten
Tim Kleber leitet als Ingenieur, Wirtschaftspsychologe, Experte für mentale Gesundheit und Data Scientist das Unternehmen mentalport. Sein vielseitiger Hintergrund ermöglicht es ihm, Technologie und Psychologie effektiv zu kombinieren.
Als Data Scientist nutzt er fortschrittliche Analysetechniken, um wertvolle Einblicke zu gewinnen und die Dienstleistungen von mentalport stetig zu verbessern.