Fachkräftemangel, globale Kündigungswelle, Trend zur Selbständigkeit. Für Unternehmen wird es nicht nur immer schwieriger top Mitarbeiter zu finden. Auch die Suche nach Führungskräften wird immer herausfordernder. Die bessere Integration von Müttern, besonders auf Führungsebene, ist eine Lösung vieler Probleme. Gastautorin Eve Simon zeigt, was Unternehmen ändern müssen, um mehr Mütter in Führungsrollen zu bringen.
Das eigene Bild von Müttern kritisch hinterfragen
Damit das funktioniert, ist ein Umdenken bei den Unternehmen gefragt. Mütter sind keine „Mangelwesen“, sondern bringen Unternehmen echte Vorteile. Mütter sind oft sehr gut ausgebildet, haben tiefe Erfahrungen im Geschäftsleben und sind als frischgebackene Mutter ein Bootcamp in Leadership und Agilität durchlaufen. Und trotzdem wird die Spezie Mutter kaum im Business und als Führungskraft mit voller Verantwortung eingesetzt.
Oft liegt der Grund darin, dass Mütter die Pflege Ihrer Kinder priorisieren und das Mutterdasein sich nur schwer mit dem Beruf kombinieren lässt. Dies liegt besonders an den Anforderungen an Zeiteinsatz und Präsenz, die Mütter in dem Umfang, wie es meist gefordert wird, nicht leisten können (und wollen).
Sind Maßnahmen wie
- Tandem Jobs
- Flex-Zeit
- Teilzeit
- oder Homeoffice
wirklich die Lösung?
Wer hat die Zeithoheit über wen?
Sicher, im ersten Moment könnten diese Formen des Arbeitens das (Zeit)Bedürfnis der Mutter schließen und somit den Unternehmen weitere Talente bringen. Wenn man genau hinschaut, ist dies nur ein Pflaster auf eine viel tiefere Wunde. Die Frage, die sich eigentlich stellt ist, ob ein Acht-Stunden-Tag und eine Fünf-Tage-Woche überhaupt noch zeitgemäß sind. Und ist ständige Erreichbarkeit überhaupt notwendig? In Portugal wurde diese Frage gerade mit nein beantwortet und ein Gesetz auf den Weg gebracht, dass es Vorgesetzten untersagt, Angestellte außerhalb der Arbeitszeit zu kontaktieren.
Wer oder was ist also das Problem? Sind es die Mütter, die auch Zeit für Ihre Familie haben wollen? Oder sind es die Unternehmen, die ständig über ihre Angestellten verfügen wollen. Ein Blick nach Skandinavien zeigt, dass auch ein 6-Stundentag zu großem Business-Erfolg führen kann und gleichzeitig die Lebensqualität erhöht.
Denn durch die reduzierte Zeit im Beruf haben Menschen mehr Zeit für:
- Sport, Hobbys, Kreativität
- Kinder, Partnerschaft, Bedürftige, Familie
Angestellte mit mehr Freizeit sind mental und physisch gesünder, was positive Auswirkungen auf Gesellschaft und das Unternehmen hat. Denn entspannte Mitarbeiter sind kreativer und fokussierter in ihrer Zeit im Beruf. Win-Win für alle.
Und das sehen wir nicht nur in Skandinavien, sondern auch in verschiedensten Unternehmen, die auf die 4-Tage-Woche umgestellt haben.
Ein altes System bremst den Erfolg gut ausgebildeter Mütter
Kommen wir also zu dem möglicherweise „wahren“ Problem meiner These. Müttern steht ein System im Weg, das vom Beginn der Industrialisierung herrührt. Arbeiter galten als besonders produktiv, wenn sie acht Stunden am Tag, 40 Stunden in der Woche am Fließband stehen.
Dank der Automatisierung und Digitalisierung muss heute kaum noch jemand am Fließband stehen. Und trotzdem folgen wir einem alten Konzept.
Wie durchbrechen wir alte Muster?
Mit Mut zur 32 Stunden Woche – entweder durch den 6 Stunden Tag oder die 4 Tage Woche! Dies wäre der institutionalisierte Ansatz auf die Frage, wie wir mehr Mütter in Führungspositionen bringen. Jedoch kann dies nicht alleine stehen, sondern muss durch einen Mindset-Shift und Kulturwandel begleitet werden.
Heute wird es immer noch als sehr schick angesehen, viel zu arbeiten. Dadurch ist man wichtig und unentbehrlich. Tiefenpsychologisch würde ich sagen, jeder sollte mal genau hinsehen, welche Lücke denn da nun wirklich gefühlt werden möchte. Ob die Arbeit der richtige Weg ist und es gesund ist, diesem sozialen Druck zu folgen.
Darüber Hinaus sehen wir immer noch zu wenig Gleichberechtigung in Familien. Der Einsatz von Paternity Leave auf Unternehmensseite ist dabei ein wichtiger Schritt. Und doch wird eine Papa-Auszeit für die Karriere oft nicht gerade förderlich gesehen.
Statt Frauenquote eine Quote für Männer in Elternzeit
Wie wäre es statt einer Quote für Frauen in Führungspositionen und Boards mit einer Quote für Männer in Elternzeit?! Auch dies hätte viele positive Auswirkungen für Mütter, Kinder und unsere Gesellschaft.
In jüngeren Generationen sehen wir gerade die Veränderung und das Einfordern auch bei Vätern präsenter zu Hause zu sein. Grundsätzlich stellt sich aber die Frage: Hat berufliche Leistung in unserer Gesellschaft immer noch einen höheren Stellenwert als die Pflege des Menschen und der nächsten Generation?
Sollte es nicht ein Muss sein, Mütter, Ihre Stimme, Wissen und intrinsische Motivation zum Erhalt der nächsten Generation am Entscheidungstisch zu haben? Es ist Zeit für neue Zeitmodelle und einen Wandel unseres beruflichen Wertesystems.
Mein Fazit zu Müttern in Führungsrollen
Viele Unternehmen bewegen sich bereits in die richtige Richtung, bieten Flexibilität und Homeoffice an, forcieren das Diversity und Inclusion Thema und stellen sich ebenfalls die Frage des Unternehmens-Purpose und Mehrwerts für unsere Gesellschaft.
Durch den starken Wandel der Pandemie, die erst Telearbeit in dem Maße möglich gemacht hat, werden diese Unternehmen, die flexible Arbeit zum Standard machen, zum Magneten der besten Talente ohne geografische Hürde.
Die Frage ist also nicht nur, was müssen Unternehmen tun, um Mütter in Führungspositionen zu bekommen. Sondern stellen wir eher Müttern die Frage, was sie brauchen, um daraufhin bestimmter zu wissen, wie Unternehmen in Zukunft die besten und loyalsten Talente anlocken, die sie nachhaltig erfolgreich machen.