Die für Personalverantwortliche bedeutsamen Themen werden immer mehr. Manche davon sind Trends, die einen Hype auslösen, dann aber wieder schnell versanden. Andere sind gekommen, um die HR-Praxis nachhaltig zu verändern. Ein HR-Trendradar für das eigene Unternehmen aufzubauen, hilft dabei, Personalthemen strategisch einzuordnen. Einblicke in eine praxisbezogene Anwendung.
Was ist ein HR-Trendradar?
Ein HR-Trendradar ist der Versuch, HR-Themen zu strukturieren und strategisch sinnvoll einzuordnen. Es liefert dabei Hilfestellung, welche Anforderungen an die eigene HR-Arbeit gestellt werden. Heute und in Zukunft.
Dabei möchte ich an dieser Stelle kein klassisches TREND-Radar zeigen, das lediglich neu Entwicklungen aufzeigt. Mein Gedanke ist ein weiterführender. Gerne würde ich ein Denkmodell anbieten, das auch bestehende und längst im Alltag verankerte Themen mit einbezieht. Meine Idee eines HR-Trendradars soll damit über Modelle, wie z.B. von Gartner mit Blick auf IT oder auch dem Modell der DGFP bzw. dem Zukunftsinstitut hinausgehen. Für eine Basis und zum Verständnis sind die Genannten jedoch eine wunderbare und vor allem hochwertige Grundlage.
Das nachfolgend dargestellte Modell ist stärker operationalisiert. Der Vorteil eines solchen erweiterten HR-Trendradars ist es, auch klassische Kernaufgaben von HR sichtbar und transparent zu machen, um gegenüber der Geschäftsleitung aufzuzeigen, was eine moderne Personalabteilung heute alles leistet bzw. leisten sollte.
Wichtig ist mir dabei, dass es sich nicht um ein fixes Modell handeln kann und keinesfalls im klassischen Sinne „vollständig“ ist. Es ist ein möglicher Ansatz (von vielen), um HR-Themen im eigenen Unternehmen für sich selbst zu strukturieren und zu kartografieren. Das erweiterte HR-Trendradar ist unternehmensspezifisch und zudem durchaus volatil.
Der Impuls zum HR-Trendradar
Das Thema HR-Trendradar beschäftigte mich beruflich in meinen beiden Rollen schon eine Weile. Daher habe ich beim HR BarCamp in Berlin am 05. Und 06.11.24 eine Session dazu gepitcht.
Über 40 Personalverantwortliche und HR-Begeisterte haben meine Session besucht und mit an der Themenfindung gearbeitet. Damit ist ein erster Schritt erfolgt, um HR-Abteilungen für die Erstellung ihres eigenen HR-Trendradars zu begeistern.
Wie ist ein HR-Trendradar aufgebaut?
Die Zonen eines HR-Trendradars
Um eine Struktur in die vielen HR-Themen zu bringen, die moderne HR-Abteilungen heute zu bewältigen haben, bietet sich eine Aufteilung in verschiedene Zonen an, je nachdem, wie stark ein Thema schon auf den Alltag ausstrahlt.
Dabei könnten die Zonen, dargestellt als konzentrische Kreise beispielsweise lauten:
- In Anwendung
- Strategie entwickeln
- Aktiv beobachten
- Vorbeiziehen lassen
Selbstverständlich können hier eigene Bezeichnungen verwendet oder gegebenenfalls auch weitere Zonen eingeführt werden. Je weiter die Themen in Richtung des Zentrums platziert werden, um so konkreter (und dringender) der Handlungsbedarf.
Die Cluster eines HR-Trendradars
Um die entstehenden Themenwolken möglichst übersichtlich zu kartografieren, können zusätzlich einzelne Sektoren ins Trendradar eingebaut werden, die Themen-Cluster.
Als solche Cluster haben die Teilnehmenden der BarCamp-Session folgende als hilfreich empfunden:
- Tech
- Legal
- Social
- Methoden und Prozesse
- Strategie
Auch hier gilt wieder: Nutzbarkeit vor Dogmatismus. Clustern Sie Ihr HR-Trendradar gerne so, dass es zu den von Ihnen auf dem Chart visualisierten Themen passt.
