Digitales BGM - Gastbeitrag von Katja Stenzel

Digitales BGM: Praxiseinblicke zu einem HR-Zukunftsthema

Wie vor vielen Branchen macht die Digitalisierung auch vor dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) nicht Halt. Vor der Corona-Pandemie stiefmütterlich behandelt, währenddessen das einzige Mittel zum Zweck und nach der Pandemie stellt sich HR-ler:innen nun die Frage: Ist digitales BGM weiterhin die Zukunft? Zurück zu analogen BGM-Angeboten? Oder welchen Mittelweg wählen?

Eine kritische Analyse von Gesundheitsökonomin, B.Sc., Katja Stenzel.

Zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten für HR im digitalen BGM

Bei der Frage nach einer Definition des Begriffs „digitales BGM“ setzt sich der noch weit verbreitete Blick vieler Arbeitnehmenden auf das generelle BGM fort: Aus arbeitgeberfinanzierten Sportkursen und Salatbar statt Pommes in der Kantine wurden in der Pandemie der Online-Rückenkurs und Online-Vortrag über gesunde Küche im Homeoffice.

Das ist jedoch nur ein Bruchteil des Spektrums eines digitalen BGM, bei dem in Fachkreisen auch diskutiert wird, ob es überhaupt bereits unter die Definition digitalen BGM fällt.

Weitere Möglichkeiten, ein digitales BGM-Angebot zusammenzustellen, bieten unter anderem die Einbindung von Apps, Wearables und Plattformlösungen. So können Sie die drei Präventionsbereiche Bewegung, Ernährung und Entspannung auf vielfältige Weise abdecken und miteinander verzahnen.

Der Gesundheitsmarkt für Firmenkunden bietet zahlreiche Angebote: Von virtuellen Sportchallenges über webbasierte Ernährungscoachings und Achtsamkeits- sowie Meditationsprogramme bis hin zu Komplettpaketen mit ganzheitlichem Gesundheitscoaching. Gerade in der Säule der Entspannung hat ein digitales BGM zudem den Vorteil, anonyme und niedrigschwellige Zugänge auch zu den Themen mentale Gesundheit & psychische Erkrankungen zu schaffen.

Während diese Lösungen größtenteils auf die Verhaltensprävention, das heißt gesundheitsbewusste Verhaltensweisen der Mitarbeitenden abzielen, adressiert ein modernes BGM primär auch die Verhältnisprävention, also räumliche und organisatorische Gesundheitseinflüsse im Betrieb. Diese Säule des BGM nimmt die Gestaltung von Arbeits- und Pausenräumen und die Team- sowie Führungskultur in den Fokus. Hierzu gibt es weitere Impulse von Iryna Mogilner ebenfalls auf PERSOBLOGGER.DE.

Schwer erreichbare Zielgruppen mit digitalem BGM gewinnen

Digitale BGM-Angebote sprechen verstärkt auch die Mitarbeitenden an, die herkömmlich vom sogenannten Präventionsparadoxon „verschluckt“ werden. Der Begriff ist an einem Beispiel schnell und schön erklärt:

Nehmen wir einmal an, Sie bieten eine wöchentliche Laufgruppe mit Coaches des örtlichen Sportvereins an. Wen werden Sie mit 90%iger Sicherheit in den Reihen der Laufenden finden? Die noch weniger sportlichen Mitarbeitenden, die sich bereits nach einigen hundert Metern mit rotem Kopf neben ihren Kolleg:innen herquälen? Oder die Hobbyläufer:innen mit meist bereits gutem Gesundheitsbewusstsein?

Mit einem zusätzlichen digitalen Angebot können Sie derartige Herausforderungen adressieren und Mitarbeitende mit unterschiedlichen Voraussetzungen, Vorkenntnissen und Vorlieben abholen. Um beim Laufbeispiel zu bleiben: In einer App, die interaktive Trainingseinheiten, Challenges und Austausch unter Kolleg:innen integriert, können die Mitarbeitenden allein oder in Gruppen auf ihrem individuellen Leistungsniveau aktiv werden.

