Jobsharing - Arbeitsplatzteilung aus arbeitsrechtlicher Sicht

Jobsharing – arbeitsrechtliche Umsetzung der Arbeitsplatzteilung in der Praxis

Das Arbeitsmodell des Jobsharing wird immer beliebter in allen betrieblichen Ebenen. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn es bietet vielfältige Möglichkeiten der Arbeitsplatzteilung mit einem oder einer Tandempartner:in, die sich Verantwortungsbereiche, Tätigkeiten, Projekte und natürlich die Arbeitszeit teilen können. Was es arbeitsrechtlich bei der Umsetzung der Arbeitsplatzteilung zu beachten gilt, verrät Rechtsanwältin Smaro Sideri.

Arbeitsplatzteilung – Jobsharing mit Partner:in

Beide Partner:innen des Jobsharings können sich auf die berufliche „bessere Hälfte“ verlassen, haben eine gesicherte Urlaubsvertretung und einen gleichberechtigten Ansprech- und Austauschpartner oder Partnerin. Ein absoluter Traum! Und auch für Arbeitgebende ein absoluter Gewinn. Denn es gibt nicht nur keine Reibungsverluste, sondern auch tolle Synergieeffekte, die die Motivation und damit die Produktivität von beiden Tandempartnern enorm steigern, wenn das passende Zweierteam gefunden wurde.

Rechtliche Vorgaben und Rahmenbedingungen für Jobsharing

Die schlechte Nachricht zuerst: einen gesetzlichen Anspruch auf Jobsharing oder zu Deutsch auf eine Arbeitsplatzteilung gibt es nicht! Es ist also eine freiwillige Angelegenheit, ob Arbeitgebende dieses Modell anbieten. Angesichts des immer akuter werdenden Fachkräftemangels wird von dieser Freiwilligkeit in naher Zukunft aber immer weniger übrig bleiben…

Einen einzigen Paragrafen sieht das Teilzeit- und Befristungsgesetz zur Arbeitsplatzteilung vor in § 13 TzBfG vor. Dort ist zu lesen, dass

„Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren können, dass mehrere Arbeitnehmer sich die Arbeitszeit an einem Arbeitsplatz teilen (Arbeitsplatzteilung).“

Wie diese Teilung der Arbeitszeit genau aussieht, ist nicht festgelegt. Es muss jedenfalls nicht zwingend eine hälftige Aufteilung vorgesehen. Jede mögliche Aufteilung ist denkbar in allen Teilzeitmodellen. Das ist Inhalt der jeweiligen Vereinbarungen, die individuell abgeschlossen werden.

Es ist auch denkbar, dass ein Tandempartner oder Tandempartnerin beim Jobsharing grundsätzliche eine 100 % Stelle hat, aber z.B. zu 40 % eine Rolle mit einem anderen Tandempartner teilt. Es sind also grundsätzlich sehr unterschiedliche, flexible Aufteilungen möglich – je nach Erfordernis einer Tätigkeit.

Die Ausgangssituation, die zur Einführung eines Jobsharing führt, kann unterschiedlich sein:

  • Von Arbeitgeberseite wird eine Stelle als Jobsharing Stelle ausgeschrieben
  • es können sich zwei Kolleg:innen zusammentun und mit dem Anliegen der Arbeitsplatzteilung auf den Arbeitgeber zugehen oder
  • manchmal entsteht bei Mitarbeitenden der Wunsch, nach einem oder einer Jobsharing-Partner:in zu suchen. Hier helfen spezialisierte Jobsharing-Agenturen wie z.B. Joyntleading.

Wie sieht es mit der Vertretung im Jobsharing aus?

Dieses Arbeitsmodell hat ja gerade für Arbeitgebende den großen Vorteil, dass die Tandempartner:innen sich gegenseitig vertreten, vor allem im Urlaub oder bei einer Erkrankung. Die Vertretungsverpflichtung ergibt sich aber nicht automatisch, sondern setzt das gegenseitige Einverständnis in die Vertretung des anderen voraus.