Die Themen eines HR-Trendradars
Das Spannendste sind nunmehr die in diesem Trendradar verzeichneten HR-Themen. Dazu sammelten wir in der BarCamp-Session in gut 40 Minuten knapp 100 relevante Themen, mit denen sich die Personalverantwortlichen im Raum schon beschäftigen oder beschäftigen müssen.
Die Sammlung wäre sicher noch deutlich größer geworden, wenn wir weitergemacht hätten. Allerdings war das Ziel ja keine vollständige allgemeine Charta, sondern mein Versuch, ein Denkmodell zur Strukturierung der HR-Themenvielfalt anzubieten zur unternehmensinternen Weiterbearbeitung. Quasi im Sinne einer praktischen Vorarbeit mit Input aus zahlreichen sehr unterschiedlichen Unternehmen. Denn das gelingt im eigenen Unternehmen eher selten, da dort sehr schnell auch „politisch“ motivierte Themen auftauchen oder eben gerade nicht auftauchen. In einer offenen und neutralen Runde kann daher viel Kreativität fließen.
In Summe hatten wir in der Session nahezu 100 Themen identifiziert, die es wert wären, auf so einem HR-Trendradar zu erscheinen – und mein Respekt für HR-Generalist:innen, die das alles bewältigen müssen, stieg sprunghaft nochmal an.
Der Umgang mit dem HR-Trendradar
Darstellung und Einordnung
Die einzelnen Themen können nun auf dem Radar-Chart eingeordnet werden, je nachdem, in welche Zone sie im jeweiligen Unternehmen gehören. Ob sie also tatsächlich relevant sind, schon eine Strategie oder zumindest Haltung dazu erarbeitet werden sollte oder ob erstmal nur eine Person definiert wird, die eine Beobachtung der weiteren Entwicklung verantwortet (Themenverantwortung).
Neben der Zuordnung zu Clustern und Zonen des Trendradars, können die HR-Themen zusätzlich unterschiedlich groß dargestellt werden. Je nachdem, welche Relevanz bzw. Bedeutung oder welchen Umfang sie haben mit Blick auf das eigene Unternehmen.
Darüber hinaus können Farben signalisieren, wie weit das Thema zum Beispiel schon bearbeitet ist oder wie dediziert eine Strategie oder Haltung schon existiert.
Beispiel:
Mit Blick auf die Ampelfarben (nein, bitte nicht an die Farbcodes der eben zerbrochene Ampelkoalition denken!), könnte folglich ein großes rotes Oval bedeuten, dass ein Thema in der Zone „Strategie“ unbedingt und dringend weiter durchdacht werden muss, aber bisher noch nichts oder wenig passiert ist. Das würde somit großen Handlungsbedarf und Zeitdruck signalisieren. Ein kleineres grünes Oval in der Zone „beobachten“ könnte demnach bedeuten, dass es eine Person mit Themenverantwortung gibt, die den Markt und die Entwicklung des Themas im Blick behält – beispielsweise durch regelmäßiges Lesen unseres wöchentlichen Fach-Newsletters.
Gleicher Wissensstand und Sprachfähigkeit
Darüber hinaus empfiehlt es sich bei einer digitalen Darstellung, dass die einzelnen Themen im HR-Trendradar verlinkt sind. Auf der Zielseite sollten alle für ein Verständnis notwendigen Informationen zu finden sein.
Beispiel:
Das Thema „Mitarbeiterempfehlungsprogramm“ steht bei einem Unternehmen im Cluster „Methode und Prozesse“ in der Zone „Strategie entwickeln“ und ist vergleichsweise groß und gelb gekennzeichnet.
Dann würde auf der Zielseite aufgeführt, wo das Unternehmen derzeit bei diesem Thema steht. Ob es bereits so ein System in der Vergangenheit gab, warum nicht, welche Gedanken dazu schon durchgearbeitet wurden und wie die HR-Verantwortlichen Mitarbeiterempfehlungen heute sehen. Als Fazit könnte dort zu erkennen sein, dass bereits ohne ein explizites Empfehlungsprogramm genügend Empfehlungen erfolgen und deshalb der Status Quo erst einmal beibehalten wird.