Gamification bei BGM-Angeboten als Erfolgsgarant

Viele digitale BGM-Angebote arbeiten zusätzlich mit der sogenannten Gamification. Das bedeutet, psychologische Anreize zu setzen, die die Teilnehmenden auf spielerische Weise zu einem gesundheitsbewussten Verhalten animieren. Das naheliegendste Beispiel sind Ranglisten oder andere Wettbewerbsanreize. Aber auch Belohnungen für beispielsweise fünf gesunde Frühstücksmahlzeiten oder fünf Tage Meditation in Folge können motivieren.

Als weiteren großen Vorteil schafft das digitale BGM Zeit- und Ortsunabhängigkeit, was es vor allem für Unternehmen mit Schichtbetrieb, beispielsweise in der Produktion oder Pflege, besonders attraktiv macht. Aber auch die Mitarbeitenden an den Schreibtischen und Computern sind spätestens seit der Corona-Pandemie in vielen Unternehmen nicht mehr ans Büro und nine-to-five gebunden.

Digitales BGM = Goldstandard des BGM?

Ganz so einfach ist es leider nicht. Dass die Pandemie gezeigt hat, was alles doch geht, aber persönlichen Kontakt und Interaktion dennoch nicht zu 100% ersetzen kann, gilt auch – oder gerade – für das Betriebliche Gesundheitsmanagement.

Denken Sie zurück an die „Präventionsparadox-Mitarbeitenden“, die den richtigen Ansatz für sich und ihr gesundheitsbewusstes Verhalten noch nicht gefunden haben. Gerade ihnen hilft persönlicher Kontakt auch oftmals wiederum für den Motivationsschub. Quasi um „den inneren Schweinehund zu überwinden“.

Aber auch die Ultraläufer:innen, Ernährungsprofis und Yoga-Gurus schätzen meist den Austausch mit gleichgesinnten Kolleg:innen. Ergo: Digitales BGM kann herkömmliches analoges BGM ergänzen, aber nicht ersetzen.

Wenig angenommen bedeutet nicht gleich schlecht

Ein weiterer Gedanke, wenn etwas im BGM nicht so richtig anzulaufen scheint: Dass ein analoges BGM-Angebot schlecht angenommen wird, heißt nicht zwingend, dass es ein schlechtes Angebot ist.

Ein überspitztes Beispiel: Sie bewerben den „Fit im Schichtdienst“-Workshop für die Mitarbeitenden in den Produktionshallen im Intranet der Firma. – Wie viele Teilnehmende würden sich finden? Um zurück zum Beispiel der Laufgruppen zu kommen: Möglicherweise brauchen die Mitarbeitenden, die die zehn Kilometer noch nicht in unter einer Stunde laufen, nicht das digitale App-Workout, sondern einfach nur einen Gruppennamen wie Lockerer Lauf in den Feierabend für Einsteiger:innen. Oder aber: Gesunde Ernährung im Büro bzw. Mit Superfood und Fokus durch den Arbeitstag

Welches dieser Angebote würden Sie besuchen?

(Digitales) BGM in Kleinunternehmen und Mittelstand

Mit den ausgeklügelten und fortschrittlichen BGM-Projekten ist es gerne so eine Sache. Die Feeds der gängigen Karrierenetzwerke sind voll mit Best Practice-Beispielen von Konzernen aus Großstädten. In klein- und mittelständischen Unternehmen ist die Realität jedoch meist eine andere, wie die Studie #whatsnext2020 der Techniker Krankenkasse zeigte.

In 80% der Betriebe waren 2020 maximal einzelne Angebote der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) umgesetzt. Im Vergleich zum BGM fehlt, wie im Begriff schon steckt, die Managementkomponente, sprich eine übergreifende, systematische und ganzheitliche Vernetzung der Ansprechpersonen und BGM-Angebote, auch mit Blick auf die Gesundheitsverhältnisse im Betrieb.

Das heißt in der Praxis: Oftmals reichen Zeit, Personal und Geld doch nur für einzelne Kursangebote und jährliche Gesundheitstage.

Wie als Unternehmen aktiv werden?

Was also tun, wenn es an Best Practice-Beispielen für Ihre Branche und Unternehmensgröße noch fehlt? Hier können sog. partizipative Ansätze Impulse geben. Das bedeutet, BGM-Angebote nicht nur im stillen HR-Kämmerlein auszubrüten, sondern die Mitarbeitenden aktiv in die Auswahl und Umsetzung des BGM-Angebots miteinzubeziehen. Gerade in kleineren Betrieben mit familiärem Klima ist das wiederum eine wunderbare Möglichkeit.