In § 13 TzBfG ist zu lesen:

„Ist einer der Arbeitnehmer verhindert, sind die anderen Arbeitnehmer zur Vertretung verpflichtet, wenn sie der Vertretung im Einzelfall zugestimmt haben.“

Das bedeutet, dass in den jeweiligen Arbeitsverträgen der Umfang der gegenseitigen Vertretung enthalten sein sollte.

Bei „dringenden betrieblichen Gründen“ ist eine Vertretung vorgesehen, wenn diese im Einzelfall zumutbar ist und im Arbeitsvertrag vorgesehen ist (§ 13 abs. 1 TzBfG). Solche dringenden betrieblichen Gründe könnten vorliegen, wenn durch die Nichterledigung von Aufgaben beispielsweise ein Produktionsstillstand oder Schadensersatzfolgen für den Arbeitgeber bei nichtrechtzeitiger Fertigstellung eines Auftrags drohen würden.

Wie gilt bei längerer Abwesenheit, Erkrankung, Elternzeit, Sabbatical?

Die Jobsharing-Partner:innen sind nicht automatisch verpflichtet die Vertretung des anderen bei einer längeren Abwesenheit zu übernehmen. Bei planbaren Abwesenheiten, wie Elternzeit, Pflegezeit oder einem Sabbatical wird es Sinn machen individuelle Regelungen zur Vertretung oder zu einer Ersatzeinstellung mit den Beteiligten zu regeln.

Im Falle einer längeren Erkrankung wird es eher nicht möglich sein frühzeitig vorzusorgen. Deshalb sollte diese Eventualität von Anfang an in den jeweiligen Arbeitsverträgen berücksichtigt werden. Das kann erfolgen durch eine Vereinbarung der Vertragspartner unter Angabe einer bestimmten Dauer sowie der maximalen Vertretungsdauer.

Zwei rechtlich unabhängige Arbeitsverhältnisse

Was arbeitsrechtlich wichtig zu wissen ist: Beide Personen im Jobsharing stehen nicht in einem von der anderen Person abhängigen Arbeitsverhältnis. Es bestehen zwei unabhängige Arbeitsverhältnisse, die in der Regel Teilzeit-Arbeitsverhältnisse sind. Die vertraglichen Beziehungen zum Arbeitgebenden sind also wie zwei getrennte Arbeitsverhältnisse zu sehen. Auch wenn sehr enge inhaltliche Abstimmungen zwischen den beiden Tandempartnern erfolgen.

So könnten die Tandempartner:innen ihre bestehenden Arbeitszeiten jeweils reduzieren oder erhöhen ohne dass das zwingend Einfluss auf das andere Arbeitsverhältnis hat.

Würde sich nun einer oder eine der Jobsharing-Partner entscheiden den Job zu kündigen- was in er Regel ja nicht von heute auf morgen und ohne jegliche Absprache passiert – hat das arbeitsrechtlich keine Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis des verbleibenden Partners beziehungsweise der verbleibenden Partnerin.

Ein ausdrückliches Kündigungsverbot

Die gesetzliche Regelung geht sogar so weit, dass für diesen Fall ein gesetzliches Kündigungsverbot besteht.

In § 13 Abs. 2 TzBfG steht

„scheidet ein Arbeitnehmer aus der Arbeitsplatzteilung aus, so ist die darauf gestützte Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines anderen in die Arbeitsplatzteilung einbezogenen Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber unwirksam.“

Es besteht also ein spezielles Kündigungsverbot in einem Jobsharing, damit nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der einen Person auch die Beendigung für die andere Person im Jobsharing zur Folge hat.

Dieses eigenständige Kündigungsverbot besteht auch in Kleinbetrieben (unter 10 Mitarbeitende), sogar während der ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses, in denen noch kein allgemeiner Kündigungsschutz besteht!

