Die Corona-Pandemie hat vielen Mitarbeitenden die zahlreichen Vorteile einer mobilen Arbeit im Homeoffice aufgezeigt. Ein Teil davon bevorzugt zukünftig ein hybrides Arbeitsmodell mit Wechseln zwischen Office und Zuhause. Der andere Teil übt Druck aus auf die Führungskräfte, um länger oder gar dauerhaft zuhause weiterarbeiten zu können. Gerade in kleineren Unternehmen kann das schnell eskalieren. Was Führungskräfte gegen diesen „Homeoffice-Rausch“ tun können, erfahren Sie in diesem Artikel.
Homeoffice ist per se weder gut noch schlecht
Auch wenn Viele die ständigen Diskussionen rund um Homeoffice und mobiles Arbeiten schon nicht mehr hören können: In der Praxis ist das gerade eines der heißesten Themen. Auf der einen Seite richten sich Unternehmen zunehmend auf hybride Arbeitsmodelle ein und professionalisieren die virtuelle Zusammenarbeit. Auf der anderen Seite gibt es ein Tauziehen zwischen Beschäftigten, die nicht mehr (so häufig) aus dem zwischenzeitlich vertrauten Homeoffice raus wollen.
Zu sagen, die eine oder andere Gruppe hätte Recht, würde der Situation allerdings nicht gerecht werden. Denn Homeoffice ist per se weder gut noch schlecht. Es ist nur besser oder schlechter geeignet für die konkrete Arbeitssituation. Und auf eben jene Arbeitssituation gilt es genau zu achten.
Remote only und hybride Kollaboration – beides Neuland
Das Spannende an der aktuellen Situation ist, dass sowohl „zurück ins alte Normal“, als auch ein Switch auf ein dauerhaftes „remote only“ beziehungsweise „Homeoffice forever“ Extrempositionen sind. Aber zusätzlich die vermeintlich kompromissfreundlichere Hybrid Work in diesem Fall ebenso für viele Neuland ist – und so seine Herausforderungen hat.
Auf der Podiumsdiskussion zur H.U.G von Personio am letzten Mittwoch durfte ich übrigens mit Magdalena Rogl und Yara Hoffmann über eben jene Lernreise in Richtung professioneller hybrider Arbeit sprechen. Einblicke in die 45-minütige Diskussion gibt es in der Video-Aufzeichnung (Achtung: Werbe-Einblendung von YouTube zu Beginn ist überspringbar).
Warum der Druck auf Führungskräfte wächst
Möglicherweise hat Sie der Titel meines Beitrags etwas verwundert. Können doch Arbeitgeber über das Wahrnehmen ihres Weisungsrechts generell den Arbeitsort bestimmen. Aber was hilft dieses Recht, wenn … nein, nicht der Betriebsrat sich querstellt … die Beschäftigten mit „Ausweichbewegungen“ Druck ausüben. So könnten sie sich aktuell noch auf ihre Angst vor einer Corona-Ansteckung berufen und Gründe finden, warum sie (deshalb) weiterhin zuhause arbeiten „müssen“.
Natürlich könnten Arbeitgeber nunmehr mit der arbeitsrechtlichen Keule drohen. Aber was helfen Abmahnungen und Kündigungsdrohung, wenn andererseits der Fachkräftemangel den hochqualifizierten Beschäftigten unsichtbar Rückendeckung gibt. Und viele HR-Abteilungen zeigen bereits, dass sie genau auf eine solche Situation spekulieren: Sie bieten immer mehr Jobs mit Homeoffice-Option an.
Employer Branding Scheideweg Homeoffice
Selbst in vollem Wissen um die Vor- und Nachteile der mobilen Arbeit per Homeoffice und juristisch im Recht, scheuen viele Unternehmen den Konflikt mit den Beschäftigten. Zu stark beeinträchtigt werden könnten ihre Bemühungen um das Hochhalten einer attraktiven Employer Brand. Arbeitgeberbewertungsportale wie kununu und glassdoor sind leicht als „Waffe“ einsetzbar.