Neben der klassischen Mitarbeitendenumfrage können Sie verschiedene Tools nutzen, direkt mit diesen ins Gespräch zu kommen. Kleingruppenworkshops mit verschiedenen Gruppen, beispielsweise Büro-, Produktions-, Pflege- und Servicemitarbeitende oder Führungskräfte und Auszubildene, bieten eine Plattform herauszufinden, wo jeweilige gesundheitliche Herausforderungen am Arbeitsplatz liegen. Und natürlich Ideen zu brainstormen, mit welchen BGM-Angeboten diese adressiert werden können.

Gesundheitszirkel gehen noch einen Schritt weiter und bilden Arbeitsgruppen, in denen sich Mitarbeitende und Führungskräfte abteilungsübergreifend mit verschiedenen BGM-Themen und -Projekten befassen.

Einfluss der Digitalisierung auf die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts

Bei den Stichworten Digitalisierung und Arbeitswelt kommt uns meist als erstes die aktuelle New Work-Bewegung in den Sinn. Arbeitsorte und Arbeitszeiten flexibilisieren sich, die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben verschwimmen. Mit allen Chancen und Herausforderungen für die Gesundheit am Arbeitsplatz.

Im individuellen Umgang mit der Arbeitssituation im Homeoffice zeigten sich schon während der Corona-Pandemie große Unterschiede. Das eine Teammitglied geht jenseits von nine-to-five im Büro auf, nutzt den gesparten Arbeitsweg für den Morgenlauf, die ausgedehnte Mittagspause zum Kochen mit der Familie und den Bin gleich zurück-Button in Teams für eine kurze Achtsamkeitspause.

Das andere Teammitglied hat familiäre oder psychische Probleme, die ohne persönlichen Kontakt zu Team und Führungskraft monatelang durchs Raster fallen.

Jenseits der (physischen) Unternehmensgrenzen geht es im BGM daher immer mehr darum, die Mitarbeitenden zu befähigen, ihren Arbeitsplatz und ihre Arbeitsverhältnisse eigenständig gesund zu gestalten. Weitere Impulse dazu gibt es – diesmal zum Hören – in Stefan Schellers Podcast Klartext HR mit Bastian Schmidtbleicher.

Neue Technologien im BGM

Aber auch fernab von Büros und Homeoffice beeinflusst der digitale Wandel Arbeitswelten, beispielsweise in der Produktion oder Medizin beziehungsweise Pflege. Neue Technologien, wie künstliche Intelligenz (KI) oder Robotik, gestalten zunehmend die Produktions- und Wertschöpfungsprozesse.

Auch in diesem Zuge haben wir es mit gesundheitlichen Chancen, aber auch Herausforderungen neuer Arbeitswelten zu tun. Die einen werden im Zuge der Digitalisierung durch neue Technologien entlastet, zum Beispiel beim körperlich schweren Heben oder der Arbeit in Zwangshaltungen. Die anderen sind durch mangelnde Aus- und Weiterbildung im Umgang mit neuen, digitalen Systemen und Arbeitsprozessen überlastet und überfordert.

Die Digitalisierung bietet also nicht nur neue Möglichkeiten, das BGM zu gestalten. Sie beeinflusst auch zunehmend die Arbeitswelten als das Zielobjekt, das wir im HR mit einem modernen BGM adressieren müssen.

Katja Stenzel

Katja Stenzel als Gastautorin auf PERSOBLOGGER.DE

 

Katja Stenzel arbeitet neben ihrem Masterstudium der Gesundheitsökonomie an der Universität Bayreuth als Werkstudentin im HR-Health Team der DATEV eG. Zuvor erwarb sie praktische Einblicke in der Fitnessbranche, Betrieblichem Gesundheitsmanagement im Produktionssektor, Public Health auf Bundesebene und Gesundheitsförderung auf Krankenkassenebene.

Sie brennt für alles rund um die Themen Gesundheitsförderung & Prävention – vor allem im Bereich verschiedener Arbeitswelten als wertvolle Gesundheitsressource erwachsener Menschen.

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