„Wir werden alle mehr und länger arbeiten müssen“, verkündete BDA-Präsident Rainer Dulger zum diesjährigen Tag der Arbeit. Nicht erst seitdem stellen auch Teile der Politik Teilzeit und andere flexible Arbeitsmodelle wieder in Frage, mit dem Ziel, den Fachkräftemangel zu beheben. Dabei könnte ein Lösungsansatz in mehr flexiblen Modellen bestehen, die diesen Namen allerdings auch verdienen müssen.
Falsche Versprechungen von Arbeitgebern
71% der deutschen Eltern mit Kindern im Vorschulalter berichten von „Flex Washing“ oder auch „Fake Flexibility“, also falschen Versprechungen ihrer Arbeitgeber zum Beispiel in Bezug auf flexible Arbeitszeiten oder Home-Office-Regelungen. Flexible Arbeitszeiten sind aber gerade in dieser Gruppe das Top-Kriterium bei der Arbeitsplatzsuche. Arbeitgebern und Politik liefern die mehr als 1.500 befragten Eltern Hinweise, wie sie eine attraktivere Umgebung für sie schaffen und sie wieder verstärkt für den Arbeitsmarkt gewinnen können. Die repräsentative Umfrage wurde von Remote, einem Anbieter von Personallösungen für globale Teams, durchgeführt.
Mit Kindern verschieben sich die Prioritäten naturgemäß. Viele Eltern arbeiten weniger und suchen flexible Modelle. Die Studie legt allerdings nahe, dass viele ihre Arbeitszeiten eher aus der Not heraus verkürzen. Modelle, die Eltern gleiche Chancen geben und tief in der Kultur der Unternehmen verankert sind, kombiniert mit noch besseren Betreuungsangeboten, könnten dem Arbeitsmarkt viele Elternstunden zurückgewinnen.
Wie man Fachkräfte verliert
Flexible Arbeit schreiben sich heute fast alle Unternehmen auf die Fahnen, und 84% der Befragten bestätigen die Existenz solcher Modelle auch für ihren Betrieb. Die Ergebnisse lassen jedoch daran zweifeln, dass viele Arbeitgeber wirklich hinter ihren Modellen stehen. So wurden 69% bereits am Arbeitsplatz getadelt, weil sie sich ungeplant frei nehmen mussten, als ihr Kind krank wurde oder die Kindertagesstätte ungeplant geschlossen wurde. Drei Viertel der Befragten (76%) haben sich schon schuldig oder ängstlich gefühlt, wenn sie eine Auszeit für die Kinderbetreuung beantragten.
21% haben eine Absage erhalten, als sie flexiblere Arbeitszeiten für die Kinderbetreuung beantragt haben, und weitere 12% haben sich nicht getraut, nach so etwas zu fragen. Auch die Einführung von „Return to Office“-Regeln hat sich bei 76% negativ auf sie als berufstätige Eltern ausgewirkt. Das führt dazu, dass ein Zwang zu mehr Tagen im Büro bei 92% der Befragten Wechselgedanken auslösen würde – ein Viertel (24%) würde sogar kündigen, ohne etwas Neues zu haben.
Was junge Eltern brauchen
Auch Eltern wollen im Beruf weiterkommen. Arbeitgeber scheint das nicht immer klar zu sein: 79% der Befragten fühlen sich laut Studie bei Beförderungen oder Chancen am Arbeitsplatz übergangen, weil sie berufstätige Eltern sind. Nach den Top-Kriterien bei der Wahl eines Arbeitsplatzes gefragt, nannten auch Eltern Klassiker wie Job-Sicherheit und Bezahlung (je 28%, Platz zwei und drei), auf Platz eins allerdings landeten mit 35% flexible Arbeitszeiten.
Platz vier und fünf nehmen die Unterstützung bei der Kinderbetreuung (26,4%) und ortsunabhängige Arbeit (26,1%) ein. Wer voll oder teilweise von zu Hause aus arbeiten kann, gab an, mehr Qualitätszeit für die Kinder, für den Partner und für sich selbst zu haben im Vergleich zu Arbeitnehmern, die nur im Büro arbeiten.
Was Politiker wissen müssen
Auch mit dem im Jahr 2023 eingeführten, staatlich garantierten Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr scheint es für Eltern immer noch sehr schwer zu sein, passende Angebote zu finden: Die große Mehrheit der Eltern haben ihren Partner schon einmal dazu ermutigt, den Job zu kündigen (70%) oder die Arbeitszeit zu reduzieren (71%), weil sie Schwierigkeiten hatten, die Kinderbetreuung während der Arbeitszeit zu organisieren.
Mehr als drei Viertel (76%) haben bereits eine Gehaltskürzung oder eine Verringerung der Arbeitszeit in Kauf genommen, weil es keine zugänglichen Kinderbetreuungsmöglichkeiten während der Arbeitszeit gab. Dementsprechend sagen 78% der befragten Eltern, die Politik müsse noch mehr tun, um Betreuungsstätten besser und mit mehr Plätzen auszustatten, und 83% wünschen sich Gesetze, die flexible Arbeitsmodelle für arbeitende Eltern noch besser möglich machen.
Methodik
Für die Umfrage beauftragte Remote das Marktforschungsunternehmen Censuswide, das im Zeitraum zwischen dem 26. März und dem 3. Mai 2024 1.507 deutsche Eltern mit mindestens einem Kind von 5 oder unter 5 Jahren online befragt haben.