Wenig schadet der Reputation eines Arbeitgebers so sehr wie schlechte Kündigungsprozesse. Trotzdem hat fast jedes Unternehmen beim Kündigen Defizite. Wer dieser Anleitung folgt, kündigt besser, sagt Anjuli Mauer.
Fehlerhafte Kündigungsprozesse schaden langfristig dem Unternehmenserfolg
Der Kündigungsprozess des US-Hypothekenmaklers „Better“ vor ein paar Jahren war so schlecht, dass er es sogar in die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schaffte. Kurz vor Weihnachten teilte CEO Vishal Garg rund 900 Angestellten ohne Vorwarnung in einem Video-Anruf mit: „Wir entlassen 15% der Belegschaft. Wenn Sie in diesem Anruf sind, gehören Sie dazu.“ Die Kündigung galt ab sofort.
Ein solches Extrembeispiel wäre in Deutschland schon wegen diverser Schutzgesetze für Arbeitnehmende nicht möglich. Trotzdem weiß ich aus meiner Erfahrung als HR-Verantwortliche und -Beraterin, dass abgesehen von großen Konzernen fast kein Unternehmen in Deutschland wirklich darauf vorbereitet ist, was es heißt, Angestellte zu kündigen. Ein Versäumnis, das umso schwerer wiegt, wenn man sich klar macht: Undurchsichtige oder unfaire Kündigungsprozesse sind langfristig eine der größten Gefahren für den Unternehmenserfolg.
Neben schlechter Presse und schlechten Bewertungen auf Portalen wie kununu ist der wohl wichtigste Faktor das so genannte Survivor Syndrome. Ein inzwischen gut erforschtes psychologisches Phänomen, das häufig bei Angestellten auftritt, deren Kolleg*innen entlassen wurden. Je unklarer die Gründe der Kündigung, desto eher entsteht bei den Verbliebenen der Gedanke: „Ich könnte der oder die nächste sein.“
Die Folge: Arbeitsmoral, Leistungsfähigkeit und gegenseitiges Vertrauen sinken deutlich, was häufig die Arbeitsumgebung geradezu vergiftet. Ausgerechnet betroffene High Performer suchen sich unter diesen Umständen früher oder später einen neuen Job.
Zu Kündigen ist unangenehm – und braucht gerade deshalb klare Prozesse
Mitarbeitende zu kündigen sind für alle Beteiligten unangenehm und werden deshalb auch von der Arbeitgeberseite fast immer schlecht vorbereitet. In den meisten Unternehmen gibt es, wenn überhaupt, höchstens Kündigungsprozesse, die den rechtlichen Rahmen betrachten: Was sind die Fristen? Was darf ich im Kündigungsgespräch sagen und was nicht? Wie muss das Kündigungsschreiben formuliert sein?
Der rechtliche Rahmen ist aber nur die Pflicht. Die Kür sind zutiefst menschliche Fragen, aus deren Beantwortung sich sehr viel über die wahre Kultur eines Unternehmens ablesen lässt. Wenn die Verantwortlichen hier ihre Hausaufgaben nicht machen, zahlt die Firma im besten Fall zu viel Geld, im schlechtesten gefährdet dieses Versäumnis die Zukunft des gesamten Unternehmens.
Ein kurzer Einschub: Mir geht es in diesem Text explizit nicht um glasklare Kündigungsfälle wie zum Beispiel nach Diebstahl oder mehreren Abmahnungen, sondern aus Gründen wie mangelnder Kompatibilität zum Team oder nicht passender Leistung. Und es geht auch nicht um Konzerne oder behördennahe Unternehmen mit Betriebsrat und sehr starkem Kündigungsschutz, sondern um kleine bis mittelgroße Unternehmen, in denen sich zwar nicht die ganze Belegschaft persönlich kennt, die aber auch noch kein unübersichtliches Konstrukt anonymer Abteilungsschnittstellen sind.
Eine überraschende Kündigung ist eine schlechte Kündigung
Doch wie kommen diese Unternehmen nun von der juristischen Pflicht zur menschlicheren Kür bei Kündigungen? Die wichtigste Regel ist, so berechenbar wie möglich zu sein. Je klarer die Vorgaben in Unternehmen sind, desto weniger werden Angestellte von Kündigungen überrascht – und umso geringer ist die Gefahr, dass die verbleibenden Mitarbeitenden durch die Kündigung verunsichert werden. Unternehmen sollten die folgenden Fragen klar beantworten und kommunizieren, bevor sie überhaupt an die erste Kündigung denken:
- Welche Eigenschaften brauchen Mitarbeitende bei uns, um zum Erfolg des Unternehmens beizutragen (Performance Driver)?