Doch viel schlimmer ist es, wenn das Verweigern einer Ausweitung der Homeoffice-Möglichkeiten tatsächlich zur Kündigung und einer Abwanderung von Beschäftigten führt. Gerade in KMU ist ein spürbarer Anstieg der Mitarbeitenden-Fluktuation häufig fatal. Und die Suchanfragen zu Homeoffice und Heimarbeit (hier auf der Jobplattform Indeed) nehmen tatsächlich immer weiter zu.
Was Führungskräfte tun können
Sollten Sie jetzt eine pauschale Antwort von mir erwarten: Vergessen Sie es! Die Herangehensweisen an die Problemstellung, Mitarbeitende aus den Homeoffices zurückzuholen, sind sehr unterschiedlich. Es lohnt sich aber ein vergleichender Blick auf andere Arbeitgeber.
Die Mitarbeitenden von Goldman Sachs in London beispielsweise werden derzeit mit gratis Eiskugeln zur Rückkehr motiviert. Andere Unternehmen nutzen Gratisgetränke und kostenfreies Mittagessen. Ja sogar die Obstkörbe – vermeintliche New Work Statussymbole und Feelgood-Nebelkerzen werden wieder ins Rennen geholt. Unternehmen wie Microsoft beispielsweise sind maximal entspannt – hier gab es schon immer die freie Wahl des Arbeitsortes.
Es hilft nichts: Unternehmen werden ihren jeweils eigenen Weg finden müssen, um diese spezielle Herausforderung zu meistern.
Mobile Arbeit ist auch ein emotionales Thema
Einen Aspekt möchte ich an dieser Stelle unbedingt noch betonen: Natürlich können Sie als HR-Abteilung für die Ansicht des Arbeitgebers mit Zahlen, Daten und Fakten argumentieren. Sie können über höhere Produktivität, Kreativität, Innovation, positivere Arbeitskultur, mehr Zusammenhalt und Teamgeist reden. Auch können Sie Ihre wirtschaftlichen Interessen, Stichwort: langfristige Mietverträge für Bürogebäude, ins Rennen werfen.
Vermutlich werden Sie aber damit scheitern. Denn die Frage nach dem Arbeitsort ist zwischenzeitlich auch zu einer emotionalen Frage geworden. Der häufig deutlich engere Kontakt zur eigenen Familie durch eine Arbeit im Homeoffice soll aufgewogen werden mit schnöden wirtschaftlichen Vorteilen für den Arbeitgeber? Vergessen Sie´s! Die meisten Beschäftigten werden hier sehr klar Farbe bekennen. Zumindest, wenn sie im Sinne einer hohen Employability vergleichsweise leicht einen anderen Arbeitgeber finden können.
Auch der während der Pandemie zugelegte Hund könnte ausschlaggebend sein für den Wunsch nach weiterhin Homeoffice. Es sei denn, Sie haben schon ein Konzept für Bürohunde.
Auch Führungskräfte selbst sind zunehmend wechselwillig
Zusätzlich Schwung erhalten könnte die Situation, wenn die Studienergebnisse von Qualtrics zutreffend sind. Demnach planen gar rund 50% aller Führungskräfte einen Jobwechsel innerhalb der nächsten 12 Monate.
Der hohe Prozentsatz erscheint mir zwar deutlich zu viel Panikmache. Trotzdem belegt es die Grund-Situation gut: Sie als Arbeitgeber müssen sich JETZT Gedanken machen, wie Sie zu Homeoffice und mobiler Arbeit stehen. An mangelndem Wissen sollte Ihre Entscheidung nicht scheitern.
Denn neben dem genau dafür von mir und Rechtsanwalt Christian Beck verfassten „Praxisleitfaden Homeoffice und mobiles Arbeiten“ kann Ihnen auch meine Themenseite Hybrid Work sicherlich wertvolle Impulse für Ihre Entscheidung liefern.