Damit könnten alle im Unternehmen sofort sehen, ob es sich lohnt, beim Betrieblichen Vorschlagswesen zum fünfzigsten Mal die Idee zu posten, das Unternehmen könne doch ein solches Mitarbeiterempfehlungsprogramm einführen, um das Recruiting weiter zu boosten.
Weiteres Beispiel:
Gleiches gilt für Themen, die zum Beispiel bei Presseanfragen an HR-Abteilungen herangetragen werden, z.B. „Wie stehen Sie zum Thema 4-Tage-Woche?“ oder auch „Was halten Sie von Workation?“ – Es wäre dann im Sinne einer strategischen Kommunikation extrem hilfreich, wenn sofort der „Common Sense“ bzw. aktuelle Entscheidungsstand dazu im HR-Trendradar dokumentiert auffindbar wäre.
Praktische Anwendungsfälle für ein HR-Trendradar
Sich die weitreichenden Gedanken rund um ein Trendradar schon einmal gemacht zu haben, hilft bei zahlreichen praktischen Anwendungsfällen.
Um nur einige zu nennen, könnten das z.B. sein:
- Steuerung von HR-Aktivitäten im Unternehmen
- Einarbeitung neuer Kolleg:innen im HR-Bereich
- Definition oder Aktualisierung der HR-Strategie
- Aufzeigen der Themenvielfalt bei Kapazitäts- und Budget-Verhandlungen mit der Geschäftsleitung
- Erleichterung des Betrieblichen Vorschlagswesens
- Aussagefähigkeit gegenüber Anfragen Dritter (Unternehmen, die ein Benchmarking suchen oder Presseanfragen)
Regelmäßige Überprüfung des HR-Trendradars notwendig
Wenn Sie den ersten Schritt bereits gegangen sind und ein Trendradar für HR-Themen aufgebaut haben, sollte der zweite Schritt sein, dieses regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Ansonsten haben Sie zwar kurzfristig tolle Arbeit geleitet, aber dennoch schon mittelfristig keinen praktischen Effekt mehr.
Bauen Sie das Thema HR-Trendradar also gerne in die HR-Strategieplanung mit ein, machen Sie Retros und optimieren Sie an den Stellen, an denen es möglich ist. Sorgen Sie dabei unbedingt für eine Versionierung des Charts, um Entwicklungen nachvollziehen zu können.
Digitales oder analoges HR-Trendradar?
Trotz Digitalisierung könnten Sie im Unternehmen mit einem analogen Trendradar arbeiten, z.B. wenn Sie eine große freie Wand haben, auf der Sie arbeiten können. Dann wäre ein fortlaufende Foto-Dokumentation dennoch hilfreich.
Oder besser Sie arbeiten gleich digital, z.B. mit einem Miro-/Concept-Board, bei dem es sich leichter skalieren lässt als auf einem Powerpoint Chart.
Für den Einstieg könnten Sie aber auch die Zonen und Cluster auf eigene Powerpoint-Folien bringen. Dann haben Sie zwar keinen Gesamtüberblick im Sinne eines HR-Trendradars, der Effekt und Nutzwert wäre aber vergleichbar.
Möglicherweise helfen auch KI-gestützte Tools mit Schwerpunkt auf Organisation und Chart-Erstellung.
Fazit zum HR-Trendradar
Das hier dargestellte Trendradar ist ein erweitertes und operationalisiertes Denkmodell, das auf klassischen HR-Trend Studien und Trend-Radar-Darstellungen aufbaut. Es ist jedoch individuell zu erstellen und kann in Unternehmen recht unterschiedlich aussehen. Es handelt sich explizit nicht um einen eigenen oder neuen wissenschaftlichen Ansatz.
Dabei können HR-Verantwortliche auch themenbezogen weitere Radar-Charts erstellen, z.B. ein Recruiting Trendradar oder ähnlich.
Am Ende kommt es darauf an, ob und inwieweit der von mir in diesem Artikel dargestellte Ansatz für Ihre eigen Arbeit im Personalmanagement hilfreich erscheint. Geben Sie mir dazu gerne Feedback auf LinkedIn oder auch persönlich.