Es wäre somit auch eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, die eine auflösende Bedingung, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses davon abhängig macht, dass das jeweils andere Arbeitsverhältnis besteht, nicht wirksam!

Ebenso wenig wäre eine „Zweckbefristung“ wirksam, wonach der Arbeitsvertrag endet, wenn der andere Tandem-Partner aus dem Unternehmen ausscheidet.

Recht zu einer Änderungskündigung durch den Arbeitgeber

Als zulässig erachtet wird jedoch das Recht des Arbeitgebers zur Änderungskündigung aus Anlass der Beendigung eines der Arbeitsverhältnisse aus der Arbeitsplatzteilung.

Beispiel:

Wenn das Ausscheiden eines Tandem-Partners aus dem Unternehmen dazu führt, dass der Arbeitgeber keine Ersatzkraft für den frei gewordenen Teilzeitarbeitsplatz findet, kann das ein Grund für eine betriebsbedingte Änderungskündigung des verbleibenden Tandem-Partners sein.

Mit der Änderungskündigung (§ 2 KSchG) wird das bestehende Arbeitsverhältnis mit den bestehenden Arbeitsbedingungen mit Einhaltung der fristgemäßen Kündigungsfrist gekündigt und gleichzeitig ein geändertes Arbeitsverhältnis zu anderen Arbeitsbedingungen angeboten, zum Beispiel in Vollzeit.

Dieses Angebot für das neue Arbeitsverhältnis kann vom Mitarbeitenden angenommen werden, dann ändert sich der Arbeitsvertrag.

Oder es kann abgelehnt werden. Dann endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist.

Es kann aber auch unter Vorbehalt innerhalb von drei Wochen angenommen werden und gleichzeitig eine Änderungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht werden, zur Prüfung der Wirksamkeit der Änderungskündigung. Dann würde es auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts ankommen, ob das Arbeitsverhältnis zu den bisherigen oder zu den geänderten Bedingungen fortgeführt wird. Es sei denn man einigt sich in einem juristischen Vergleich.

In den meisten Fällen ist aber eine Änderungskündigung nicht erforderlich, da sich Arbeitgebende und Arbeitnehmende einvernehmlich auf die Änderung des Arbeitsvertrags einigen oder es wird tatsächlich ein neuer oder eine neue Tandempartnerin gefunden für ein neues Jobsharing Tandem-Team.

Das (Arbeits-)leben heißt Veränderung

Nichts ist so sicher wie die Veränderung – auch im Arbeitsleben.

Jobsharing ist ein absolut spannendes Arbeitsmodell mit großem Wachstumspotential und viele Chancen sowohl für Unternehmen als auch für Mitarbeitende. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn Jobsharing in viel mehr Unternehmen zum Standard wird.

Sollten sich arbeitsrechtliche Fragestellungen ergeben, freue ich mich unterstützen zu dürfen. In meinem Podcast Mother’s Comeback spreche ich in Folge 64 mit der Gründerin der Jobsharing Agentur Joyntleading Esther Himmen über das „How to“ Jobsharing.

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Smaro Sideri

Rechtsanwältin Smaro Sideri

 

Smaro Sideri ist seit 2006 Rechtsanwältin und seit 2010 Fachanwältin für Arbeitsrecht. Die ersten drei Jahre ihrer beruflichen Laufbahn hat sie in der Personalabteilung eines Einzelhandelsunternehmens in der Position Personal- und Arbeitsrecht neben Personalarbeit auch die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat verantwortet.

Sie hält regelmäßig online und in Präsenz arbeitsrechtliche und betriebsverfassungsrechtliche Seminare für Führungskräfte, Personalverantwortliche und Geschäftsführer. Unterwegs hört sie sehr gerne Podcasts und ist selbst Host des Podcasts Mother’s Comeback.

>> zum LinkedIn-Profil von Smaro Sideri

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