- Was müssen Mitarbeitende innerhalb des Performance-Driver-Framework leisten, um befördert zu werden? Ab welchem Leistungsniveau ist möglicherweise der Arbeitsplatz in Gefahr?
- Zu welchen Gelegenheiten gibt es Gespräche, um die Performance der Mitarbeitenden zu bewerten und Feedback zu geben?
- Wer entscheidet letztendlich über die Performance und damit auch über mögliche Beförderungen oder Kündigungen? An wen können Mitarbeitende sich wenden, wenn sie sich unsicher sind, was ihre eigenen Perspektiven im Unternehmen angeht?
Wichtig dabei ist, Mitarbeitende niemals mit schlechten Bewertungen zu überraschen, auf die sie nicht mehr reagieren können. Feedback ist nur dann sinnvoll, wenn die empfangende Person noch die Gelegenheit hat, ihr Verhalten zu ändern.
Am Kündigungstag steht nicht das Unternehmen im Mittelpunkt
Fällt trotz frühzeitigem Feedback die Entscheidung, jemanden zu entlassen, sollten alle Verantwortlichen im Unternehmen sich vor allem eines klar machen: Vom Arbeitgeber gekündigt zu werden, ist für die meisten Menschen ein einschneidendes Erlebnis. Von allen involvierten Menschen hat der oder die Gekündigte sehr wahrscheinlich den schlechtesten Tag.
Natürlich müssen die Personalverantwortlichen dafür sorgen, dass eine Kündigung rechtlich wasserdicht ist (>> Checkliste Arbeitgeberkündigung). Darüber hinaus sollte aber vor allem im Mittelpunkt stehen, dass die Kündigung so menschlich wie möglich abläuft. Damit das nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt, sind die folgenden Faktoren wichtig:
Zeitpunkt der Kündigung
Kündigt niemanden zu persönlich wichtigen Terminen wie Geburtstagen oder wichtigen familiären Ereignissen. Wenn der Termin für die Kündigung steht, dann führt das entsprechende Gespräch am frühen Morgen und stellt die betroffene Person anschließend frei. Und dass der letzte Tag oder die letzte Woche der Probezeit zu spät sind, um jemanden zu kündigen, muss hier hoffentlich nicht noch einmal gesondert erwähnt werden.
Inhalt des Gesprächs
Es geht im Kündigungsgespräch weder um die HR noch um den oder die Vorgesetzte:n der gekündigten Person. Drückt kurz und knapp euer Bedauern aus und erkennt an, dass die Situation für die betroffene Person sehr schwierig ist – aber macht bitte nicht den beliebten Fehler, unbewusst oder bewusst von ihr zu verlangen, dass sie euer schlechtes Gewissen beruhigt.
Diskutiert auch nicht im Detail die Gründe der Kündigung, sondern vertröstet besonders hartnäckige Fragende auf ein zweites Gespräch, das mit etwas mehr emotionalem Abstand geführt werden kann. Und, ganz wichtig: Erzählt keine Unwahrheiten – auch nicht im fehlgeleiteten Wunsch, den Schmerz des Gegenübers zu lindern. Niemand freut sich während des Kündigungsgesprächs über ein: „Ich persönlich finde dich ja ganz wunderbar und stehe auch hinter deiner Arbeit, aber …“
Kommunikation der Kündigung
Im besten Fall besprecht ihr mit der betroffenen Person schon im Kündigungsgespräch, wie die Nachricht ins Team getragen wird. In den seltensten Fällen ist es wirklich nötig, die betroffene Person nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zu lassen oder ihr zu untersagen, sich noch persönlich vom Team zu verabschieden. Einen persönlichen Abschied zu ermöglichen, zeigt Souveränität, die Entscheidung darüber der betroffenen Person zu überlassen, zeigt Mitgefühl.
Nehmt den Belastungstest an – und besteht ihn
Wenn es eine Grundregel zum Thema Kündigungen geben sollte, dann diese: Unter Druck zeigt sich, wie stark Unternehmenswerte und -kultur wirklich sind. Partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe fällt leicht, wenn es dem Unternehmen gut geht und alle gute Arbeit leisten. Kündigungen hingegen sind der ultimative Belastungstest für das Selbstbild jedes Unternehmens.
Nehmt diese Herausforderung an und achtet gerade in einer solchen Drucksituation aktiv darauf, dass ihr so handelt, wie ihr es euch in guten Zeiten vorgenommen habt.